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nmz-archiv
nmz 2008/02 | Seite 50
57. Jahrgang | Februar
Oper & Konzert
Aufwändig und eigenwillig
„Pyramidale 6“: Die Erotik des Kontrastes
Inmitten der Hellersdorfer Plattenbauten haben auch in diesem
Jahr bei der „Pyramidale 6“ Susanne Stelzenbach und Ralf
Hoyer ein vielfältiges Programm präsentiert. Mit Musik,
Performances, Texten und einer Installation, darunter etliche Uraufführungen,
folgte man dem vieldeutigen Motto „Die Erotik des Kontrastes“.
Im Zentrum der ersten Programmreihe standen Streichquartette,
gespielt durch das „Sonar Streichquartett“ (Susanne
Zapf, Gregor Dierck, Nikolaus Schlierf, Cosima Gerhard), daneben
gab
es Stücke für ein Kammerensemble (Bratsche: Karen Lorenz,
Saxophon: Meriel Price, Oboe: Simon Strasser, Horn: Noam Yogev).
Den Vokalpart in Max E. Kellers Zeitungssolokantate „12-06-07“ und
Helmut Zapfs Lied „Rechenschaft“ übernahm die
Sopranistin Claudia Herr. Kontrapunkt zur Musik bildete Bernhard
Garberts Vortragsinstallation über „ordentliche Kunst“ (Performance:
Peter Funken, Albert Markert).
Musikalisch kontrastierten gleich zu Beginn Helmut Lachenmanns
Streichergeräuschaktionen in „Gran Torso“ mit
dem dritten Streichquartett von Georg Katzer, in dem Geräusche
zwar nicht fehlen, aber doch als „andere Seite“ des
Klangs markiert werden. Ebenfalls zwei unterschiedliche Klang-
und Formauffassungen zeigten das erste Streichquartett von Stefan
Keller und Susanne Stelzenbachs Quartettsatz „Haut“.
Während Keller den Gang des Stücks pulsierenden, treibenden
Rhythmen übergibt, zeigt Stelzenbach offene Stellen, Risse
im Gewebe, stumme Zeichen in die Luft gemalt. Friedrich Goldmann
hat sich mit seinen aktuell geschriebenen fünf Duos für
Oboe und Viola dem Gegensatz der Instrumente gewidmet. Kontraste
zwischen Elektronik und Live zeigten Stücke von Michael Hirsch
und Helmut Oehring. In Hirschs „Würgeengel-Fragment“ handelte
es sich – so der Komponist – um eine „Komposition
für CD mit fragmentarischer ‚Kammermusikzuspielung’“.
Auch in Oehrings „Love in“ erzeugten die verschiedenen
Atemgeräusche von CD eine Grundstimmung, die die Instrumente
nur eingeschränkt mithalten sollten. Schließlich setzten
ein „Schreistück“ von Stelzenbach/Hoyer und die „Metamorphosen
des Eises“ von Hermann Keller Musiktheater gegen die Kammerensemble-
und elektroakustischen Hörstücke.
Der zweite Programmteil brachte den Kontrast zwischen Alter und
Neuer Musik, hauptsächlich umgesetzt durch das hervorragende
Vokalensemble „Vox nostra“ (Amy Green, Allegra Silbiger,
Ellen Hünigen, Jens Bauditz, Werner Blau, Burkard Wehner).
Der Versuch, aus der Ausstellungspyramide eine Kathedrale zu machen,
gelang zwar nicht ganz, aber die Abwechslung von mittelalterlichen
Gesängen und „erotischen Miniaturen“ von Martin
Daske, Thomas Gerwin, Mayako Kubo, Gwyn Pritchard und Friedrich
Schenker (alles Auftragswerke) zeigte die große Bandbreite
des Ensembles. Hervorzuheben ist der klangliche Kontrast zur Vokalmusik
durch die elektroakustische Komposition „Nefs“ von
Mehmet Can Özer sowie durch Lothar Voigtländers „Salmo
Salomonis“, ein Solostück für Englischhorn, brillant
gespielt von Simon Strasser. Hoyers quasi elektroakustisches Stück
für Vokalstimmen „Five Spaces for Six Voices“ bildete
den Abschluss des Festivals. Die Hellersdorfer „Pyramidale“ brachte
wieder einmal ein aufwändiges und eigenwilliges Programm,
das auch Publikum mit sehr langen Anfahrtswegen angezogen hat.
Es ist den Organisatoren und Unterstützern im Bezirk viel
Energie zu wünschen, ihr Engagement für neue Musik im
Osten Berlins weiterzuführen.