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Ausgabe 2007/11
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nmz 2007/11 | Seite 32
56. Jahrgang | November
Jugend musiziert

Hartnäckig, ausdauernd und zielstrebig

Eckart Rohlfs verabschiedet sich von der EMCY – Ein Interview

Am 30. September 2007 legte Dr. Eckart Rohlfs nach fast 20-jähriger Tätigkeit als Generalsekretär der „Europäischen Union der Musikwettbewerbe für die Jugend“ sein Amt nieder. Rohlfs hatte das Amt des Generalsekretärs der EMCY im Jahre 1988 übernommen, 1998 hatte ihn der EMCY-Vorstand in dieser Funktion bestätigt. Die Aufgaben des Generalsekretärs gehen mit dem Abschied von Eckart Rohlfs in die Hände der drei Präsidiumsmitglieder Hans Peter Pairott, Michael Bühler und Frank Reich über. Zur derzeitigen finanziellen Situation der EMCY, den Absichten und seinen persönlichen Plänen gibt Eckart Rohlfs im folgenden Interview mit Susanne Fließ Auskunft.

neue musikzeitung: Ihr Leben lang haben Sie zahlreiche Funktionen und Ehrenämter bekleidet. Wenn Sie nun das Amt des Generalsekretärs bei der „European Union of Music Competitions for Youth“ (EMCY) niederlegen, ist damit der letzte Ast zum Musikleben gekappt?
Eckart Rohlfs: Derzeit bekleide ich noch ein paar Ehrenämter in der Region oder in Institutionen, denen ich seit Jahrzehnten verbunden bin. So gehöre ich seit 35 Jahren dem Vorstand der Jugendmusikschule in Gräfelfing an, bei der Orff-Schulwerk-Gesellschaft, die ebenfalls hier ihren Sitz hat, bin ich im Kuratorium und auch in der Bundesakademie Trossingen.

nmz: Wieso haben Sie diesen Zeitpunkt zum Niederlegen des Amtes gewählt?
Rohlfs: Eigentlich will ich schon seit vielen Jahren aufhören, denn wenn man 77 ist, weiß man nicht, wie viel Zeit einem noch bleibt. Und grundsätzlich bin ich der Meinung, dass eine Tätigkeit, die sich mit jungen Menschen beschäftigt, auch in den Händen junger Menschen liegen sollte. Nur so ist sichergestellt ist, dass Ideen und Initiativen entwickelt werden und für eine sichere planbare Finanzierung gesorgt wird. Weil aber die finanziellen Voraussetzungen nicht sichergestellt sind, hat die EMCY den Übergang in junge Hände nicht geschafft.

nmz: Bis Ende September 2007 waren Sie Generalsekretär der EMCY, Sie haben den Verband 1967 gegründet, in welcher Situation verlassen Sie ihn?
Rohlfs: Die EMCY befindet sich eigentlich in einem labilen Zustand, denn die Geschäftsführung scheint aus meiner Perspektive nicht gesichert. Es fehlt ein Profi, der solch eine Sache in die Hand nimmt. Wir haben in den letzten Jahren eigentlich ausschließlich mit Mitarbeitern gearbeitet, die ein sogenanntes „Freiwilliges soziales Jahr in der Kultur“ ableisten oder über den „European Voluntary Service“ (EVS) zu uns kamen. Diese jungen Leute sind einerseits sehr engagiert, aber eine Grundlage kann das auf Dauer nicht sein, denn sie verlassen die Geschäftsstelle nach einem Jahr, so dass keine Kontinuität gegeben ist. Einer muss die Brücke bauen, damit von Jahr zu Jahr die Dinge weiterlaufen. Vor allem die Realisierung größerer Projekte ist so nicht möglich.

nmz: Im Moment scheint sich die personelle Situation ein wenig stabilisiert zu haben.
Rohlfs: Claire Goddard aus Manchester, die ursprünglich über den EVS zur EMCY kam, konnten wir gewinnen, vorerst wenigstens ein weiteres Jahr zu bleiben. Mit ihr kehrt nun ein wenig Kontinuität ein, sie ist die Ansprechpartnerin für unsere Mitglieder und übernimmt die Exekutivaufgaben im Sekretariat. Man kann ihr nur das Beste wünschen. Der Posten des Generalsekretärs ist allerdings weiter offen. So muss man also auf kleinster Flamme versuchen weiter zu kochen und die derzeit über 60 Mitgliedswettbewerbe in 26 Ländern zu betreuen.

