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nmz-archiv
nmz 2007/10 | Seite 40
56. Jahrgang | Oktober
Rezensionen - DVD
Atmosphärisches in spektakulärer Optik
Musikvermittlung light mit Kent Nagano und dem DSO – Sternstunde
mit Gardiners Berlioz
Kent Nagano dirigiert Monumente der Klassik. 6 DVDs, Arthaus
101 428 ff.
„Immerhin ist schon einmal klar, was wir nicht wollen: Ein
langweilig abgelichtetes Konzert, unterbrochen durch ein paar O-Töne,
angereichert mit prätentiösem Bildungsgeschwätz
und öder Faktenhuberei für Spezialisten.“ Ziemlich
forsch gibt sich Rolf Rische in dem Sammelband „Musik und
Kultur im Rundfunk“ (Band 1 der Schriftenreihe „Mediendialoge
des Instituts Lernradio der Hochschule für Musik Karlsruhe“).
Als Leiter der „Abteilung Gesellschaft und Unterhaltung“ bei
DW-TV, dem Auslandsfernsehen der Deutschen Welle, verteidigt er
das Konzept seiner nun auf sechs DVDs vorliegenden Sendereihe „Kent
Nagano dirigiert Monumente der Klassik“ schon mal vorsichtshalber
gegen jene kritischen Bildungsschwätzer, die diesem Format
vielleicht eine gewisse Substanzarmut vorwerfen könnten.
Leider können die Filme den vorauseilenden Enthusiasmus, den
sein Text zu verbreiten sucht, nicht wirklich einlösen. Dem
Einfallsreichtum und der Professionalität, mit denen die Konzerte
des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin gefilmt wurden, stehen
Werkporträts gegenüber, die über weite Strecken
in atmosphärischen Beschreibungen verharren und nie die Prägnanz
und den Unterhaltungswert der Rattle-Serie „Revolution der
Klänge“ (nmz 10/05 und 4/06) oder der „Keeping-Score“-Filme
mit Michael Tilson Thomas (nmz 3-07) erreichen.
Das liegt nicht zuletzt an Kent Nagano selbst, der als Vermittler
weder dem beseelten Plauderer Tilson Thomas noch dem eloquent
und charismatisch am Klavier demonstrierenden Rattle das Wasser
reichen
kann. Mit nachdenklichem Ton spricht er davon, die Eroica lasse
uns hoffen, dass unsere Träume wahr werden und vergleicht
deren vierten Satz ohne weitere Erläuterung mit einer „Opernszene“.
Ein erstes persönliches Wort hören wir in Sachen Bruckner
(8. Symphonie) von ihm: Das Singen im Chor habe ihm das Gefühl
gegeben, die amerikanische Kleinstadt hinter sich zu lassen. Hier
sowie bei Brahms’ Vierter und Strauss’ Alpensinfonie
kommt Nagano ein wenig in Fahrt, riskiert auch mal einen Blick
in die Noten.
Doch auch die Verzahnung mit den Konzertausschnitten überzeugt
nicht durchweg. Selten folgt einem konkreten Hörhinweis eine
entsprechend nachzuvollziehende Stelle, meist dienen lange Musikpassagen
als Illustration einer allgemein gehaltenen Charakterisierung,
was auch in Anbetracht des ohnehin komplett auf den DVDs enthaltenen
Mitschnitts nicht überzeugt. Dem Modell aus San Francisco
folgend, kommen auch die Orchestermusiker zu Wort, ein belebendes
Element, das manch schöne Beobachtung oder Demonstration,
aber auch den ein oder anderen Gemeinplatz zutage fördert.
Und noch ein weiteres Element haben die Produzenten der Serie
zu integrieren versucht: Biografisches zu den Komponisten sollte
in
kurzen Schlaglichtern aufscheinen. Hier wurde die Form des Trickfilms
gewählt, um „Inhalte origineller und direkter transportieren“ zu
können „als in gewohnten Formen“ (Rische). So
sehen wir also animierte Abziehbilder Mozarts (den das Billard-Spiel
zum Finalthema der Jupiter-Symphonie anregt) oder Schumanns (der
mit Clara in Düsseldorf über das inspirierende Rheinland
sinniert). Immerhin basieren die Dialoge auf Originalzitaten, was
den Gehalt der optisch eher schlichten Streifchen aber nur unwesentlich
erhöht. Ein Bild von dieser entbehrlichen Innovation auf
dem Gebiet der Musikgeschichtsvermittlung kann man sich auf der
Internetseite
des Produktionshauses machen: http://www.duplicon.de/projekte/monumente-der-klassik-trickfilm.php Bleibt
die optische und musikalische Qualität der aufwändigst
verfilmten Konzerte (HDTV, spektakuläre
Nahaufnahmen und Kamerafahrten). Ohne der Gefahr einer Überfrachtung
ganz zu entgehen, legen sie ein eindrucksvolles Zeugnis von Naganos
Wirken in Berlin ab.
Endlich auf DVD wiederveröffentlicht, liegt John Eliot Gardiners
Pionierarbeit in Sachen Originalklang-Berlioz vor. Eine Sternstunde
spielte sich da am Uraufführungsort der Fantastique, im Saal
des Pariser Conservatoires im September 1991 ab. Der optische Eindruck
der sechs Harfen, der Ophicléide oder des Serpents korrespondiert
aufs Schönste mit der herausragenden musikalischen Qualität
dieser Einspielung.
Auch die erst 1992 wiederentdeckte Messe Solennelle, deren
Material Berlioz in späteren Werken großzügig wiederverwendete,
erfährt in dem Mitschnitt aus der Westmister Cathedral eine
exemplarische Wiedergabe durch den Monteverdi Choir und Gardiners
Orchestre Révolutionnaire et Romantique. Auch als Anschauungsmaterial
in Sachen Instrumentenkunde ist diese DVD an Prägnanz und
Faszinationskraft kaum zu überbieten.