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nmz-archiv
nmz 2007/11 | Seite 35
56. Jahrgang | November
Bayerischer Kulturrat
Tendenz zum Wagnis erkennbar
Zu den Bayerischen Kunstförderpreisen 2007
Die mit je 5.000 Euro dotierten Bayerischen Kunstförderpreise
in den Sparten Darstellende Kunst, Bildende Kunst und Literatur
wurden von Kunstminister Thomas Goppel in München bekannt
gegeben. „Der Preis ist zugleich ideelle wie materielle Unterstützung
und soll Motivation bei der weiteren künstlerischen Arbeit
sein“, betonte der Kunstminister. Die Preisträger müssen über
eine außergewöhnliche Begabung verfügen und durch
hervorragende Leistungen hervorgetreten sein.
In der Sparte Darstellende Kunst wurden die Schauspieler Aurel
Bereuter, Katharina Schubert und Marco Steeger sowie der Sänger
Tilmann Unger ausgezeichnet. Diese jungen Künstler konnten
sich durch ihre herausragenden Leistungen bereits einen festen
Platz im Ensemble eines bayerischen Theaters erobern. Die Jury
würdigt bei Aurel Bereuter, der 2001 an das Theater Ingolstadt
kam, dessen hohe Bühnenpräsenz und sein besonderes Talent
für Komik. Sein schauspielerisches Vermögen verbinde
er mit großer sängerischer Präzision, was ihn zu
einem wichtigen Darsteller auch für die Musicalproduktionen
des Theaters Ingolstadt mache. In den sechs Spielzeiten in Ingolstadt
habe sich der Schauspieler kontinuierlich zu einem Protagonisten
des Ensembles entwickelt. Katharina Schubert, seit der Spielzeit
2001/2002 festes Ensemblemitglied an den Münchner Kammerspielen,
habe dort bereits zahlreiche zentrale Rollen gespielt. In der vergangenen
Spielzeit habe sie in „Trauer muss Elektra tragen“ ebenso überzeugt
wie in den „Drei Schwestern“ und „Ulrike Maria
Stuart“. Der Schauspieler Marco Steeger kam im Jahr 2000
an das Staatstheater Nürnberg. Nicht zuletzt seiner jugendlichen
Präsenz, seinem ungestümen Charme und seiner schauspielerischen
Präzision verdankten mehrere Stücke dort ihren großen
Erfolg. Der Schauspieler suche sich trotz seines großen Erfolgs
stets neue Herausforderungen, die er dank seiner besonderen Begabung
gepaart mit großer Leidenschaft für seinen Beruf erfolgreich
meistere. Bei Tilmann Unger (Theater Augsburg, ab der Spielzeit
2007/2008 Staatstheater am Gärtnerplatz) hob die Jury neben
seinem wunderbaren Timbre und seiner starken Ausdrucksfähigkeit
besonders seine sängerische Leichtigkeit hervor. Mit einer überdurchschnittlich
hohen musikalischen Präzision verstehe es der Sänger,
das Publikum zu großem Jubel hinzureißen.
Die Bayerischen Kunstförderpreise in der Sparte Bildende Kunst
gehen an Axel Gercke, Annegret Hoch, Alfred Kurz, Stefan Wischnewski
und Thorsten Franck. Der aus Erlangen stammende und dort lebende
28-jährige Axel Gercke studierte an der Akademie der Bildenden
Künste Nürnberg und an der Kunstakademie Krakau Malerei.
Seine gegenständlichen Bilder enthalten Alltagsmotive, die
er in traditioneller Weise mit lebhaftem Kolorit und großem
Detailreichtum darstellt. Dabei findet er sehr originelle Lösungen,
die eine selbstbewusste künstlerische Haltung ausdrücken.
Annegret Hoch wurde 1969 in Cham geboren. Sie studierte Malerei
an der Akademie der Bildenden Künste München, der Academia
di Brera, dem College of Art and Design London und dem Virginia
Center for the Creative Arts, USA. Ihre ungegenständliche
Malerei untersucht die Wirkung von Farbe und Raum, wobei eine kräftige
Farbigkeit und eine lineare, zeichnerische Pinselschrift charakteristisch
für ihren Malstil sind. Thematisch geht es in ihren Bildern
um Ornamente und verwandte Ordnungssysteme. Neben raumfüllenden
Installationen hat sie Wandmalereien geschaffen, die architektonische
Gegebenheiten des Raumes einbeziehen. Der 35-jährige Bildhauer
Alfred Kurz stammt aus Landshut. Nach Abitur und Ausbildung zum
Schlosser und Konstruktionsmechaniker studierte er Bildhauerei
an der Akademie der Bildenden Künste München und in Granada/Spanien.
Seine Objekte bildet er aus den Materialien Holz, Eisen, Stuckgips,
Polyester, Kartonagen und Goldfolien, ja selbst Pneumatikzylinder
und Staubsaugermotoren. Im Sinne eines erweiterten Begriffs der
Bildhauerei setzt er zudem Lichtspiele ein. Kurz ist mit einer
Reihe von Ausstellungsbeteiligungen hervorgetreten. So hat er zum
Beispiel ein 6 Meter hohes aus Rigipsplatten gestapeltes Kartenhaus
in die „White Box“ im Kunstpark Ost in München
eingebaut. Stefan Wischnewski wurde 1974 in Neumünster geboren.
