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nmz-archiv
nmz 2007/11 | Seite 42
56. Jahrgang | November
Rezensionen-CD
Werkstattcharakter
The Sibelius Edition: Tone Poems; Chamber Music I. Sinfonia Lahti,
Ltg. Osmo Vänskä; Tempera-Quartett u.a.
BIS-CD-1900/02 (5 CDs), 1903/05 (6 CDs)
Fünfzig Jahre nach dem Tod von Jean Sibelius wird sein Name,
buchstabenweise, ins Blau einer Seenlandschaft geschrieben, quer über
die Rückenseiten dieser weitgespannten Gesamtedition, die – unter „J“ mit
den Tondichtungen beginnend – eine einzigartige Durchdringung
der Werke und eine Erhellung ihrer Beziehungen untereinander zu
leisten verspricht. Osmo Vänskä und die Sinfonia Lahti
dokumentieren auch Frühfassungen, etwa das ungezähmt
wuchernde Original von „En saga“; die Präsentation
erfolgt nicht chronologisch, sondern in konzertdramaturgisch-pragmatischen
Anordnungen – wer vergleichen will, muss zwischen den Platten
hin und her springen, was den Reiz des Kennenlernens nicht mindert.
Neues Licht fällt dabei auch auf die lakonische, explosiv-kraftvolle
Erzählweise von scheinbar längst bekannten Stücken: „Die
Waldnymphe“, „Die Okeaniden“, „Luonnotar“ (hier
mit der subtil beschwörenden Stimme von Helena Juntunen).
Deutlicher noch tritt der Werkstattcharakter der Edition in der
ersten Abteilung mit Kammermusik zutage. Das Tempera-Quartett (Laura
Vikman, Silva Koskela, Tiila Kangas, Ulla Lampela) packt schroff-unverbundene
Miniaturen, Studien und Entwicklungsschritte mit derselben Liebe,
derselben Funken sprühenden Intensität an wie das Gipfelwerk „Voces
intimae“. Und ein Ensemble um den Pianisten und Forscher
Folke Gräsbeck präsentiert neben weiteren Entdeckungen
ein dramatisch inspiriertes Fragment des Neunzehnjährigen: „Ljunga
Wirginia“. Gelegentlich fehlende Einzeltakte wurden durch
zwei Komponisten ergänzt: Jaakko Kuusisto (zugleich Konzertmeister
der Sinfonia Lahti) und Kalevi Aho, dessen zuletzt bei BIS erschienene
Solokonzerte für Tuba und Kontrafagott seine Vertrautheit
mit Sibelius’ Erbe ebenso unter Beweis stellen wie die Möglichkeit,
es in der Gegenwart weiterzudenken.