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nmz-archiv
nmz 2008/02 | Seite 15-16
57. Jahrgang | Februar
Kulturpolitik
Wirtschaftsförderung ist Kulturförderung, und umgekehrt
Kleine Anfrage zur „Initiative Musik“: Hans-Joachim
Otto, MdB, im Gespräch mit der neuen musikzeitung
Mit seiner
kleinen Anfrage im Deutschen Bundestag zur Neugründung
der „Initiative Musik“ hat MdB Hans-Joachim Otto dezidiert
Auskunft über Ziele und Aufgaben, Planungsstand und Strukturen
des Projektes verlangt. nmz-Herausgeberin Barbara Haack führte
mit dem Vorsitzenden des Ausschusses für Kultur und Medien
im Deutschen Bundestag, Obmann der FDP-Fraktion in der Enquete-Kommission „Kultur
in Deutschland“, Mitglied im Bundesvorstand der FDP, ein
ausführliches Gespräch.
neue musikzeitung: Herr Otto, sind Sie mit den Antworten der
Bundesregierung auf Ihre kleine Anfrage vom 14. November zufrieden – auch
im Hinblick auf „German Sounds“? Hans-Joachim Otto: Nein. In der Antwort der Bundesregierung bleibt
leider noch immer unklar, was mit den Geldern erreicht werden soll
und vor allem, wie es erreicht werden soll. Die drei Schwerpunkte
der Initiative, Nachwuchsförderung, Integrationsförderung
und Exportförderung, sind sicher alle wichtig und gut gemeint.
Aber ich habe doch meine Zweifel, ob die eine Million Euro jährlich
wirklich dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Anlass zum Zweifel
gibt mir insbesondere die Antwort der Bundesregierung, dass das
inzwischen eingestellte Projekt „German Sounds“, das
die deutsche Musikwirtschaft im Bereich der Exportförderung
unterstützen sollte, noch nicht auf zukünftig vermeidbare
Fehler ausgewertet wurde. Auch glaube ich, dass der deutschen Musikwirtschaft
durch eine bessere allgemeine Wirtschaftspolitik, ein starkes Urheberrecht
und den Verzicht auf Steuererhöhungen mehr geholfen wäre
als durch eine „Initiative Musik“, unter der sich anscheinend
weder die Bundesregierung noch die interessierte Öffentlichkeit
etwas Genaues vorstellen kann.
Hans-Joachim
Otto. Foto: nmzmedia
nmz: Ein Punkt der kleinen Anfrage beschäftigt sich mit Förder-Instrumenten
für die deutsche Musikwirtschaft. Sowohl im FDP-Leitantrag „Kultur
braucht Freiheit“ aus dem Jahr 2007 als auch im Schlussbericht
der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ werden
fehlende oder unzureichende Förderprogramme gerade für
kulturelle Klein- und Kleinstunternehmen deutlich bemängelt.
Die Antwort der Bundesregierung fällt dem gegenüber eher
vage aus. Welche konkreten Maßnahmen und Instrumente der
Förderung von Unternehmen der Musik- und Kulturwirtschaft
können oder müssen aus Ihrer Sicht von der Politik kommen? Otto: Einige übergeordnete Maßnahmen habe ich ja eben
schon angesprochen. Wichtig ist in meinen Augen vor allem aber
auch die Einführung von innovativen Finanzierungsinstrumenten,
welche die spezifischen Anforderungen der Kulturwirtschaft mit
ihrer meist geringen Kapitalausstattung berücksichtigen. Denn
das Kapital der Musik- und Kulturwirtschaft ist ja meistens weniger
materieller als viel mehr immaterieller Natur. Beispiele für
derartige innovative Finanzierungsinstrumente wären Mini-Kredite
oder Venture Capital Fonds nach britischem Vorbild. Auch die Eigenkapitalvorschriften
von Basel II müssen in Hinblick auf ungünstige Auswirkungen
auf die Kreditvergabe für Projekte der Kulturwirtschaft überprüft
werden. Sinnvoll wäre es dabei, solche Maßnahmen in
einem Paket zu bündeln, wie es ebenfalls in Großbritannien
mit großer Signalwirkung unter dem Stichwort „Creative
Britain“ geschehen ist und dort einen Boom vor allem der
kleinen kreativen Unternehmen ausgelöst hat.
