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Ausgabe 2007/11
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nmz 2007/11 | Seite 8
56. Jahrgang | November
Magazin

Wer jetzt Kunst macht, ist die Tradition

Qualitätsvolle Musik und die Qualität des vermittelnden Weges – Ein Interview mit Wolfgang Rihm

Im Jahr 2004 übernahm der Komponist Wolfgang Rihm den Vorsitz in der Jury des Förderprogramms „Konzert des Deutschen Musikrates“. Bis zur Frühjahrssitzung 2007 arbeitete sich die Jury unter seiner Leitung durch knapp 700 Anträge und bewilligte Zuschüsse für 212 Projekte mit Neuer Musik in Deutschland. In diesem Jahr übergibt er die Aufgabe an Isabel Mundry. Meret Forster befragte Wolfgang Rihm zur Zukunft der zeitgenössischen Musik und deren Förderung:

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Konzertform ist keine heilige Kuh: Wolfgang Rihm. Foto: Charlotte Oswald

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Bild vergrößernKonzertform ist keine heilige Kuh: Wolfgang Rihm. Foto: Charlotte Oswald

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neue musikzeitung: Herr Professor Rihm, wenn man Sie erreichen will, bitten Sie als Vielbeschäftigter im Zeitalter der mobilen Kommunikation um einen Brief. Warum?
Wolfgang Rihm: Mir ist die Beweglichkeit der Gedanken wichtiger als die gesteigerte Geschwindigkeit ihrer Übermittlung. Wir verwechseln heute allzu oft die schnell übermittelte Nachricht mit einer wichtigen.

nmz: Zeitgenössische Musik taucht in Konzertprogrammen abseits der Spezialfestivals nach wie vor recht knapp dosiert auf. Woher rührt diese hartnäckige Annahme, das Publikum möge keine neuen Klänge hören?
Rihm: So selten taucht Zeitgenössisches gar nicht auf. Da gibt es „hartnäckige Annahmen“, die durch Wiederholung ein tristes Bild erzeugen (sollen?) – cui bono? Das Publikum ist gar nicht so dumm und hilflos, wie es oft imaginiert wird. Am meisten von Veranstaltern, die ihren eigenen Musikhass zum Maß aller Dinge stilisieren. Das Hauptproblem ist fast immer: Wie wird etwas vermittelt!? Hervorragende Interpretationen neuer Werke in einem klug durchdachten Umfeld – sie verfehlen ihre Wirkung nicht.

nmz: Wie begegnen Sie als Komponist der quotengestützten Angst des Publikums vor dem Neuen?
Rihm: Indem ich immer weiter Neues hervorbringe. Es gibt übrigens auch eine (quotengestützte?) Angst vor dem Alten, vor Geschichtlichkeit. Überhaupt sind „Ängste“ in diesem Bereich immer eine sichere Sache: Man erzeugt sie, indem man sie fürchtet. Selbstverständlich stützt man sich auf zähneklappernde Mehrheiten.

nmz: Wie sehen Sie heute die Verantwortung des Komponisten gegenüber Tradition und unserer Gesellschaft?
Rihm: Wer jetzt Kunst macht, ist die Tradition. Das war schon immer so. Da liegt auch die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft: Durch das Schaffen von Neuem wird die Zukunft der Tradition gesichert. Wobei Neues nicht dem entsprechen muss, was als Bild des Neuen in allgemeinem Umlauf gehalten wird. Das Herausbilden von Kritikfähigkeit ist auch eine gesellschaftliche Verantwortung.

nmz: Neue und interessante Konzeptionen der Vermittlung zeitgenössischer Musik sollen mit dem Projekt „Konzert des Deutschen Musikrates“ unterstützt werden. Was für Kriterien setzen Sie in der Jury an?
Rihm: 1. Die Qualität der zu vermittelnden Musik. 2. Die Qualität des vermittelnden Weges, wobei die Vermittlung sich nicht vor die Hauptsache, die qualitätsvolle Musik, drängen sollte, was naturgemäß nicht immer leicht zu vermitteln ist. Denn künstlerische Qualität ist kein allgemeiner Begriff, sondern immer einer im Besonderen.

nmz: Wie setzt sich die Jury bisher zusammen? Welche Rolle spielen bei der Juryarbeit turnusmäßige Fluktuation und Kontinuität?
Rihm: Die Zusammensetzung der Jury empfand ich als wohltuend kompetent und menschlich durchweg erfreulich. Ich glaube nicht, dass Fluktuation in diesem Fall die Qualität der Arbeit stört.

