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nmz-archiv
nmz 2007/10 | Seite 40
56. Jahrgang | Oktober
Rezensionen
Kurz vorgestellt
DVDs
Crossroads. Sony
Er soll angeblich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben:
Robert Johnson, der „King of the Delta Blues Singers“,
der 1938 im Alter von 27 Jahren starb. Obwohl sich alles in Walter
Hills vorzüglichem Blues-Märchen „Crossroads“ um
diesen Mythos dreht, wird der legendäre Sänger im Covertext
zu dieser Columbia-Produktion von 1986 mit keinem Wort erwähnt.
Stattdessen lesen wir: „Mit einer gelungenen Mischung aus
Abenteuer, Romantik und Musik entführt der Film den begabten
jungen Gitarristen Martone in eine gefährliche und zugleich
faszinierende neue Welt.“ Ärgerlich, wie hier eines
der schönsten Roadmovies der 80er-Jahre verramscht wird
als nur ein weiterer Film mit dem „Karate Kid“ Ralph Macchio. Immerhin wird der musikalische Leiter dieser Robert-Johnson-Hommage
genannt: Ry Cooder. Fazit des Sony-Schreibers: „Untermalt
von Delta-Blues und treibendem Rock begleitet ‚Crossroads‘ Martone
und Brown auf einer intensiven Odyssee, die in einem dramatischen
Höhepunkt gipfelt.“ Auch ohne diesen „Höhepunkt“ ist
der Film natürlich viel besser als dieser blöde Covertext.
Phantom of the Paradise. Capelight
Auch in Brian De Palmas „Phantom of the Opera“-Remake
von 1974 verkauft ein Musiker seine Seele dem Teufel. Lange vor
Lloyd Webber verwandelten De Palma und sein kleinwüchsiger
Musikus Paul Williams den Stoff in ein Musical, das inspiriert
ist von „Faust“ oder „Dorian Gray“. Sehr
klug hat der Kritiker Hans Schifferle die Essenz dieser grandiosen
Post-Mortem-Show erfasst: „Mit einem ungemeinen Drive und
atemberaubender visueller Bravura hat De Palma ein Melodrama über
die Morbidität des Rock inszeniert, das den Schwung eines
Neuanfangs hat.“ Und so wirkt diese Rock-Comic-Oper, die
viel stringenter erscheint als The Who’s „Tommy“,
seltsam zeitlos, fast alterslos wie die beiden Paradiesvögel
in De Palmas „Pleasure Dome“.
Viktor Rotthaler
Pearl Jam – Immagine in Cornice
Rhino Records
Es ist barbarisch, was diese Band ihren Fans zumutet. Jahrelange
Wartezeiten auf Konzerte, rare Interviews, wenig DVD-Material,
ausgesuchtes Albumschaffen. Plötzlich aber kommt es geballt:
zwei Europatourneen in einem Jahr, sieben Live-CDs und diese DVD,
eher ein Film denn ein Mitschnitt. Regisseur Danny Clinc verschafft
einen intimen und zugleich distanzierten Blick auf die Band und
deren nach wie vor wohl einzigartige Philosophie von Musik. 120
Minuten Gänsehaut in „High Definiton“, mit großer
Seele.
V.A. – Old Skoöl of Rock. Universal
Eine Zeitreise gewährt die DVD „Old Skoöl of Rock“.
Wer sich erinnern möchte, wie Rockmusik ursprünglich
krachte, bevor die verweichlichte Gitarrenfraktion ihren Schuss
Melancholie hinzufügte, dem kann geholfen werden. Wir hören
und sehen Videos von Deep Purple, Scorpions, Status Quo, Kiss,
ZZ Top, Mötley Crüe, Extreme, Thin Lizzy, Rainbow, Judas
Priest, Spinal Tap, Motörhead, AC/DC und einigen mehr. Nicht
nur, dass die DVD ein sehenswerter Rückblick ist; auch die
Art und Kunst der damaligen Musikvideos gewinnt wieder an Bedeutung,
vergleicht man sie mit den heutigen Hightech-Bildern aus der „BlueBox“.
Queensryche – Mindcrime
at the Moore. Universal
Wie Pearl Jam kommen Queensryche aus
Seattle, spielen aber Progrock
mit kommerzieller Tendenz. Seit Jahrzehnten hinkt die spielstarke
Band ihrem Mega-Opus „Operation Mindcrime“ (1988)
hinterher. Die Jagd führt bis 2007 zu unzähligen „best
of“- und „live“-Veröffentlichungen, siehe
vorliegende DVD. Brillant freilich in Ton, Licht und Dramaturgie – ein
Prog-rock-Musical, das dem Edelfan der Band ohne Frage gefällt
und zudem die Band live zeigt, was so schnell in Europa nicht
möglich sein wird.