nmz: Wo liegt für Sie der Unterschied zwischen Kultur- und
Wirtschaftsförderung? Und in welchem der beiden Felder siedeln
Sie die „Initiative Musik“ an? Otto: Wir Liberale haben ja schon seit langem
ein Querschnittsreferat für Kulturwirtschaftspolitik gefordert,
weil es eben Themen gibt, die beiden Bereichen zugeordnet werden
können. Die „Initiative
Musik“ ist genau in diesem Zwischenfeld angesiedelt. Wie
bereits erwähnt, soll sie ja unter anderem der Exportförderung
dienen. Was dem Musikexport nützt, hilft – hoffentlich – auch
den Musikern und der Musik selbst. So profitiert in der Regel ein
Musiker von jeder CD, die mehr verkauft wird, genauso wie von jedem
Konzert, das zusätzlich
veranstaltet wird. Durch diese Mehreinnahmen steigen dann auch
die Ressourcen für die Entwicklung und Umsetzung von neuen
musikalischen Ideen. So ist in diesem Sinne eine gelungene Wirtschaftsförderung
zugleich auch Kulturförderung – und umgekehrt. Wichtig
ist dabei aber, dass die Förderung auch wirklich bei den Musikern
ankommt und nicht bei den Verlagen hängen bleibt. Sonst würde
es sich in diesem Fall in der Tat um eine reine Wirtschaftsförderung
handeln.
nmz: Unter anderem wurde nach dem
Zusammenhang zwischen der Mittelbereitstellung für die „Initiative Musik“ und den Mittelkürzungen
bei der Bundeskulturstiftung gefragt. Hierzu heißt es in
der Antwort der Bundesregierung, es gebe keinen kausalen Zusammenhang.
Glauben Sie das? Otto: Keineswegs. Die Parallelität der Vorgänge macht
einen ja schon stutzig. Und es ist unbestritten, dass im gleichen
Haushaltsjahr, ja sogar in ein und derselben Sitzung des Haushaltsausschusses
einerseits die Mittel der „Initiative Musik“ bewilligt
und andererseits bei der Kulturstiftung des Bundes gekürzt
wurden. Wer weiß, wie solche Haushaltsverhandlungen ablaufen,
kann sich den Vorgang leicht erklären. Aber selbst, wenn es
zwischen diesen beiden Ereignissen keinen kausalen Zusammenhang
gäbe, so muss man doch die Frage stellen, wa-rum eine Aufgabe
wie die Förderung deutscher Musik im Ausland nicht von einer
Einrichtung wie der Kulturstiftung des Bundes übernommen wird,
die dafür ja prädestiniert wäre. Der Auftrag der
Bundeskulturstiftung lautet ja schließlich, Gegenwartskultur
im internationalen Kontext zu unterstützen und zu fördern.
Mir bleibt daher unverständlich, warum jetzt abermals neue,
gesonderte Strukturen aufgebaut werden sollen.
nmz: Der genannte FDP-Leitantrag
spricht deutlich von einer subsidiären
Verpflichtung der staatlichen Kultur-Förderverpflichtung.
