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nmz
2007/11 | Seite 33
56. Jahrgang | November
Deutscher Musikrat
Für Laien, Profis, Wissenschaftler und Journalisten
Das Musikinformationszentrum (MIZ) des Deutschen Musikrates
Die Deutscher Musikrat gemeinnützige Projektgesellschaft
mbH möchte mit ihren Projekten Maßstäbe im deutschen
Kulturbetrieb setzen. Dazu gehört neben der praktischen Förderung
des musikalischen Nachwuchses auch die Bereitstellung von Informationen
zum deutschen Musikleben und seine Dokumentation. Das Deutsche
Musikinformationszentrum (MIZ) hat sich dieser Aufgabe in unvergleichbar
umfassender Weise angenommen. Margot Wallscheid ist seit Gründung
des MIZ Projektleiterin und gibt im folgenden Interview Auskunft über
Aufgaben und Arbeitsfelder des MIZ.
neue musikzeitung: Das Musikinformationszentrum
(MIZ) besticht aktuell durch einen komplexen Internet-Auftritt.
Wie sah die Präsentation
denn vor dem elektronischen Zeitalter aus und wie kam es zur Gründung
des MIZ? Margot Wallscheid: Vorläufer des MIZ waren einerseits der
Musik-Almanach, der 1986 zum ersten Mal erschienen ist, andererseits
auch die umfangreiche Dokumentations- und Informationsarbeit, die
der Deutsche Musikrat bereits seit seiner Gründung durch zahlreiche
Studien und Untersuchungen zum Musikleben geleistet hatte. Diese
verschiedenen Aktivitäten bedurften der Bündelung, auch
der Erweiterung durch neue Themenstellungen und der Suche nach
neuen Vermittlungswegen. Angeregt durch die damals bereits in zahlreichen
Ländern existierenden Musikinformationszentren haben wir dann
Mitte der 90er-Jahre die Konzeption für ein deutsches Musikinformationszentrum
entwickelt, ein erstes Modell, das mit den Mitgliedsorganisationen
des DMR ebenso wie mit den großen Musikarchiven und Dokumentationsstellen
in Deutschland abgestimmt wurde. Die Möglichkeit zur Realisierung
des Projekts bot dann der Bonn-Berlin-Ausgleich mit einer Anschubfinanzierung
für die ersten Jahre, ergänzt durch Mittel privater Förderer.
Heute sind an der Finanzierung des MIZ der Beauftragte der Bundesregierung
für Kultur und Medien, die Kulturstiftung der Länder,
die Stadt Bonn sowie die GEMA und die GVL beteiligt.
nmz: Den Almanach gibt es weiterhin
in Buchform. Ist sie noch zeitgemäß? Wallscheid: Wir sind überzeugt davon, dass
sie dies noch ist, sonst würden wir dieses überaus arbeitsintensive
Unternehmen nicht auf uns nehmen. Aber natürlich haben wir
uns diese Frage vor Beginn der Erhebungen zur 7. Ausgabe, die
gerade in diesem Jahr erschienen ist, auch gestellt. Am Ende kristallisierte
sich heraus, dass es innerhalb und außerhalb des Musikrates
eine deutliche Mehrheit dafür gab, den Musik-Almanach
auch weiterhin in Buchform zu publizieren. Wir stellen bereits
seit einiger Zeit einen deutlichen Strukturwandel in nahezu allen
Bereichen des Musiklebens fest, angefangen von der musikalischen
Bildung und Ausbildung über die Orchester- und Festivallandschaft
bis zu den Medien und der Musikwirtschaft. Dazu gehören zum
Beispiel die Einführung der Ganztagsschule mit ihren Chancen
und Herausforderungen für den Musikunterricht, die Strukturreformen
der Musikausbildung, neue Berufsfelder und Berufsanforderungen,
die Auflösungen und Fusionen von
Orchestern bei einem gleichzeitigen Boom der Musikfestivals, aber
auch die Veränderungen zum Beispiel in der Tonträgerindustrie
mit gravierenden Umsatzrückgängen bei gleichzeitiger
Neugründung von Klein- und Kleinstunternehmen. Keine andere
Publikationsform ist in der Lage, diesen Strukturwandel in so kompakter
und übersichtlicher Form zu dokumentieren wie der Musik-Almanach.
Für die Themenbeiträge des Musik-Almanachs mit ihren
großen Überblicksdarstellungen haben wir kompetente
Autoren gewonnen, während die Infrastruktur der einzelnen
Aktionsfelder in eigenen Kapiteln transparent gemacht wird. Übrigens
feiert der Musik-Almanach mit der nun vorgelegten 7. Ausgabe sein
20-jähriges Jubiläum. Er bildet damit eine einzigartige
Dokumentation des Musiklebens, die für die Forschung und die
Politik vielfältiges Quellenmaterial liefert.
nmz: Wie viele Mitarbeiter hat
das MIZ inzwischen und wie sind sie qualifiziert? Wallscheid: Angefangen haben wir mit 2 festen
Mitarbeitern, seit 2003 sind neben der Projektleitung ein wissenschaftlicher
Mitarbeiter
und 2 Sachbearbeiterinnen im MIZ beschäftigt. Dazu kommen
Aushilfskräfte je nach Arbeitsbedarf. Die Angebote und die
Serviceleistungen des MIZ sind im Laufe der Jahre immens gestiegen,
so dass qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unverzichtbar
sind.
nmz: Hat das MIZ in Deutschland
eine Alleinstellung? Wallscheid: Es gibt tatsächlich keine Institution, die in
vergleichbarer Weise auf breitester Ebene dokumentiert und ihre
Informationen und Arbeitsergebnisse ins In- und Ausland vermittelt.