Er studierte Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste
München und war Stipendiat an der Hochschule für Gestaltung
Karlsruhe. Wischnewski fertigte aus Kunststoff, Zeltplanen oder
Camping-Utensilien flexible Installationen, die er als dynamische
Interventionen außerhalb konventioneller Kunstzonen im öffentlichen
Straßenraum oder zum Beispiel am Ostseestrand verstanden
wissen will. Seine Themen betreffen unter anderem die Freizeitgesellschaft
(Tourismus) oder Architekturmotive. Im Spezialfach „Möbeldesign“ wird
Thorsten Franck ausgezeichnet. Franck wurde 1970 in Hamburg geboren.
Nach Tischlerlehre und Drechslerausbildung studierte er an der
Fachhochschule für angewandte Kunst und Wissenschaft Hildesheim
sowie am Royal College of Art in London. Den von Franck entworfenen
Möbeln für den Alltag kommt eine eigene Qualität
zu, die durch Präzision und Mobilität bestimmt wird.
Sie sind stabil und leicht und reagieren auf ihre Umgebung. Auf-
und Abbau gelingen in Windeseile, was Stadtnomaden besonders schätzen.
Die Preise (einer davon dotiert von der Kester-Haeusler-Stiftung,
Fürstenfeldbruck) in der Sparte Literatur gehen an Thomas
von Steinaecker, Daniel Grohn, Maximilian Dorner; zudem erhält
das Autorenduo Nikolai Vogel und Kilian Fitzpatrick gemeinsam einen
Preis. „In der jungen bayerischen Literaturszene ist eine
Tendenz zum Wagnis zu erkennen: Unsere Nachwuchsautoren wenden
sich wieder, zum Teil über das Genre des generationenübergreifenden
Familienromans, gesellschaftlichen oder historischen Themen zu.
Sie experimentieren auf subtile und komplexe Weise mit Genres und
Tonlagen“, sagte Kunstminister Thomas Goppel zu den Vorschlägen
der unabhängigen Jury. Die Jury würdigte Thomas von Steinaecker
als einen Autor, der eine vielversprechende schriftstellerische
Zukunft vor sich hat. In seinem dreiteiligen Familienroman „Wallner
beginnt zu fliegen“ zeigt Steinaecker den Einzelnen als Spielball
privater Umstände, familiärer Prägungen und historischer
Vorgänge, die bis in die Sprache hineinwirken. Der Roman überzeugt
durch eine vielschichtige Handlung und einen virtuosen Wechsel
der Töne und Stillagen. Thomas von Steinaecker lebt als freier
Autor und Journalist in München. Sein Roman steht derzeit
auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Im Roman „Kind
oder Zwerg“ von Daniel Grohn lässt sich ein Journalist
als vermeintlicher Patient in einer psychiatrischen Klinik aufnehmen,
um eine Reportage über dort vermutete neurochirurgische Experimente
an Patienten zu schreiben. Der Roman, der Substanz durch die Fachkenntnisse
des Autors im Bereich der Psychiatrie gewinnt, spielt geschickt
mit genretypischen Merkmalen des Psychiatrie- und des Kriminalromans.
Die unprätentiöse sprachliche Gestaltung trägt zu
einem unverwechselbaren Profil des Romans bei. Maximilian Dorner
hat mit seinem Roman „Der erste Sommer“ ein gelungenes
Debüt vorgelegt. Das Buch verschränkt in einer filmisch
wirkenden Dramaturgie mehrere Handlungsstränge, die sich im
zerbombten München im Zeitraum zwischen Juli bis November
1945 abspielen. Der Roman weiß in der gut recherchierten,
präzisen und anschaulichen Schilderung der Atmosphäre
der unmittelbaren Nachkriegszeit zu überzeugen. Die Jury würdigte
besonders den Mut, sich an ein vergleichsweise nahe zurückliegendes
historisches Thema mit gesellschaftlicher Perspektive zu wagen.
Nikolai Vogel und Kilian Fitzpatrick haben sich in der Münchner
Literaturszene als aktive und kreative Literaturvermittler einen
Namen gemacht. Als Autorenduo haben sie eine Serie von Kurzromanen
geschrieben. In „Welt II” „Mond0 – Nova
Plüsch“, „Pleasure Dome“, „Xa“ und „Barbarella“ bezieht
sich das Autorenduo auf Traditionen der Science Fiction, aber auch
der experimentellen Prosa. Die Jury würdigte die inhaltliche
und sprachliche Experimentierfreudigkeit der Kurzromane und den
Mut sich gegenläufig zu derzeitigen Trends zu bewegen. Die
Preisträger in der Sparte Musik und Tanz lagen bei Redaktionsschluss
noch nicht vor.
Kunstminister Thomas Goppel wird alle Bayerischen Kunstförderpreise
am 21. November 2007 um 18.00 Uhr im Max-Joseph-Saal der Münchener
Residenz überreichen.