[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2007/10 | Seite 27
56. Jahrgang | Oktober
Deutscher
Tonkünstler Verband
Begegnungen mit einer „Komponistin vor Ort“
„Composer in Residence“ – TKV Schweinfurt/Main-Rhön
geht neue Wege
„Ich dachte immer, dass Komponisten schon tot sind!“ – das
ist wohl die bemerkenswerteste Erkenntnis, die eine 7-jährige
Schülerin aus ihrer Begegnung mit der Komponistin Dorothea
Hofmann gezogen hat, dass Menschen, die Musik komponieren, durchaus
noch leben können ... Das persönliche Gespräch und
der gegenseitige Austausch über zeitgenössische Musik
mit dem Komponisten selbst kann ein Einstieg in weitere Begegnungen
mit Gegenwartsmusik sein.
Diesen Hintergrund hatte ein Projekt des Tonkünstlerverbandes
Schweinfurt/Main-Rhön, das sich über neun Monate hinzog
und verschiedene Teilprojekte beinhaltete. Kinder und Jugendliche
sollten die Möglichkeit haben, auf ganz unterschiedliche Weise
mit zeitgenössischer Musik in Berührung zu kommen.
Im Vordergrund stand dabei nie das lediglich passive Konsumieren
von Musik, sondern immer die aktive Beschäftigung mit ihr.
Eine weitere Besonderheit zeichnete das Projekt dadurch aus, dass
eine Komponistin über den Zeitraum verteilt zu bestimmten
Arbeitsphasen vor Ort war und mit den Kindern und Jugendlichen
arbeitete. Schließlich komponierte sie eigens für verschiedene
Ensembles einige Stücke, die bei der Abschlussveranstaltung
uraufgeführt wurden.
Ganz unterschiedliche Einzelprojekte, die sich an Kinder, Jugendliche
und junge Erwachsene richteten, verbanden sich zu einem großen
Ganzen. Die Wahl fiel auch deshalb auf Dorothea Hofmann, weil sie – so
Elke Tober-Vogt, die Vorsitzende des örtlichen Tonkünstlerverbandes
und mit ihrem Mann Gerhard Vogt Initiatorin des Projektes – „durch
ihre offene Art die Fähigkeit besitzt, auf junge Menschen
zuzugehen und sie zu begeistern für Musik unserer Zeit“.
Mit roten Backen lauschen die Kinder der ersten Grundschulklasse
fasziniert den Klängen des Hackbretts und entdecken die Bestandteile
dieses seltenen Instruments: aus einem Brett, Nägeln und ein
paar Drähten bauen sie es zusammen. Mit bunten Tüchern
bewegen sie sich dann zu den Klängen durch den Raum. Sie lauschen,
werfen die Tücher in die Luft und beobachten, wie diese langsam
wieder zu Boden schweben. Um „Traumgeschichten“ der
Münchner Komponistin Dorothea Hofmann geht es dabei, um Schmetterlinge
und Libellen, die durch die Luft gaukeln und um Mehlwürmer,
die wohlig satt in den Schlaf sinken ...
Angesichts leerer Stuhlreihen in Konzerten, die Werke zeitgenössischer
Musik beinhalten wird darüber nachgedacht, wie Neugier auf
ungehörte und unerhörte Musik geweckt werden kann. Im
kommerziellen Konzertbetrieb werden Werke jüngeren Entstehungsdatums
oft nur zwischen das gängige Konzertrepertoire geschoben,
wenn sie dort überhaupt aufgeführt werden. Doch wie soll
dieser Zustand verändert werden, wenn beim potentiellen Publikum
eine Reserviertheit gegenüber dem Neuen besteht? Berührungsängste
abbauen, das Neue auf sich zukommen lassen und annehmen – das
ist ein Ziel, das das Musikprojekt „Composer in Residence“ verfolgt.
Für eine Bläserklasse der 6. Jahrgangsstufe und Kammermusikensembles
der örtlichen Musikschule komponiert Dorothea Hofmann eigens
auf den Leib zugeschnittene kurze Stücke. Für die Bläserklasse
stellt dies eine besondere Herausforderung dar, spielen die Mädchen
ihr Instrument doch erst im zweiten Jahr. Am Ende der bisweilen
mühsamen Probeneinheiten strahlen die Kinder über das
ganze Gesicht und haben einen Satz aus dem „Schloss auf den
Felsen“ zu ihrem Lieblingsstück erkoren, wollen ihn
zum Abschluss jeder Musikstunde spielen. Auch für Dorothea
Hofmann stellt eine Komposition, die sich an Anfänger richtet
eine Herausforderung dar. Sie schreibt ihre Stücke so, dass „sie
jemand alleine zu einer Version bringen kann, die ihm gefällt.
Musik ist so, dass es offene Stellen gibt. Diese Leerstellen geben
dem Spieler wie dem Hörer die Möglichkeit, sie zu füllen.
Sie gehören zur Kunst dazu.“
Eine Schülerin des Kompositionsworkshops beschreibt ihren
Gewinn, den sie persönlich aus der Teilnahme gezogen hatte: „Auf
jeden Fall konnte ich viele neue Erfahrungen machen, durch die
ich nun fremde Kompositionen intensiver lese und mehr Respekt vor
der Arbeit des Komponierens habe.“ In einer einführenden
Einheit stellt die Komponistin, die auch als Dozentin am Richard-Strauss-Konservatorium
in München lehrt, exemplarische und inspirierende Werke des
20. Jahrhunderts vor und arbeitet dann in mehreren Einheiten mit
den Schülern. Zu dem gestellten Thema „Wasser“ machen
diese sich Gedanken und schreiben sie auf. Die daraus entstandenen „Wasserskizzen“ – Kammermusik
für 1–3 Instrumente – werden durch sie und ihre
Mitschüler aufgeführt und in einem Band veröffentlicht.
Sie haben eigene Musik erfunden und dabei auch die Schwierigkeiten
der Notation erkannt und gemeistert.
Am Ende sind alle Beteiligten darüber einig, dass „Composer
in Residence“ eine „tolle Sache“ war und im nächsten
Jahr unbedingt wieder durchgeführt werden soll.