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nmz-archiv
nmz 2007/11 | Seite 41
56. Jahrgang | November
Oper & Konzert
Das verdächtige Saxophon
Neufassung der Ausstellung „Entartete Musik“ in Düsseldorf
1988 – genau 50 Jahre nach ihrem „Original“ im
III. Reich – rekonstruierte der Musikwissenschaftler Albrecht
Dümling die Ausstellung der Nationalsozialisten „Entartete
Musik“ auf Initiative des damaligen Intendanten der Düsseldorfer
Sinfoniker, Peter Girth. Hans Severus Ziegler, 1938 Staatsrat in
Thüringen und Generalintendant des Deutschen Nationaltheaters
Weimar, hatte sie ein Jahr nach der in München gezeigten Ausstellung „Entartete
Kunst“ in Düsseldorf anlässlich der Düsseldorfer
Reichsmusiktage initiiert.
Es ging ihm darum, „Zersetzung“ und „Rassenmischung“ in
der Musik zu diagnostizieren und einem künstlerischen Pluralismus
Einhalt zu gebieten. Für das Cover der Broschüre mit
der Eröffnungsrede Zieglers verwendeten die Nazis den schwarzen
Musiker Jonny aus Kreneks populärer Oper „Jonny spielt
auf“; sie verwandelten dabei seine Nelke in einen Judenstern.
Schon in Düsseldorf zog die im Jahr 1988 rekonstruierte Ausstellung
ein großes Publikum an. Anschließend bereiste sie Stationen
in der ganzen Welt, zum Beispiel die Wiener Festwochen, die Juni-Festwochen
Zürich, das Concertgebouw Orchester Amsterdam, das Germanische
Nationalmuseum Nürnberg. Eine englischsprachige Version wurde
1991 in Los Angeles präsentiert, später in New York,
Boston, London und Barcelona. Letzte Station der Ausstellung war
in diesem Jahr die Stadt Sevilla.
Nun, 20 Jahre später, gibt es eine Neufassung der Ausstellung.
Neue Forschungsergebnisse sowie neue Möglichkeiten der multimedialen
Darstellung veranlassten Albrecht Dümling, die Exponate zu überarbeiten,
zu ergänzen und durch audiovisuelle Medien zu erweitern. Dazu
kommt eine stärkere Akzentuierung der Operette und des zur
Zeit der Nationalsozialisten als „Niggermusik“ verschrienen
Jazz. Beide standen in der 88er-Ausstellung eher im Hintergrund.
Daraus erklärt sich der Titel der Neufassung: „Das verdächtige
Saxophon“. Auch neue Erkenntnisse über Hintergründe
der „Original-Schau“ und über Konflikte zwischen
Hans Severus Ziegler und dem Präsidenten der Reichsmusikkammer,
Peter Raabe, die die Ausstellung begleiteten, waren Anlass für
die neue Fassung. Gezeigt wird die Ausstellung ab dem 3. November
im Hauptfoyer der Berliner Philharmonie, jeweils nachmittags und
abends. Ermöglicht wird sie durch eine Kooperation der Stiftung
Berliner Philharmoniker mit den Düsseldorfer Sinfonikern.
Begleitet wird die Ausstellung durch thematische Ergänzungsveranstaltungen.
Unter anderem wird „Weintraubs Jazz Odyssee“, ab dem
29. November im Programm der Neuköllner Oper, auch in die
Philharmonie eingeladen. Dabei geht es um die Spurensuche nach
einer in den Berliner 20er-Jahren bekannten und beliebten Jazz-
und Swingband, den „Weintraub Syncopators“, die heute
kaum noch bekannt sind.
Ab Januar 2008 ist die Neufassung der Ausstellung „Entartete
Musik“ dann erneut in der Düsseldorfer Tonhalle zu sehen.