Dort, wo zivilgesellschaftliche oder privatwirtschaftliche Akteure
Kulturaufgaben wahrnehmen können, sollte die staatliche Förderung
unterbleiben. Wie ist eine solche Trennung angesichts der starken
Vernetzung zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu
realisieren? Wie zu kontrollieren? Otto: Ich möchte diesen Gedanken gerne mit der kurzen Formel „’Kultur
von allen’ statt ‚Kultur für alle’“ auf
den Punkt bringen. Das heißt, wir Liberale treten für
einen ermöglichenden Staat ein. So ist es meiner Auffassung
nach die Aufgabe eines jedes Einzelnen, zum Erhalt und zur Weiterentwicklung
unserer Kultur beizutragen. Der Staat kann und muss einen bedeutenden
Beitrag dazu leisten, das kulturelle Erbe zu bewahren und die Voraussetzungen
für künstlerische Innovationen zu schaffen. Aber dies
wird sicher nicht gelingen, wenn die Freiheit, die die Grundlage
unserer Kultur und unseres kulturellen Lebens ist, nicht auch als
Verantwortung eines jeden Einzelnen verstanden und gelebt wird.
Anstelle des von einem staatlichen Versorgungsgedanken geprägten
Schlagwortes „Kultur für alle“ setzen wir Liberale
daher mit dem Leitbild „Kultur von allen“ auf das Engagement
der Zivilgesellschaft und die Freiheit jedes Einzelnen, seine persönlichen
kulturellen Vorstellungen zu verwirklichen. Das ist der zentrale
Gedanke unserer Kulturpolitik. Wenn es dabei zu einem Miteinander
von der öffentlichen Hand, privater Akteure und der Wirtschaft
kommt, ist das nur zu begrüßen. Der Staat sollte jedoch
durch sein Handeln das private und wirtschaftliche Engagement nicht
unterdrücken, sondern es befördern.
nmz: Im Dezember hat die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ ihre
Arbeit abgeschlossen und einen umfangreichen Schlussbericht vorgelegt.
Was ist aus Ihrer Sicht – wenn es denn in Kürze formulierbar
ist – das wichtigste Ergebnis oder Fazit dieser vierjährigen
Arbeit? Otto: Zunächst hat das Zusammenwirken in der Enquete-Kommission
zu einem Zusammenrücken der Kulturpolitiker geführt,
und es ist besonders erfreulich, dass sich die Kulturpolitiker
aller Fraktionen in fast allen Punkten auf eine gemeinsame Position
einigen konnten, nämlich jeweils auf die Forderung und Handlungsempfehlung,
die zum Wohl der Künstler, Kulturschaffenden und des kulturellen
Lebens ist. Und wir reden hier nicht über ein paar kurzen
Thesen, sondern über einen äußerst umfangreichen
und detaillierten Abschlussbericht, der über 500 Seiten umfasst.
Es gab wahrscheinlich noch nie einen so klaren und umfassenden
Auftrag an die Politik, was veranlasst werden muss, um die Rahmenbedingungen
von Kunst und Kultur in Deutschland optimal zu gestalten. Wenn
ich aber eine einzelne Maßnahme, ein einziges Ergebnis herausgreifen
müsste, so wäre es sicherlich die von allen Kommissions-Mitgliedern
einstimmig verabschiedete Forderung nach einer Ergänzung des
Grundgesetzes um das Staatsziel Kultur.
nmz: Die Kommission hat eine Vielzahl
sehr konkreter Handlungsempfehlungen ausgesprochen, die nun von
einer aufrechten Schar von Kulturpolitikern
im Deutschen Bundestag weiterverfolgt werden sollten. Schon an
der Debatte über die Aufnahme des Staatsziels Kultur ins Grundgesetz
wird erkennbar, dass das nicht einfach sein wird. Wie können
alle Kultur-Akteure in Deutschland dazu beitragen, dass die Empfehlungen
der Kommission jetzt auch umgesetzt werden? Otto: In den vergangenen vier Jahren haben wir
ja in der Enquete-Kommission mit zahlreichen Experten und Künstlern aus allen Bereichen
intensiv und eng zusammengearbeitet, sei es, dass sie als Sachverständige
dem Gremium direkt angehörten oder uns in einer der zahlreichen
Anhörungen und Expertenrunden Frage und Antwort standen. Im
Folgeprozess, der jetzt mit der Vorlage des Abschlussberichts begonnen
hat, müssen wir weiter auf diese Kooperation setzen. Das bedeutet,
dass eine Forderung wie die nach einem Staatsziel Kultur nicht
nur in kulturpolitischen Fachkreisen diskutiert werden muss, sondern
auch dort, wo dieses Staatsziel Wirkung entfalten soll, nämlich
in den Kulturinstitutionen und bei den Künstlern. Geschieht
dies nicht, sagen die Kulturschaffenden – und natürlich
auch das Kulturpublikum – nicht ganz laut: „Wir wollen
das! Wir brauchen das jetzt!“, dann bleibt das eine Mauerblümchen-Debatte.
