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nmz-archiv
nmz 2007/11 | Seite 15
56. Jahrgang | November
Musikwirtschaft
Man darf nur nicht den Glauben verlieren
Musikmesse Popkomm zwischen Kommerz und Leere
Der Stand der Megafirma Sony/BMG stellte nicht nur das Symptom
des Zustands der kommerziellen Creative-Content-Industrie dar,
er war zugleich Symbol ihres gegenwärtigen Versagens und der
Versagung. Dabei wollte er doch nur verheißen: „We
believe in music“ – Wir glauben an Musik. So, wie eben
Autohersteller an Autos glauben und an Mobilität. Es geht
darum, an etwas zu glauben. Im Prinzip ist es gleich, an was, Hauptsache:
dass!
Der Stand wirkte in seiner Halle wie ein kleine, unbefleckte und
unbefleckbare Musikkirche. Alles schön hell weiß, alles
zentriert auf den Glaubenssatz, Fackeln an den Seiten deuten archaisches
Wesen an. Davor Bänke, gewissermaßen in Reih’ und
Glied. Kaum anders zu verwenden als zu einer Glaubensmeditation:
We believe in music. Und Seligkeit?
Nichts zu bemerken von einer Seligkeit in dieser umtriebigen Umgebung,
voll mit Fachbesuchern, Ausstellern, Darstellern und Dauertelefonierern.
Der Musikrausch auf der Popkomm konzentrierte sich auf dieses Nichts
aus leerer Bewegung. Symbolisch dafür der monolithische, außen
verspiegelte Block eines anderen Major-Players, Universal-Music.
In deren Schatten dann einige Contentverwertungsfirmen und damit
so etwas wie Hüter die heiligen Geister der Religionshoheit – oder
-hohlheit. Den Rest der Messe erledigten dann Panels, in denen
sich zum Teil die Wertekonklaven formierten.
Popkomm-Kapelle
von Sony/BMG. Foto: Martin Hufner
In einem dieser Panels ging es um die Zukunft der Klassik im
Internet. Seit 1994 habe man gut 35 Prozent Umsatzrückgänge bei
Verkauf von Tonträgern zu verzeichnen, hört man da. Gleichwohl
sei ein Anstieg von 2 (2006) auf 4,5 Prozent (Prognose 2007) der
Downloadkäufe bei Klassik, bezogen auf alle Downloadkäufe
zu vermelden. Eine enorme Steigerung. Aber die auf die Verwaltung
von Popmusik ausgelegten Downloadstores wie iTunes behindern das
Geschäft, hieß es. Naxos startete deshalb seinen eigenen
Downloadstore mit komfortableren Suchmechanismen und ist damit
ganz zufrieden (www.classics-online.de). Und dabei verzichtet man,
anders als die Majors Sony/BMG und Universal auf Möglichkeiten
des DRM (also des Digital Rights Managements). Die schicken, wie
Universal, dafür lieber einen Pianisten wie Lang Lang per
elektronischer Matrize in totgeborene Zweitwelten wie SecondLife.
DRM ist nach wie vor ein Knackpunkt. Während die Majors darum
fürchten, ihren „Content“ ohne Sicherungsmechanismen
zu verschenken, stehen bei Naxos und anderen viel kleineren Klassik-Unternehmen
die Kundenwünsche höher. Einer der ersten wäre,
dass man die gekaufte Musik auch abspielen und anhören kann – und
zwar nicht gebunden an einen bestimmten Rechner oder an ein mobiles
Abspielgerät. Für die Zukunft sieht man im Downloadbereich
schon Entwicklungsmöglichkeiten, gerade was das so genannte
Nischenrepertoire angehe. Teilweise, so der Naxos-Sprecher Markus
Petersen würden so erst Produktionen rentabel, so dass man
diese nur digital erwerben wird können. Für große
Firmen spielt Nischenrepertoire eher weniger eine Rolle, denn man
versteht sich nicht als musikalischer Samariter, sondern als Vertreter
des Premiummusiksegmentes. Umgekehrt könnte man sagen, dass
Firmen wie Naxos nur nach dem Prinzip des Billigheimern funktionierten,
sozusagen als Klassikresterampe. Momentan ist jedenfalls unübersehbar,
dass einige wirtschaftliche, künstlerische und technische
Anschluss- und Vernetzungsleistungen noch nicht erbracht worden
sind. Die Zukunft wird’s weisen. Man muss nur daran glauben.
Ein Panel zum Thema Urheberrecht Korb 2 mit Vertretern der Volksvertreter
fiel aus. Ein weiteres, vom VUT, dem Verband unabhängiger
Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten e.V.
war einigermaßen überladen. Es sollte dem Vernehmen
nach darum gehen, warum so wenig Geld bei den Mitgliedern des Verbandes
lande, obwohl die derzeitig größten Content-Verbreitungs-Schmieden
YouTube oder MySpace mit satten Milliarden-Beträgen ihre Besitzer
wechseln. Dazu hatte man sich neben eigenen Vertretern auch jeweils
zwei von GEMA und GVL eingeladen. Peter James vom VUT moderierte
diese unlustige Besetzung gleich selbst mit Frage- und Verhörsuaden,
die an die spanische Inquisition erinnern mochten. Gleichwohl zeigte
das Fragegeschwader seine Wirkung, als sich Frank Dostal, GEMA-Aufsichtsratmitglied
(Verfasser des „Lieds der Schlümpfe“), gewohnt
charmant dahingehend äußerte, dass immerhin sein Aufsichtsratmitgliedskollege
Christian Bruhn (Komponist von „Marmor, Stein und Eisen bricht“ oder „Wunder
gibt es immer wieder“) seit seiner GEMA-Mitgliedschaft auf
gut und gerne 10 Millionen Euro Einnahmen allein dadurch verzichtete,
dass er nicht pingelig genau darauf schaute, ob ihm dieses Geld
eigentlich ja zustünde und dann darauf beharrte, dass er es
erhielte. Das sei eben gelebte Künstler-Solidarität.
Und der Begriff „angemessene Vergütung“ bekommt
so natürlich seine eigene Bedeutung. Zusammengefasst verdreht
sich der Spieß aufs Präziseste: „Wunden gibt es
immer wieder.“ Er, Dostal, sei jedenfalls sehr zufrieden
und er könne mit ruhigem Gewissen an der Hamburger Alster
spazieren gehen und sich Texte einfallen lassen, weil er wisse,
dass es bei ihm in der Tasche klingele, wenn diese Text dann an
Brasiliens Copacabana gesungen werde, weil es nämlich die
GEMA gebe. Damit waren die Fragen des VUT hinreichend beantwortet.
„Lasst uns fröhlich sein“ war dann auch das Motto der
Vorstellung der „Initiative Musik“. Frank Dostal auch
hier auf dem Podium lobte diese neue Institution, in der Musikwirtschaft
und Politik sich die Hand reichten mit den Worten „Es hat
sich was verändert“ und es klang ein bisschen so, wie
bei Neill Armstrongs ersten Schritten auf dem Mond. Ein kleiner
Schritt für die zwölf Apostel (so wurden sie wirklich
auf dem Podium apostrophiert), ein großer für die musikalische
Menschheit. Musikkultur müsse man einfach mal als Risikokapital
sehen und überhaupt müsse man endlich mal sehen, dass
es nur darum geht, dass irgendwie irgendwo Geld fließe. Die „Initiative
Musik“ sieht sich als Vermittler zwischen dem vielen einfach
brach herumliegenden Geld und den einfach brach herumliegenden
musikalischen Künstlern. Sie wird beide zusammenbringen und
danach ist alles wieder besser. Man muss nur daran glauben.