nmz: Wie müsste die EMCY mindestens ausgestattet sein, finanziell und personell, um sinnvoll weiter zu arbeiten und gesteckte Ziele zu erreichen?
Rohlfs: Das EMCY-Board hat einen Personalplan ausgearbeitet und die Mindestanforderungen formuliert: So ist ein Generalsekretär notwendig, dazu mindestens drei Mitarbeiter. Im Moment besteht die EMCY aus einem dreiköpfigen „managing board“. Leonard Bernstein probte mit Glenn Gould ein Klavierkonzert von Brahms. Beide konnten sich über Interpretation und Tempo nicht recht einigen. Da soll Bernstein während der Proben mit dem bekanntermaßen eigenwilligen Gould ausgerufen haben: „Who is the boss?!“ Das beschreibt die Situation der EMCY recht gut: im Moment gibt es drei Dirigenten, die versuchen, eine Partitur zu realisieren. Aber der Solist fehlt. Denn das Board kann ja auch nur ehrenamtlich tätig sein.
Die Mitgliedsbeiträge, die uns zur Verfügung stehen, sind alles andere als ausreichend. Die Förderung durch die EU in Brüssel hat bisher leider nur wenige Male funktioniert. Alternativ die finanzielle Hilfe von Sponsoren einzuwerben, ist auch nur ansatzweise gelungen.

nmz: Welche Beweggründe führten damals zur Gründung der EMCY?
Rohlfs: „Jugend musiziert“ war 1963 ins Leben gerufen worden und mit dem Wettbewerb stand auch die Überlegung an, welche Fördermöglichkeiten es für junge Menschen im Anschluss an die Wettbewerbsphase geben könnte. Sehr bald stellten wir fest, dass andere Länder ähnliche Förderungseinrichtungen für hochbegabte junge Musiker zu entwickeln im Begriff waren oder sie bereits durchführten. So begann auf Funktionärsebene der erste Erfahrungsaustausch mit Frankreich und Belgien. In der Folge versuchten wir, vor allem eine Begegnung zwischen den Preisträgern zustande zu bringen. Immer mehr Länder zeigten sich daran interessiert, und so wuchs das europäische Netzwerk langsam und Jahr um Jahr.

nmz: Worin unterscheiden sich die Schwerpunkte in der Arbeit der EMCY der Gründerjahre von den aktuellen?
Rohlfs: Im Laufe der Jahre haben sich vier Projektschienen entwickelt:
Als Teil des Rahmenprogramms haben viele nationale Musikwettbewerbe das „Europäische Konzert“ eingerichtet. Preisträger aus verschiedenen Ländern werden eingeladen, gemeinsam ein Konzert zu gestalten. Zweitens haben wir den „Europäischen Musikpreis für die Jugend“ ins Leben gerufen. Dieser Wettbewerb für die Preisträger nationaler Wettbewerbe ist eines der ältesten Projekte und stellt eine Art länderübergreifenden Leistungsvergleich an zwischen Ländern mit sehr unterschiedlichen Musikerziehungsstrukturen und -vorstellungen. Drittens hat sich die EMCY der Tatsache angenommen, dass in all diesen Ländern viele vor allem solistisch orientierte Musikerinnen und Musiker aus den Wettbewerben hervorgingen und diese Ambitionen an der Realität vorbeigingen. Die EMCY versuchte von Anbeginn die jungen Leute auch für das Ensemblespiel zu begeistern und setzte sich für gemeinsame Kammermusikkurse ein. Gerade in Ländern, in denen vor allem solistische Musikausbildung gepflegt wird, muss man weitere Betätigungsmöglichkeiten aufzeigen. Das derzeit interessanteste und in der Öffentlichkeitswirkung wichtigste Projekt ist das „Euro Radio Youth Concert“. Gemeinsam mit der Europäischen Rundfunkunion können wir einmal im Jahr die besten Preisträger unserer internationalen Wettbewerbe als Solisten zu einem Orchester-Konzert einladen. Jedes Jahr ist eine andere Rundfunkanstalt Gastgeber und stellt ihr Rundfunkorchester dafür zur Verfügung.

nmz: Welche Projekte der EMCY halten Sie aktuell für tragfähig und lohnenswert?
Rohlfs: In der EMCY stecken so viele Möglichkeiten fruchtbarer Zusammenarbeit: Jedes Land hat seine eigene pädagogische Struktur. Entsprechend ist die Literatur, um diese Grundsätze zu realisieren. Wie viel neue und unbekannte Musikliteratur läuft allein in den Ländern über die Pulte! Und nicht zuletzt ist es unsere Aufgabe, diesen Tausenden von Musikern, die alle Berufsmusiker werden wollen, Perspektiven und sinnvolle Fördermöglichkeiten anzubieten. Das scheint mir umso wesentlicher, je enger wir zusammenwachsen.