Nur wenn wir alle zusammen weiterhin für die gemeinsame Sache
streiten, dann haben wir auch eine reelle Chance, eine Vielzahl
der guten Empfehlungen aus dem Enquetebericht in die Praxis umsetzen.
Aber ganz eindeutig: Noch ist das Werk nicht vollbracht.
nmz: In Ihrer Rede zum Bundesparteitag
2007 erheben Sie für
die FDP den Anspruch, „die Kulturpartei zu sein“. Sie
haben einen Leitantrag an die eigene Partei gestellt, Sie haben
eine Kulturkampagne ins Leben gerufen, Sie haben das „Liberale
Kulturforum“ gegründet und wollen auch regionale Kulturpolitik
intensivieren. Wie geht es weiter? Wie wollen Sie die Nachhaltigkeit
sichern? Otto: Insbesondere das Liberale Kulturforum ist ja auf eben
eine solche Nachhaltigkeit hin ausgerichtet. So ist es das erklärte
Ziel, mit der Einrichtung des Liberalen Kulturforums einen auf
Dauer angelegten Experten- und Unterstützerkreis zu bilden.
Dieses Vorhaben geht also definitiv weiter und steht somit eigentlich
erst noch ganz am Anfang. Durch das Liberale Kulturforum wollen
wir sowohl in der Öffentlichkeit, als auch bei allen, die
in der Gewährleistung der kulturellen Vielfalt ein zentrales
Element einer liberalen Gesellschafts- und Kulturpolitik sehen,
weithin sichtbar für kulturelle Angelegenheiten werben. Ich
bin mir sicher, dass vom Liberalen Kulturforum in Zukunft immer
neue Impulse, neue Initiativen, Ideen und Anregungen ausgehen werden,
die dann in die Breite von Partei und Gesellschaft getragen und
dort diskutiert werden können. Es ist unsere feste Absicht,
das Thema Kultur weiterhin ganz nach vorne zu stellen.
nmz: Eine der Definitionen von
Kultur, die man auf der FDP-Internetseite findet, lautet: „Kultur ist im Konzertsaal, im Theater, im
Museum. Aber auch im Festzelt, im Club, am Kiosk, selbst im Kühlregal.“ Wie
würden Sie Ihren persönlichen Kulturbegriff formulieren? Otto: Das geht in der Tat sehr weit. Kultur bedeutet
für mich
im weitesten Sinne die Gesamtheit aller geistigen, materiellen,
intellektuellen und emotionalen Aspekte, die eine Gesellschaft
kennzeichnen. Kultur hält eine Gesellschaft zusammen. Ihre
Bedeutung ist somit die eines Bindeglieds, sie ist Kommunikation
und schafft Identität. Im engeren Sinne verweist der Begriff „Kultur“ natürlich
auf die klassischen Künste wie Tanz, Musik, Theater und vieles
mehr. Die Künste sind ein kleiner, aber auch sehr wichtiger
Teil der übergeordneten Kategorie Kultur. Sie sind Ausdruck
und auch Quelle von Identität und Kreativität. Zugleich
vermögen die Künste, ein Spiegel der Gesellschaft zu
sein, diese zu verändern und voranzutreiben. Kunst macht das
Un-Erhörte, Nicht-Gesagte, das Un-Denkbare eben denkbar und
erlebbar. Kurz: Kultur bedeutet Leben.