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nmz-archiv
nmz 2007/12 | Seite 52
56. Jahrgang | Dez./Jan.
Wortlaut
Wortlaut
Erst denken, dann zahlen
Im Hinblick auf die Ankündigung des Bundes, seine Ausgaben
für Kultur um rund 400 Millionen Euro über einen Kulturinvestitionsfonds
aufzustocken, rät der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft
zur Besonnenheit. Derzeit werden vom Beauftragten der Bundesregierung
für Kultur und Medien sowie vom Haushaltsausschuss des Bundestages
Mehrausgaben für mehrere Stiftungen in Aussicht gestellt sowie
weitere 200 Millionen Euro für kulturelle Einrichtungen in
der Hauptstadt Berlin, die allerdings an Bedingungen geknüpft
sind. Dazu der Geschäftsführer des Kulturkreises der
deutschen Wirtschaft im BDI, Stephan Frucht:
Stephan
Frucht. Foto: Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im
BDI
„Es ist erstaunlich, mit welcher Begeisterung der Kulturstaatsminister
und der Haushaltsausschuss den kargen Kulturetat des Bundes in
kürzester Zeit aufstocken wollen. Besonders erstaunlich dabei
ist, mit welcher Sicherheit man bereits diejenigen Objekte identifiziert
hat, denen der plötzliche Geldsegen zugutekommen soll. Auch
zeugt es ein wenig von Beliebigkeit, wenn Regierung und Parlament
einerseits der Berliner Staatsoper beträchtliche Fördermittel
in Aussicht stellen, andererseits aber das Geld im Falle ausbleibender
Landeszahlungen Berlins anderweitig verwenden wollen. Es ist doch
so: Entweder man sieht einen Förderbedarf oder man sieht
ihn nicht; alles andere erscheint gutsherrenartig.
Hilfreich bei diesem Abwägungsprozess könnte sein, dass
die Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“ in
Kürze die Ergebnisse ihrer vierjährigen Arbeit vorlegen
und diese mit über hundert Handlungsempfehlungen verbinden
wird. Die Regierung täte also gut daran, erst einmal zu prüfen,
ob sich aus den Enquête-Ergebnissen nicht ein dringender
Handlungsbedarf ergibt, der jeden einzelnen Cent des Bundes erfordert.
Ansonsten muss man den Eindruck gewinnen, der Kulturstaatsminister
halte die Empfehlungen der Enquête eher für lästig
als hilfreich für seine Arbeit. Die zuletzt vom Haushaltsausschuss
freigestellten Summen sind für den Kulturstandort Deutschland
jedenfalls alles andere als bedeutungslos. Der Bericht der Enquête-Kommission
hat selbst viele hunderttausend Euro verschlungen. Die Regierung
sollte sich daher deren Ergebnisse gut anschauen, zunächst
sorgfältig nachdenken und dann zahlen.“