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nmz-archiv
nmz 2007/10 | Seite 16
56. Jahrgang | Oktober
Hochschule
Praktische und theoretische Kompetenzen
Neue Empfehlungen der ALMS zur Musikpädagogik an Hochschulen
Die Arbeitsgemeinschaft der Leitenden musikpädagogischer Studiengänge
in der Bundesrepublik Deutschland (ALMS) befasst sich mit denjenigen
Studiengängen, die auf die Arbeit in Musikschulen und auf
das private Unterrichten vorbereiten. Diese Studiengänge stellen
die Basis der musikalischen Bildungsarbeit und Nachwuchsförderung
in unserer Gesellschaft dar und verdienen daher besondere Aufmerksamkeit.
Bereits vor einiger Zeit hat sich die ALMS mit der Umstellung dieser
Studiengänge auf die Abschlüsse Bachelor und Master beschäftigt.
Sie hat entsprechende Empfehlungen erarbeitet, die die Auffassung
der Fachleute repräsentieren und als Orientierung herangezogen
werden können. Die nmz hat über diese Empfehlungen bereits
im Oktober 2005 berichtet. Nicht zuletzt wollte die ALMS einem
zu starken Auseinanderdriften der Grundrichtungen verschiedener
Hochschulen in Deutschland wehren, war es doch gerade auch der
Gesichtspunkt der Vergleichbarkeit, der die Bologna-Beschlüsse
motiviert hatte!
Auf ihrer Jahrestagung 2007 hat die ALMS hierzu nun noch einen
Anhang verabschiedet, der Empfehlungen zur Einrichtung speziell
musikpädagogischer Eignungsprüfungen für diese Studiengänge
beinhaltet. Hintergrund war zunächst auch die Tatsache, dass
an vielen Häusern ein Y-Modell favorisiert wird, in dem die
Studierenden sich erst nach einem gemeinsamen Grundstudium von
bis zu vier Semestern für die rein künstlerische oder
eben die künstlerisch-pädagogische Studienrichtung entscheiden
sollen. Für die rein künstlerische Ausrichtung ist dabei
ein bestimmtes künstlerisches Niveau Voraussetzung. Es steht
dabei zu befürchten, dass eine Eignungsprüfung zu Beginn
des Studiums eher den rein künstlerisch orientierten und befähigten
Bewerberinnen und Bewerbern entgegenkommen könnte. Schließlich
werden hier spätere Orchestermusikerinnen und -musiker mit
späteren Musikschul- oder Privatlehrkräften zusammen
anhand eines Vorspiels oder Vorsingens bewertet. Schon dies wäre
also ein Grund, über einen freiwilligen musikpädagogischen
Prüfungsteil nachzudenken, der es gerade den musikpädagogisch
Motivierten ermöglichen würde, ihr besonderes Profil
zu zeigen und einen Studienplatz zu erhalten. Daneben müsste
eine Quote sicherstellen, dass eine angemessene Anzahl solcherart
profilierter Bewerberinnen und Bewerber aufgenommen werden; anderenfalls
müsste man sich für die Zukunft Sorgen um die Qualität
der musikpädagogischen Ausbildung sowie des musikpädagogischen
Praxisfeldes machen.
Vielfältige Anforderungen
In ihrem nun veröffentlichten Empfehlungspapier plädiert
die ALMS zunächst für den Erhalt eines eigenständigen
künstlerisch-pädagogischen Studienganges. Die Gründe
liegen auf der Hand: Das Studium enthält reichhaltige wissenschaftliche
und pädagogische Anteile, die es von der Ausrichtung der Orchesteraspirantinnen
und -aspiranten abheben. Auch das spätere Berufsleben verlangt
von den Absolventinnen und Absolventen ganz spezielle praktische
und theoretische Kompetenzen. Außerschulische musikalische
Bildungsarbeit stellt sich heute als ein breites Feld mit vielfältigen
Anforderungen dar, die von der Förderung besonders disponierter
Kinder – sei es nun das Etikett „hochbegabt“ oder
das Etikett „behindert“ – bis zu Nachmittagsangeboten
für große Gruppen an allgemein bildenden Schulen und
vom Vorschulalter bis zur Arbeit mit Seniorinnen und Senioren reichen.