Unser Vorteil ist die Kooperation mit großen Institutionen
wie der GEMA, der GVL, dem Deutschen Musikarchiv, dem Deutschen
Rundfunkarchiv, dem Internationalen Musikinstitut Darmstadt, den
im Deutschen Musikrat zusammengeschlossenen Fachorganisationen
und Landesmusikräten und vielen weiteren Partnern. Darüber
hinaus hat das MIZ ein eigenes Netzwerk mit den Organisationen,
die auch im Musik-Almanach vertreten sind, aufgebaut.
nmz: Welche Medien stehen Ihnen
zur Beratung und Information zur Verfügung? Wallscheid: Wir vermitteln unsere Informationen
auf sehr verschiedenen Wegen. Zum einen über den Musik-Almanach in der klassischen
Buchform, zum anderen aber auch mit den neuesten technischen Möglichkeiten über
das Internet, das ein ausgesprochen breit gefächertes und
differenziertes Themenangebot bereithält. Es umfasst einführende
Texte, Studien, Untersuchungen und Dokumente zum Musikleben, Statistiken,
aktuelle Nachrichten, Datenbanken zu den verschiedensten Themengebieten
sowie weiterführende Literatur und Recherchemöglichkeiten.
Darüber hinaus führen wir seit 2000 eine öffentlich
zugängliche Bibliothek, die einerseits uns selbst als Recherche-
und Arbeitsinstrument dient, mit ihren 170 laufenden Fachzeitschriften
und Tausenden von Fachpublikationen aber auch zum Teil nur schwer
zugängliche Literatur für die Öffentlichkeit verfügbar
macht. Und schließlich gibt es unseren individuellen Informations-
und Beratungsservice.
nmz: Welche Art von Anfragen werden
an das MIZ gerichtet? Wallscheid: Nutzer stellen uns ein unglaublich
breites Spektrum von Fragen. Das beginnt bei der Mädchenband, die Infos zu
einer Bühnenkarriere haben möchte, über Anfragen
von Interpreten und Ensembles nach Förderungs- und Aufführungsmöglichkeiten,
Fragen nach Aus- und Weiterbildungs-angeboten, nach Daten zum Laienmusizieren,
zum Besuch von Musikveranstaltungen, zu Musikpräferenzen oder
zur Mediennutzung. Die Fragen kommen aus allen Bereichen, von Laien
und Profis, von Wissenschaftlern und Journalisten, aus der Politik
und aus der Wirtschaft.
nmz: Erhält man alle Informationen im MIZ gratis? Wallscheid: Anfragen, die bei uns eine Bearbeitungszeit
von 15 Minuten nicht überschreiten, gibt es kostenlos. Wenn wir aber
weitergehend recherchieren müssen, wird das dem Nutzer auf
der Basis einer Gebührenordnung in Rechnung gestellt.
nmz: Wie erhält das MIZ denn diese immense Menge an Informationen? Wallscheid: Das Netzwerk unserer Partner, der
Fachorganisationen und Verbände versorgt uns fortlaufend mit Informationen, darüber
hinaus werten wir auch aktiv Fachzeitschriften, Nachschlagewerke
und Fachpublikationen der unterschiedlichsten Themengebiete aus.
Natürlich müssen auch wir stark filtern. Die Herausforderung
liegt ja für eine Institution wie das MIZ weniger in der Beschaffung
von Informationen als vielmehr in der Entwicklung und kontinuierlichen
Anpassung von Kriterien für die Auswahl, Aufbereitung und
Präsentation der Daten.
nmz: Das MIZ stellt seine Themen
zu einem großen Teil auch
in englischer Sprache zur Verfügung. Wie weit reichen die Übersetzungen? Wallscheid: Aktuell sind wir dabei, unser englischsprachiges
Angebot zu erweitern. Da es aber schlicht unmöglich ist, diese Zehntausende
von Seiten zeitnah und aktuell ins Englische zu übersetzen,
wird die englischsprachige Fassung die Inhalte des MIZ in Auswahl
und gegebenenfalls in einer komprimierten Form darstellen. Andererseits
ist der Ausbau dieses Angebots unverzichtbar, da wir als Mitglied
der Internationalen Vereinigung der Musikinformationszentren, in
der über 40 Zentren weltweit zusammengeschlossen sind, zahlreiche
Anfragen auch aus dem europäischen und internationalen Ausland
bekommen und in den internationalen Informationsaustausch eingebunden
sind.
nmz: Welche Erweiterungen sind
im MIZ in naher Zukunft geplant? Wallscheid: Das spannendste Projekt, an dem wir
im Moment arbeiten, ist der Aufbau eines Digitalen Musikmuseums.
Dieses Projekt, dessen
konzeptionelle Vorbereitung wir auf Initiative des BKM übernommen
haben, soll über Musik in Deutschland seit ihren Anfängen, über
Komponisten und deren Werke, über musikhistorische Entwicklungen
und Phänomene in allgemeinverständlicher Form informieren.
Geplant ist eine lebendige und anschauliche Vermittlung der Inhalte,
die Klangbeispiele, Film- und Videosequenzen, Notenbeispiele und
Partiturausschnitte, Autographen, Briefe, Photos und andere Dokumente
in die Darstellung einbezieht und sowohl Schüler und Jugendliche
als auch musikinteressierte Erwachsene und Fachkreise anspricht.
Wir glauben, dass ein solches Projekt, in einem Medium, das wie
kein anderes der Komplexität der Musik gerecht zu werden vermag
und von Jugendlichen besonders stark genutzt wird, auf ganz neue
Weise an Musik heranführen und für Musik begeistern kann.