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nmz-archiv
nmz 2008/02 | Seite 50
57. Jahrgang | Februar
Oper & Konzert
Die zwei Seiten eines Komponisten
Theo Brandmüller wird am 2. Februar 2008 sechzig Jahre alt
Es gibt Komponisten, deren Werke unablässig bei den verschiedensten
Festivals Neuer Musik uraufgeführt werden – mit unterschiedlichem
Gelingen natürlich. Und dann leben irgendwo die Stilleren
im Lande, die zwar auch komponieren, aber mit ihren Schöpfungen
nicht marktschreierisch überall hervortreten.
Komponist,
Organist, Professor: Theo Brandmüller. Foto: Charlotte
Oswald
Einer von diesen angenehmen Stillen heißt Theo Brandmüller.
In Mainz 1948 geboren, Studium der Schul-und Kirchenmusik, Komposition
bei renommierten Größen wie Giselher Klebe, Mauricio
Kagel, Cristobal Halffter und Olivier Messiaen, trat er international
erst 1979 mit seiner Lorca-Vertonung „Ach, trauriger Mond“ auf
dem Weltmusikfest der IGNM in Athen nachdrücklich hervor.
Federico Garcia Lorcas kultisch-mythischer Gestus, seine poetische
Magie haben Brandmüller immer wieder angezogen bis hin zu
dem großen Orchesterwerk „Cis-Cantus III“ von
1987, in dem er dem Dichter hohe Klang-Kathedralen baut (Brandmüller
ist auch ein vorzüglicher Organist), deren Materialien dann
zunehmend vergeistigt, gleichsam entmaterialisiert werden: Der
poetische Geist existiert auch nach der physischen Auslöschung
(Lorca wurde 1935 von den Falangisten ermordet) ungebrochen weiter.
Brandmüllers Glaube an die Kunst, an die Kraft einer Hofmannsthal’schen „Verwandlung“,
verbindet sich mit einem politisch-gesellschaftlichen Engagement.
Diese Doppelbödigkeit der ästhetischen Auffassungen prägt
auch die scheinbare Heiterkeit in seinem Schaffen. Bei Christian
Morgenstern öffnete er hinter der lockeren Unbeschwertheit
der Texte die hintergründig-philosophischen Dimensionen: „Morgenstern
Abendstern“ und die „Missa Morgenstern“ sind
dafür signifikante Beispiele. In seiner „Fred-Astaire-Music“ von
1986 beschwört er hinter der Maske tänzerischer Virtuosität
auch die melancholische Erinnerung an einen großen Künstler.
Und Brandmüllers zweites Streichquartett von 1986 würde
sich mit seiner Ausgespanntheit zwischen Materialvergeistigung
und Expression sicher bestimmt vorteilhaft in einer Konfrontation
mit Beethovens späten Quartetten behaupten. Zu Brandmüllers
sechzigstem Geburtstag am 2. Februar 2008 hat das Label „perc.pro“ (40022007)
zusammen mit dem Saarländischen Rundfunk eine CD mit vier
Werken Brandmüllers herausgebracht, darunter der „Traurige
Mond“ für Schlagzeug solo und Streicher sowie die dramatisch
gespannte „Antigone“ für Chor mit Soli, zwei Klaviere
und Schlagzeug. Es lohnte, dies zum Anlass zu nehmen, sich mit
Theo Brandmüllers Werk intensiver zu befassen.