Ergänzend zum Instrument müssen auch künstlerische
Inhalte wie Singen, Musiktheorie oder Körperarbeit so verinnerlicht
werden, dass sie später fruchtbar in die Arbeit eingebracht
werden können. Ein einheitlicher „Bachelor of music“ müsste
zumindest ein eigenständiges und fundiertes musikpädagogisches
Profil erlauben, um diesen Erfordernissen gerecht werden zu können;
viel geübt zu haben und hier und da eine Vorlesung über
ein musikpädagogisches Thema besucht zu haben: das ist hier
sicher nicht hinreichend.
Breiter Ansatz
Bei den Bewerberinnen und Bewerbern für ein künstlerisch-pädagogisches
Studium ist daher zumindest der Ansatz einer breiteren und auch
pädagogisch gefärbten Motivation wünschenswert.
Stabile pädagogische Motive sind nicht einfach auf die Schnelle „herstellbar“,
sie müssen reifen und sollen später möglichst tief
in der Persönlichkeit wurzeln. Daher sollte man sich wünschen
dürfen, dass sie schon zu Beginn erkennbar sind, was nicht
ausschließt, dass „Spätberufene“ von einer
Durchlässigkeit der Studiengänge profitieren und sich
entsprechend „einklinken“ können. Weiter scheinen
Entwicklungsmöglichkeiten in den Bereichen Kreativität,
Kommunikation und Reflexion unerlässlich. So liegt es nahe,
generell und unabhängig vom jeweiligen Studienmodell auch
diese Bereiche im Rahmen der Eignungsprüfung zu erfassen.
Die
ALMS schlägt dafür verschiedene Möglichkeiten
vor: Zunächst wäre ein Gespräch denkbar – etwa über
historische, interpretatorische und analytische Aspekte eines bei
der Prüfung vorgetragenen Werkes, über sinnvolle Übeschritte
und didaktische Aspekte dieses Werkes, über allgemeine musikpädagogische
Fragestellungen (möglicherweise auch anhand von musikpädagogischen
Texten) oder über Vorstellungen und Motivation bezüglich
des Studiums und des angestrebten Berufsfeldes. Eine alternative
Form wäre eine musikpädagogische Gruppenprüfung
mit Aufgaben aus den Bereichen Rhythmus/Metrum, Körperausdruck,
Improvisation und/oder Stimme sowie mit einem Gruppengespräch über
musikpädagogische Fragen. Auch unterrichtspraktische Anteile
könnten in einer solchen Prüfung enthalten sein.
Noch ein weiteres Empfehlungspapier wurde auf der diesjährigen
Arbeitstagung der ALSM verabschiedet: Hier geht es um die Professur
für Musikpädagogik an den Hochschulen. Empfohlen wird
eine hauptamtliche, wissenschaftliche Professur für Musikpädagogik
in künstlerisch-pädagogischen Studiengängen sowie
Studienanteilen. Diese soll das Pendant zur hauptamtlichen, wissenschaftlichen
Professur für den Studiengang Schulmusik darstellen.
Tatsächlich sind ja nicht nur Musikschullehrkräfte in
der Regel finanziell schlechter gestellt als Lehrkräfte an
allgemein bildenden Schulen, sondern auch im Hochschulbereich Professuren
für Schulmusik häufig besser gestellt als die Kolleginnen
und Kollegen, die die künstlerisch-pädagogischen Studiengänge
leiten. Beide Gruppen aber leisten einen wertvollen Beitrag für
die Kultur in unserer Gesellschaft, beide bedürfen einer Praxisorientierung
ebenso wie einer wissenschaftlichen Fundierung.
Über Lehre und Forschung hinaus ist an die Betreuung von
wissenschaftlichen Arbeiten, aber auch von Promotionen zu denken.
Insgesamt zielen die Empfehlungen der ALMS darauf ab, die musikpädagogische
Ausbildung der nachwachsenden Generation mit Sorgfalt, Weitblick
und Ernsthaftigkeit anzugehen und die dafür notwendigen Strukturen
zu schaffen. Die Empfehlungen sind den Rektorinnen und Rektoren
aller deutscher Musikhochschulen, Konservatorien und anderen einschlägigen
Ausbildungsinstitute zugegangen und können in voller Länge
unter http://www.alms-musik.de/pageID_2698283.html heruntergeladen
werden.