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nmz-archiv
nmz 2007/11 | Seite 46
56. Jahrgang | November
Rezensionen - DVD
... und es wird nie verklingen
Edition Salzgeber erinnert an den legendären Tenor Joseph
Schmidt
Ein Film von 1958, gewidmet „den Heimatlosen der Welt“,
wie es im Vorspann heißt. Eine „Filmerzählung
vom Leben des unvergesslichen Tenors Joseph Schmidt (unser Bild
r.), der in einer der dunkelsten Episoden unserer Zeit des deutschen
Liedes Herold war.“ Und der vor genau 65 Jahren, am 16. November
1942 als staatenloser Jude in einem Schweizer Internierungslager
starb. „Ein Lied geht um die Welt“ heißt dieses
deutsche Biopic, das der österreichische Regisseur Géza
von Bolváry inszenierte, und das das geheime Zentrum sein
könnte dieser vorzüglichen und vorbildlichen „Joseph
Schmidt Kollektion“ auf vier DVDs.
Das sprichwörtlich gewordene Lied, das um die Welt geht, machte
den kleinwüchsigen rumänischen Tenor 1933 über Nacht
zum Star. Es war das Titellied eines Musikfilms von Richard Oswald,
der am 9. Mai 1933 im Berliner Ufa-Palast seine Premiere erlebte.
An der Uraufführung nahm sogar Joseph Goebbels teil, der den
talentierten jüdischen Musikfilmregisseur Oswald längst
auf seine Schwarze Liste gesetzt hatte. Überhaupt nicht gefiel
dem Kritiker vom „Völkischen Beobachter“ der langsame
Foxtrott von Hans May, dem Mitbegründer des Kabaretts „Die
Gondel“, der bald danach über Wien und Paris nach London
flüchten sollte: „Das Lied, das heute durch Deutschland
klingt, hat anderen Rhythmus, hat schärferen Marschtritt,
hat aufpeitschendere Melodie, kommt aus ehrlicherem Herzen als
das, was wir in dem Film hörten. Der Marschtritt eines Millionenvolkes,
das Freiheitslied einer freiheitsdurstigen Menge, hat nichts mit
dem zu tun, was in ödem Einerlei uns ein Volksfremder vortäuschen
will! (...) Möge dieses Lied um die Welt gehen, es wird übertönt
werden vom Lied der nationalen Revolution.“
Kurz nach der Premiere von „Ein Lied geht um die Welt“ flüchteten
Richard Oswald und Joseph Schmidt nach Wien. Als so genannte „unabhängige“ Filme
entstanden dort zwei weitere Joseph-Schmidt-Melos: „Ein Stern
fällt vom Himmel“ (Regie: Max Neufeld) und „Heut’ ist
der schönste Tag in meinem Leben“, 1936 wieder unter
der Regie von Oswald. Im Rahmen einer großartigen Retrospektive
des deutschsprachigen Emigrantenfilms in Österreich („Unerwünschtes
Kino“) wurden beide Filme vom Filmarchiv Austria wiederentdeckt.
Zusammen mit den beiden „Ein Lied geht um die Welt“-Fassungen
von 1933 und 1958 und Marieke Schroeders TV-Dokumentation „Joseph
Schmidt – Geschichte eines kurzen Lebens“ hat Edition
Salzgeber nun diese beiden Raritäten in einer Box wieder veröffentlicht.
Eine „labor of love“ ist diese „Kollektion“,
die allerdings nicht von allen Seiten unterstützt wurde, wie
die Herausgeber in einem Vorwort anmerken: „Zu denken gibt
allerdings die Tatsache, dass die deutsche Filmförderungsanstalt
eine Unterstützung verweigert hat – begründet mit
dem Umstand, dass es sich bei den Filmen nicht um ‚deutsche‘ Filme
handele.“ Wie bereits erwähnt, entstanden die beiden „Raritäten“ nach
der „Machtergreifung“ und vor dem „Anschluss“ von Österreich.
Und so ist das folgende Fazit der Herausgeber durchaus angebracht: „Erst
haben wir sie (Anmerkung: die jüdischen Künstler) in
Deutschland nicht mehr arbeiten lassen, und nun wird eine Förderung
unseres kulturellen Erbes aus formalen Gründen verweigert.“
„
Ein Lied geht um die Welt“ von 1933 kann durchaus gesehen
werden als „blueprint“ für all die anderen Sängerfilme,
die danach noch folgen sollten, bis hin zu „The Great Caruso“ mit
Mario Lanza. Und das „Lied“ von 1958 ist ein klassisches
Biopic, das keinen Vergleich scheuen muss mit den amerikanischen
Vorbildern. Liebevoll erzählen Géza von Bolváry
und Ernst Neubach, der als Drehbuchautor und Texter des Lieds,
das um die Welt ging, schon 1933 dabeigewesen ist, die tragische
Geschichte des „unvergesslichen Tenors“. Seltsam abwesend
scheint dabei Hans Reiser, der Joseph Schmidt verkörpert.
Wie später Jamie Foxx als Ray Charles bewegt er nur die Lippen
zu Joseph Schmidts Schallplattenstimme. Fast wie ein Geist wirkt
Reiser dadurch. Wie ein Mann, der seiner eigenen Stimme lauscht,
und dabei sein Leben noch einmal an sich vorüber ziehen lässt.
Schon 1932 hatte Joseph Schmidt bei der „Ultraphon“ sein
zukünftiges Schicksal besungen, als „Der Emigrant“.