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nmz-archiv
nmz 2007/11 | Seite 43
56. Jahrgang | November
Rezensionen-CD
Warme Musik in eisigen Zeiten
Popularmusik: Neuerscheinungen kurz vorgestellt
Den bitterkalten Zeiten lässt sich trotzen. Allein schon Bruce
Springsteens neue Platte vermag die Heizkosten zu reduzieren. Mit „Magic“ meldet
sich Bruce Springsteen, unser „Boss“, samt E-Street
Band zurück. Eine Zustandsbeschreibung Amerikas ist ihm gelungen,
die scheinbar einfach aber doch treffsicher in Lied und Text umgesetzt
wurde. Springsteen, der „Anwalt des Mittelstands“,
hat sich sein Amerika in zwölf Nummern vorgeknöpft und
den Finger schonungslos in alle gesellschaftliche Wunden gelegt,
die jene Zeit zwischen Bushs Ausscheiden und dem Vakuum der kommenden
Präsidentschaft aufwirft. Dabei geht er von knallhartem Riffrock
(Radio Nowhere) bis zur emphatischen Ballade (Your own worst enemy)
in typischer Spring-steen Manier vor, erfindet sich und seine E-Street
Band nicht neu, setzt aber gekonnt zeitgemäße Akzente.
Ein Album, das definitiv zu seinen ganz guten gehören wird
(www.brucespringsteen.net).
Eine traurige Geschichte: Ein junger, ambitionierter Amerikaner
rebelliert 1992 gegen die Gesellschaft, will sich auf die Natur
besinnen und beschließt, sich alleine in Alaska durchschlagen.
Er verbrennt sein letztes Bargeld, bricht alle Kontakte ab und
geht nach Fairbanks. Vier Monate später wird er tot, weil
verhungert, aufgefunden. Sean Penn hat diese wahre Geschichte (Buch:
In die Wildnis, Autor Jon Krakauer) nun verfilmt und Pearl Jam
Sänger Eddie Vedder gebeten, den Soundtrack zu gestalten. „Into
the Wild“ enthält großartige, emotionale Musikstücke,
die Freiheit, Freude, Gefahr, Liebe oder Unsicherheit prägnant
musikalisch beschreiben und erfassen. Die Geschichte geht musikalisch
unter die Haut, wenngleich manche Stücke nur zwei Minuten
dauern, deren abruptes Ende allerdings umso mehr Wirkung erzielt.
Musik, die Eddie Vedder weit entfernt von Pearl Jam zeigt, aber
durch dessen Stimme und kompositorischen Mut beweist, warum Sean
Penn ihn als Songschreiber (nach „Dead Man Walking“ und „I
am Sam“) wieder einmal engagiert hat (www.intothewild.com).
Nachdem nicht nur The Hives vom Retro-Trend profitierten, beginnt
nun die Phase, in der sich jene „wir klingen so wie“-Bands
mit ihren Alben manifestieren müssen. Es ist ihr viertes Album
und sieh an: The Hives spielen zwar auf „The Black and White
Album“ noch im verkappten Mod-Style der ersten Alben, haben
sich aber einen Weg erspielt, der kontentreicher klingt als die
Alben zuvor. Hip Hop-Produzent Pharell hatte als Begleiter die
Hände im Spiel und eine neu gewonnene Frechheit sowie eine
akustische Veränderung ist wahrzunehmen. War es früher
ein schwammiges Rock’n’Roll-Gewäsch, sind diesmal
durchaus akzentuierte Instrumente zu vernehmen. Das entstaubte
Songwriting der Schweden erlaubt das, so dass ein strukturiertes
Album mit hochmodernem Sound und einer gewissen Cleverness entsprang.
Moderner Rock’n’Roll in antikem Ambiente. Sehr gelungen
(www.hives.nu).
Fish, der ehemalige Marillion Sänger, meldet sich mit neuem
Album „13th Star“ zurück. Leider aus unangenehmem
Anlass: Während der Albumproduktion verließ ihn seine
Lebensgefährtin, kurz vor der avisierten Hochzeit. Seine Gefühlswelt
nach diesem Ereigniss hat Fish in ein spannendes wie emotionales
Album gesteckt. Songs, die knistern. Balladen, die dampfen. Elegische
Rockmusik ohne Zaudern. Zweifellos ein vollkommenes Werk, das man
tagelang und ohne Abnutzungserscheinungen hören kann. Hinweis:
Die aktuelle Albumversion mit DVD kann man nur per Mailorder unter
www.the-company.com erwerben. Das Album ohne DVD gibt es in Deutschland
erst ab Januar 2008. Dafür kommt Fish im Oktober und November
auf Deutschland-Tour. Zeitgleich zur Europatournee erscheint übrigens
eine Fish Doppel-Live CD namens „Communion“ mit 19
Songs, die 2006 in der „St. Mary’s Church“ in
Haddington, England, mitgeschnitten wurden. Dabei gibt es bisher
live Ungespieltes zu hören. Für eine Revitalisierungs-Kur
bezüglich des Ausnahmemusikers Fish sind damit alle Zutaten
bereitet. Möge es schmecken.
Sven Ferchow
Diskographie
Bruce Springsteen – Magic (02.10.2007, Columbia)
Eddie Vedder – Into the Wild (22.09.2007, J Records)
The Hives – The Black and White Album (12.10.2007, AM Records)
Fish – 13th Star (12.10.2007 bzw. Januar 2008, Chocolate
Frog Records)
Fish – Communion (12.10.2007, Chocolate Frog Records)