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nmz-archiv
nmz 2007/10 | Seite 42
56. Jahrgang | Oktober
Noten
Ein endlich ausgestandener Editionsstreit
Faurés erstes Klavierquintett jetzt wieder bei Hamelle
Gabriel Fauré: Premier Quintette op. 89 pour Deux Violons,
Alto, Violoncello et Piano. Édition critique de Roy Howat.
Klavierpartitur und Stimmen. Hamelle/Leduc HA 9690.
Vor genau 100 Jahren fertiggestellt und 1906 vom Ysaÿe-Quartett
mit dem Komponisten am Klavier in Brüssel aus der Taufe gehoben,
noch erfolgreicher in Paris kurz danach vom Quatuor Capet aufgeführt,
fand jetzt endlich seine verdiente neue Würdigung durch die
kritisch kommentierte Neuausgabe beim ursprünglichen Verleger
Hamelle in Paris. Aber Fauré war damals mit Hamelle nicht
zufrieden und übergab deshalb das Werk ein Jahr später
dem Publisher Schirmer in New York, wo es aber wegen zwischenzeitlich
gewünschter Reprint-Korrekturen Irritationen gab und so wurde
das Werk schließlich 1974 aus dem Verkauf genommen. Der ursprüngliche
Verleger Hamelle konnte nun in unseren Tagen die Sache wieder gut
machen und initiierte eine gediegenere und verlockende Neuedition
dieses Klavierquintetts. Für diese unternahm der Musikologe
und Pianist Roy Howat den Rückgriff auf alle verfügbaren
Quellen, wertete die verschiedenen Revisionen Faurés und
die gesammelten aufführungs-praktischen Eintragungen von etlichen
Interpreten aus. Von dieser neuen Druckversion des Werkes kann
man annehmen, dass sie den Intentionen des Komponisten so nahe
wie möglich kommt. Fauré, dieser Komponist des Übergangs
zwischen Romantik und den impressionistischen Strömungen der
Zeit, war und ist im Gegensatz zur Einschätzung in unseren
Gefilden in Frankreich hochbeliebt und genauso bevorzugt wie Debussy
und sein Schüler Ravel. Bei diesem Quintett mit einer wunderbaren
musikalischen Balance zwischen Klavier und Streichern beweist er
sich als Exponent der (französischen) Klavierkammermusik.
Hier ist sein sehr eigener und unbeirrbarer persönlicher Ausdruckswille
zu erkennen. Um diesen zu demonstrieren, erlaubt er sich zunehmende
Freiheiten von traditionellen klassischen Formtypen und entfernt
sich von funktionellen harmonischen Bindungen im Interesse bestimmter,
gewollter Farbwerte. Besonders originelle Stilmittel sind auch
wiederkehrende rhythmischer Motive, die den beiden spritzigen Ecksätzen
eine fortschreitende, elegante Bewegung verpassen, während
der gesangliche Mittelsatz durch die geschickte polyphone Führung
verschiedener thematischer Motive eine hohe Klangintensität
erreicht. Jahrzehntelang war dieses eindrucksvolle Opus nicht greifbar.
Es wartet nun auf Wiederbelebung in unseren Kammermusiksälen.