nmz: Der Europäische Musikrat kann da gar nicht behilflich sein?
Rohlfs: Bis vor kurzem kämpfte der selbst um finanzielle Mittel. Dass es dem EMC jetzt gelungen ist, muss die EMCY eigentlich ermutigen. Ich finde es schade und habe das auch mehrfach betont, dass das gastgebende Land, in diesem Fall die deutsche Bundesregierung, bisher nicht bewegt werden konnte, die EMCY finanziell zu unterstützen. Immerhin hat die Geschäftsstelle insofern Unterstützung, als sie seit elf Jahren bei „Jugend musiziert“ aufgenommen ist. Ich halte es auch nicht für unberechtigt, die Geschäftsstelle im Wechsel zu betreuen. Belgien war die ersten 25 Jahre Gastgeber und obwohl die Geschäftsstelle in Belgien war, betreute ich sie nebenbei als Generalsekretär von Deutschland aus. Bei unseren Mitgliedern können wir selbstverständlich das Interesse an der Fortsetzung der Arbeit unterstellen. Aber sie erwarten eigentlich eher Hilfe für ihre eigenen Anliegen, als in die Pflicht für die Rettung der EMCY genommen zu werden.

nmz: Sie sind einer der Gründerväter von „Jugend musiziert“, haben den Wettbewerb bis 1996 sensibel, mit Weitsicht, Visionen und Ideen gestaltet. Die Gründung der EMCY hat sich ganz selbstverständlich aus der nationalen Nachwuchsförderung ergeben. Unzählige weitere Projekte gehen auf Ihre Initiative zurück. Fühlen Sie sich überhaupt in der Lage, künftig dem deutschen und europäischen Musikleben nur noch zuzusehen?
Rohlfs: Ich möchte mich, so lange die Kraft noch reicht, mit anderen Dingen beschäftigen, die ich in den letzten 30 bis 40 Jahren zurückgestellt habe. Zum Beispiel steht eine Reihe dokumentarischer Arbeiten für die Jeunesses Musicales Deutschland auf dem Plan, sowie Aktivitäten, die eng mit Wettbewerben zusammenhängen. Darüber hinaus ergeben sich auch für die EMCY Notwendigkeiten, diese Arbeit zu dokumentieren. Hier könnte ich als „Homer“ durchaus nochmals gefragt sein. Gar nicht zu sprechen von all den Regalen ungelesener Bücher, den Schränken voller ungespiel-ter Literatur und gerne würde ich auch Zeit haben, Cembalo und Orgel zu spielen oder mit meinen Enkeln zu musizieren.

nmz: Was wünschen Sie der EMCY?
Rohlfs: 95 Prozent der Teilnehmer an all diesen Wettbewerben können aus ihrer Passion keinen Beruf machen und es wäre unlauter, allen die-se Perspektive zu vermitteln. Trotzdem kann man sich auf befriedigende Weise und auf hohem Niveau musikalisch betätigen. Sie nehmen die Musik als Laien oder Amateure mit in ihr Leben und sollen weiterhin Spaß an qualifiziertem Musizieren haben, zugleich werden sie aber dadurch auch jene qualifizierte Konzertbesucher, die wir uns wünschen. Auf diese Perspektive sollte man mindestens so intensiv hinweisen, wie auf die Fördermöglichkeiten von Hochbegabten.

nmz: Jeder, der Sie kennt, erlebt Sie als einen Menschen, der hartnäckig, ausdauernd und zielstrebig die Sache im Blick hat, gleichzeitig jedoch uneitel agiert, die eigene Person in den Hintergrund stellt. Gibt es ein Lebens-prinzip, das sich durch Ihr Berufsleben zieht?
Rohlfs: Als Student hatte ich natürlich musikalische Ambitionen, aber ich merkte schnell, dass meine Fähigkeiten für eine musikalische Karriere nicht ausreichten. So betätigte ich mich im Musikmanagement, um anderen den Weg zu ebnen und Möglichkeiten aufzuzeigen, ihre Träume zu realisieren.Aus meiner Sicht sind Wettbewerbe ein nützliches Vehikel, um sich auszutauschen und zu vergleichen. Aber wenn wir junge Menschen in die Wettbewerbe locken, wenn wir sie auffordern, zu uns zu kommen und sich zu beweisen, dann entsteht daraus für uns auch die Verpflichtung, ihnen auf dem weiteren Weg zu helfen. Noch denken nicht alle Wettbewerbe über die Preisvergabe hinaus, es wird eine der großen Aufgaben der EMCY sein, dieses Bewusstsein zu schärfen.

 

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