nmz 2007/11 | Seite 31
56. Jahrgang | November
Bayerische Musikschulen
„Den Druck im Kessel erhöhen“
Kommunalpolitiker und Staatsvertreter diskutieren Ausbau von
Musikschulen
Dass sich die Musikschulen in einer wichtigen Phase des Aufbruchs
befinden, haben bei der Kommunalen Arbeitstagung am 12. Oktober
in Garmisch-Partenkirchen Bürgermeister und Staatsvertreter
gleichermaßen betont. Entscheidend für die kommenden
Monate sei, eine höhere staatliche Musikschulförderung
mit größtem Nachdruck zu verfolgen.
Die Arbeitstagung zum Thema „Musikalische Bildung ist Zukunftsinvestition“ hat
der Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen (VBSM) ins Leben
gerufen, um eine Bestandsaufnahme des Musikschulwesens vorzunehmen
und den Blick in die Zukunft zu richten. Daran teilgenommen haben
neben Bürgermeistern aus verschiedenen Regierungsbezirken
auch Wissenschaftsminister Dr. Thomas Goppel sowie Professor Dr.
Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts
Niedersachsen. Pfeiffer, der in einer repräsentativen Studie
den Wirkungszusammenhang von extensivem Medienkonsum und Gewalttätigkeit
bei Jugendlichen herausstellte, appellierte an die Politik, die „Zukunftsinvestition
in die Jugend“ zur zentralen Leitlinie zu machen. „Wir
müssen die Nachmittage unserer Kinder retten und bei ihnen
Lust auf Leben wecken – durch Musik und weitere kulturelle
Angebote“, so Pfeiffer. Die sozial verbindende Kraft der
Musik, die Lust am gemeinsamen Musizieren sei eine „Schutzimpfung
durch Musik“. Dass das Musizieren für Jugendliche in
der Tat eine gute Möglichkeit ist, ihre Freizeit sinnvoll
auszufüllen, bestätigte die Bürgermeisterin von
Neubiberg, Johanna Rumschöttel: Im Gegensatz zu den Nachbargemeinden,
die ohne öffentliches Musikschulangebot so genannte Streetworker
im Einsatz haben, wären diese in ihrer Gemeinde nicht vonnöten.
Einig darüber waren sich allesamt – Kommunalpolitiker
wie Staatsvertreter –,
dass musikalische Bildung und gemeinsames Musizieren für junge
Leute in hohem Maße fürs Leben und die Persönlichkeitsbildung
sinnstiftend sei. Allein dieser Tatbestand erfordere von den politisch
Verantwortlichen in Staat und Kommunen, die Musikschulen weiter
zu fördern und zu stärken.
Wenn auch die 215 Musikschulen bereits über 130.000 Kinder
und Jugendliche in 850 Kommunen mit ihren musikpädagogischen
Bildungsangeboten erreichten, so habe ein erheblicher Teil der
jugendlichen Bevölkerung in Bayern noch immer keinen Zugang
zu einer öffentlichen Musikschule. Deshalb müsse der
Stellenwert von Musikschularbeit in den Städten und Gemeinden
erhöht werden. „Unser Ziel ist es, dafür zu sorgen,
dass jedes Kind an jedem Ort qualifizierten Musikunterricht erhalten
kann“, erklärte Dorfner. Alle weißen Flecken auf
der bayerischen Landkarte wegzubekommen, gelinge aber nur, wenn
auch staatliche Anreize vorhanden sind. Diese lägen jedoch
noch „in weiter Ferne“. Die Aussichten ein wenig erhellen,
konnte Staatsminister Thomas Goppel mit seiner Ankündigung,
dass der Haushaltsansatz für das kommende Jahr eine gewisse
Steigerung vorsehe. Der Wegfall der 20-prozentigen Haushaltssperre – eine
Sparmaßnahme in den vergangenen steuerschwachen Jahren – würde
so die staatliche Förderung der Musikschulen begünstigen.
„Die 13 Millionen Euro stehen den Musikschulen zu“, befand auch Ministerialrat
Michael Weidenhiller, zuständiger Referent im Staatsministerium für
Unterricht und Kultus. Er sieht ebenfalls die Zeiten schmerzhafter Sparrunden
im Kulturbereich beendet; mittlerweile gehe es um die Verteilung der Gelder.
Die Musikschulen forderte er auf, derweil den „Druck im Kessel zu erhöhen“.
Auch der Musikschulverband sollte sich gemeinsam mit den Kommunalen Spitzenverbänden
zügig auf den Weg machen, die politischen Entscheidungsträger zu überzeugen.
Ihnen müsse bleibend vor Augen geführt werden, wie musikalische Bildung
unterstützend davor bewahren kann, dass sich junge Leute „nicht
gegenseitig auf die Birne hauen“. Minister Goppel bekräftigte: „Kinder
müssen möglichst frühzeitig an Musik herangeführt werden,
damit ihre Eltern einsehen, sie ein Instrument lernen zu lassen.“ Reparaturen
in der Jugendarbeit kosteten schließlich mehr als vorbeugend in Bildungs-angebote
sinnvoller Freizeitbeschäftigungen zu investieren.
Ob eine Gemeinde eine Musikschule betreiben oder ausbauen will,
entscheide sie nicht zuletzt nach der Höhe des gesellschaftlichen Stellenwerts, erklärte
Fritz Wittmann, Bürgermeister des Marktes Essenbach. Wie hoch dieser Wert
ist, sei in jedem Falle von der politischen Gewichtung der Staatsregierung
abhängig: „Mit dem Geld, das für das Großprojekt Transrapid
vorgesehen ist, könnten 20 Jahre lang die Lehrpersonalkosten der Musikschulen
in Höhe von 25 Prozent abgedeckt werden“, so Wittmann. Ein stärkerer
staatlicher Anreiz würde die Kommunen, die ohnehin schon den Löwenanteil
der Musikschulen finanzieren, dazu bewegen, die bestehenden Musikschulen nicht
nur zu bewahren, sondern sie auszubauen und neue Musikschulen zu gründen.
Dies würde auch dazu führen, dass die Zusammenarbeit der Städte
und Gemeinden untereinander gestärkt werde, ergänzte Landrat Dorfner, – „ein
wichtiger Schritt hin zum Staatsziel eines flächendeckenden Musikschulnetzes“.
sl