nmz: Was war Ihr persönliches Anliegen als Jury-Vorsitzender?
Rihm: Kein besonderes. Ich versuchte, den Anträgen gerecht zu werden, von denen ich zunächst einmal annahm, dass sie Qualität auf höchstem Niveau zu vermitteln trachteten. Zeigte sich Gegenteiliges, versuchte ich auch dem gerecht zu werden und gab ein ablehnendes Votum ab.

nmz: „Qualität – Vermittlung – Experiment“ sind seit 2004 die programmatischen Schlagworte der Projektausschreibung. Was verstehen Sie darunter? Wie deckten sich bisher Ihre Vorstellungen mit denjenigen der Antragsteller?
Rihm: Die Formel bestand bereits, als ich in die Jury gebeten wurde. Ich kam damit zurecht. Auch im vorhin beschriebenen Sinn: Die Qualität der Musik sollte immer Vorrang haben.

nmz: Welches Verständnis der Konzertform legen Sie der Auswahl zugrunde?
Rihm: Für mich persönlich ist die Konzertform keine heilige Kuh. Es sollte für jede Art Musik die optimale Präsentationsform gefunden werden.

nmz: Als Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung wird ein überwiegender Programmanteil mit Stücken deutscher oder in Deutschland lebender Komponisten gefordert, die nach 1980 entstanden sind. Wie ist das Projekt mittlerweile als Förderung bei Komponisten präsent?
Rihm: Offensichtlich ist es sehr präsent, wie die hohe Zahl der Bewerbungen zeigt. Aber es sind ja weniger die Komponisten, die sich bewerben, als vielmehr die Veranstalter. Das Projekt scheint mittlerweile allgemein akzeptiert, bietet es doch auch im regionalen Umfeld weitgefächerte Fördermöglichkeiten.

nmz: Inwiefern kann man Ihrer Erfahrung nach die Fähigkeit, innovativ zu arbeiten, weitergeben oder anregen?
Rihm: Innovation ist kein absoluter Wert. Stets ist sie in Relation zu einem Vorzustand zu verstehen. Eine „Weitergabe“ ist nur über ein Qualitätsbewusstsein möglich, das sich freihält von den tagesaktuellen Erscheinungsformen des Innovativen. Künstlerisch wäre das nur über eine intuitive Selbstkritik zu leisten, die nie abgesichert werden kann.

nmz: Welche Rolle spielt die allgemeine wirtschaftlich-ökonomische Ausgangssituation für das Entstehen interessanter Initiativen im Konzertleben?
Rihm: Je weniger Geld es gibt, umso weniger haben sowieso schon mutlose Veranstalter Mut, ihre Mittelwege zu verlassen. Die Mutigen aber sind ohnehin stets an neuen Wegen interessiert. Was ich sagen will: Ökonomie hin oder her, es sind immer Individuen, die etwas ermöglichen oder eben nicht.

nmz: Hin und wieder gibt es Stimmen, die kritisieren, dass das Förderprogramm „Konzert des Deutschen Musikrates“ ein zu geringes Volumen hat. Wie sehen Sie das?
Rihm: Finanzielle Volumina zur Förderung neuer Musik sind grundsätzlich zu gering bemessen verglichen mit den Mitteln, die der Präsentation alter Musik zur Verfügung stehen. Wobei ich jetzt nur über Kunst-Musik spreche. Die Mittel, die zur Förderung der Unterhaltungswelt bereitstehen, entziehen sich meiner Kenntnis. Dort bestehen sicher auch völlig andere kommerzielle Erwartungen.

nmz: Inwieweit konnten Sie persönlich geförderte Konzerte überhaupt besuchen?
Rihm: Kaum, da ich, wie Sie wissen, berufstätig bin.

nmz: Warum geben Sie den Vorsitz jetzt ab? Wie sehen Ihr Fazit und Ihre Zukunftswünsche aus?
Rihm: Ich komme immer wieder in Konflikt mit meiner eigentlichen Arbeit. So müssen sekundäre Tätigkeiten von Zeit zu Zeit zurücktreten. Aber ich bleibe dem Deutschen Musikrat ja erhalten als Vorsitzender der Jury für das Projekt „Edition Zeitgenössische Musik“. Fazit und Wunsch: Mehr Qualität, mehr Vermittlung, mehr Experiment.

Das Gespräch führte Meret Forster

 

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