[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz
2007/10 | Seite 11
56. Jahrgang | Oktober
Praxis: Konzertvermittlung
Der Freischütz ist eine gute Oper für Kinder
34 Kinder, der Freischütz, die Wiener Philharmoniker und ein
Papiertheater in Salzburg
Dass die renommierten Sommerfestivals sich seit einigen Jahren
zunehmend auch um ihr junges Publikum bemühen, wurde hier
und da schon einmal publiziert. Das folgende Beispiel aus Salzburg
ist ein Zeichen dafür, dass eine „gesunde“ Nachwuchsförderung
nicht mehr erst bei „Masterclasses“ für Musikstudierende
ansetzt, sondern bereits Kinder die Chance erhalten, durch die
Teilnahme an einem sogenannten Musik-Camp in die besondere Atmosphäre
eines internationalen Festivals „einzutauchen“.
„
Es war mein schönstes Ferienerlebnis, ich könnte dort
noch ewig bleiben“, resümierte der 11-jährige Dominik
nach einer Woche Arbeit an Webers „Freischütz“.
Die Wiener Philharmoniker, die Salzburger Festspiele, tak.tik – die
Werkstatt für Musikvermittlung sowie das Papiertheater Nürnberg
hatten 9- bis 13-jährige Kinder eingeladen zu einer Musikwoche
ins Salzburger Schloss Arenberg, einem Domizil der Wiener Philharmoniker.
34 Kinder mit sehr unterschiedlichen instrumentalen Fertigkeiten,
mit Lust auf Musik und Freude am experimentellen Musizieren waren
gekommen. Für die Philharmoniker war es die Woche vor der
schon im Vorfeld in der Presse vielfach diskutierten Premiere des „Freischütz“ im
Festspielhaus.
Hanne Muthspiel-Payer, Elisabeth Aigner-Monarth und Irena Müller-Brozovic
erarbeiteten mit den Kindern eine Version dieser wilden Geschichte,
die niemand wirklich selbst erleben möchte: dass von einem
Probeschuss das Glück abhängt; dass einer zur Lösung
seines Problems den Pakt mit dem Satan sucht und scheinbar wirklich
ins Unglück rennt; dass letztlich nur die glückliche
Fügung hilft. Erstaunlich, wie diese Kinder die Geschichte
annahmen, mit Musik und Szene verknüpften. Immer wieder wollten
sie diese Musik hören, in Szene setzen und während der
Pausen vor sich hin trällern: eine Woche „Freischütz“,
von morgens bis abends, bis zu einer eigenen Aufführung! Dies
konnte nur gelingen durch große methodische Vielfalt und
gezielt eingeplante Pausen.
In einer reduzierten Fassung wurden einzelne Musikstücke auf
mitgebrachten Instrumenten oder auf Orff-Instrumenten musiziert;
andere wurden gesungen. Bewegungsanimierende Passagen aus der Komposition
wurden in Tanzformen gestaltet und das außermusikalische
Geschehen zur Musik in Szene gesetzt. Zur Wolfsschluchtszene entwickelten
die Kinder eine eigene Musik auf selbst gebauten Instrumenten.
Und was alles im Wald zu hören ist, komponierten sie zu einer „Waldmusik“,
welche im Festspielhaus „uraufgeführt“ wurde.
Bilder wurden gemalt, Texte verfasst. Dass das alles zu einer in
sich stringenten szenischen Einheit wurde, war dem Einsatz des
Papiertheaters mit Johannes Volkmann zu verdanken. Eine straff
gespannte, zwei Meter hohe Papierwand bietet erstaunlich viele
elementare Möglichkeiten des In-Szene-Setzens: Agieren vor
und hinter der Wand, Projektion von Bildern an die Wand, Schattenspiel
mit Licht von hinten, Bemalen des Papiers. Schnitte ins Papier
eröffnen Durchblicke auf „Standbilder“ der Kinder,
während der Aufführung von hinten ausgeschnittene Felder
bilden Rahmen für Bilder. Schließlich fällt der
Vorhang mit zwei Schnitten. Auch Kostümteile wurden aus Papier
angefertigt. Eine außerordentlich feinsinnige, die Kinder
begeisternde Arbeit. Die Woche in Salzburg war von zwei Höhepunkten
geprägt. Dies war zum einen: Der Besuch der Generalprobe des „Freischütz“ im
Salzburger Festspielhaus wird den Kindern noch lange in Erinnerung
bleiben. Dreieinhalb Stunden Aufführung waren für sie
kein Problem. Befremdlich erschien den Kindern nicht die Geschichte,
sondern manche Einzelheiten der Inszenierung, welche dann auch
für reichlich Gesprächsstoff beim Abendessen sorgten.
Für die Kinder schien die Teilhabe an der Erwachsenenwelt
rund um die Salzburger Festpielsociety in diesem Moment ganz selbstverständlich
zu sein. Und der zweite Höhepunkt: Mit einer abschließenden
Aufführung der eigenen Version der Oper zusammen mit einem
Ensemble der Wiener Philharmoniker ging die Woche im Foyer des
Festspielhauses zu Ende. Viele Kinder wirkten auch solistisch mit,
trugen dabei hohe Verantwortung. Die Musiker übernahmen einzelne
Partien der Oper allein (zum Beispiel die Ouvertüre). Sie „verstärkten“ die
Instrumentalparts der Kinder und gaben ihnen den nötigen Glanz.
Sie hörten den Stücken der Kinder aufmerksam zu und beobachteten
die Aktivitäten an der Papierwand. Es gab ein schlüssiges,
auch musikalisch überzeugendes Ergebnis, das alle ansprach,
die Kinder, die Musiker, die Eltern, die Verwandten und Kinder.
Susanna (9 Jahre) brachte es bei der Verabschiedung auf den Punkt: „Der
Freischütz ist eine gute Oper für Kinder.“