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nmz-archiv
nmz 2007/11 | Seite 43
56. Jahrgang | November
Rezensionen
Kurz vorgestellt
CDs
Conlon Nancarrow: Quartets (Nr. 1 und 3) and Studies (Nr.
15, 31, 33, 34) Arditti Quartet und andere. Wergo WER 6696
Das Unspielbare erweist sich als spielbar. Mehrere Studies,
die Nancarrow für das Player Piano schrieb (weil er eine exakte
Ausführung der komplexen Rhythmik, der verschiedenen Zeitschichten
und der exorbitanten Tempi als von Menschen kaum realisierbar erachtete),
sind inzwischen für diverse Ensemblebesetzungen bearbeitet.
Das Arditti Quartet beweist großartig, wie souverän
es sich im komplexen Metier zu bewegen versteht und lässt
darüber hinaus hören, dass die genuinen Quartettkompositionen
von Nancarrow ästhetisch und technisch nicht weit von den
Studies entfernt sind. Ein spannendes Hörabenteuer!
Johannes Brahms, Max Reger, Reinhard
Febel: Choral-Preludes. Yaara
Tal, Andreas Groethuysen, Klavier. Sony 88697121462
Eine Gattung, drei kompositionsgeschichtliche Etappen, die alle
schon hinter dem Zenit der Gattung (Bach) liegen. Doch wunderschön
sind die unterschiedlichen Näherungen (bei Brahms und Reger
vierhändige Bearbeitungen von Orgelwerken, Febel bearbeitete
Choralvorspiele von Bach). Tal und Groethuysen spielen mit außerordentlicher
Artikulations-Genauigkeit und arbeiten Tiefe und Weite der Stücke
und bei Febel die Lust an differenzierten Resonanzen beziehungsweise
Mixturen auf ganz intensive Weise hervor.
Mark-Anthony Turnage: „On opened Ground”, Concerto
for Viola and Orchestra; John Adams: „Harmonielehre“.
Tabea Zimmermann, Viola; Bundesjugendorchester, Steven Sloane.
WDR 3, Deutscher Musikrat (Kontakt: bjo@musikrat.de)
Diese Aufnahme des Bundesjugendorchesters ist besonders gelungen.
Die Begeisterung für die freilich sehr griffigen Werke der
Moderne ist Takt für Takt spürbar. Turnage schreibt eine
ungemein farbenreiche Partitur mit einem anspruchsvollen Viola-Part,
der von Tabea Zimmermann hinreißend gespielt wird. Und die „Harmonielehre“ von
Adams (eines seiner stärksten Werke) besticht durch einen
Gang durch Zeiten, in der die tonale Harmonik im Wanken war. Mahlers
Cluster-Aufschrei aus der Zehnten ist ebenso präsent wie viel
anderes Vertrautes; alles präsentiert sich in minimalistischer
Flüssigkeit.
Johannes Maria Staud: Apeiron;
Incipit III (Esquisse retouchée
II); Towards a Brighter Hue; Violent Incidents; Peras. Berliner
Philharmoniker, Simon Rattle; WDR SO, Lothar Zagrosek; Windkraft
Tirol, Kaspar de Roo und andere.
KAIROS 0012672KAI
Ein Porträt des österreichischen Komponisten Johannes
Maria Staud, das sich auf ganz neue Werke, die zwischen 2004 und
2005 entstanden sind, konzentriert. Das Orchesterwerk „Apeiron“ wurde
bei der Uraufführung von der Kritik ziemlich abgewertet, aber
jeder mag sich nun von der großen Qualität dieser Arbeit
und von deren Sicherheit und Tiefe selbst überzeugen. Staud
schreibt ganz direkt, ohne falsche Geheimnisse, dafür aber
mit viel „richtigen“.
Franz Schubert: Klaviersonaten
B-Dur, D 960 und G-Dur, D 894. Martin Stadtfeld, Klavier. Sony88697135902
Das gibt es schon, das milde Licht, das einem die Kälte über
den Rücken treibt (etwa das, in dem, wie Brecht berichtet,
Jakob Apfelböck „den Vater und die Mutter sein“ erschlug).
Und es hätte durchaus auch beim späten Schubert seinen
Platz. Stadtfeld aber, der durch sein gekonnt „gouldeskes“ Bach-Spiel
ins Rampenlicht rückte, belässt hier die Musik in einem
schwankungsfreien Ebenmaß der zurückgenommenen Töne.
Von Gräben, Rissen, Abgründen bei Schubert will er
wenig wissen. Das ist zu wenig.