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nmz-archiv
nmz 2008/02 | Seite 3-4
57. Jahrgang | Februar
Magazin
Auf der Suche nach einer neuen Sinnlichkeit
Sind 400 Jahre Oper genug? Die Regensburger Runde der nmz zu
Gast beim MDR in Halle
Die zweite Regensburger Runde der nmz war
im Dezember zu Gast beim Mitteldeutschen Rundfunk in Halle. Über
Perspektiven des Musiktheaters diskutierten der Komponist Moritz
Eggert, der Regisseur und Choreo-graf
Joachim Schlömer, der Intendant von Theater & Philharmonie
Thüringen (Altenburg/Gera) Matthias Oldag und nmz-Redakteur
Reinhard Schulz. Moderiert wurde die Runde, die Ende Dezember auf
MDR Figaro gesendet wurde und hier in Ausschnitten abgedruckt ist,
von der MDR-Opernredakteurin Bettina Volksdorf und nmz-Redakteur
Juan Martin Koch. Unter www.nmzmedia.de ist eine zusammenfassende
Filmversion zu sehen.
Bettina Volksdorf: Sind 400 Jahre Oper genug?
Reinhard Schulz: Man muss differenzieren.
400 Jahre Musiktheater sind nicht genug. 400 Jahre Oper, in der
Form, wie sie sich jetzt
präsentiert, sind genug, glaube ich.
Videostream
ab 7. Februar auf www.nmzmedia.de: Bettina Volksdorf,
Reinhard Schulz,
im Studio des MDR.
Moritz Eggert: Ich finde den Begriff Musiktheater
so langweilig, deswegen würde ich lieber sagen, 400 Jahre Oper, weil ich
den Begriff Oper überhaupt nicht so problematisch finde. Das
ist eigentlich ein sehr frischer Begriff, gerade wenn man seine
Entstehungsgeschichte anschaut, denn es war ja schon ein sehr wagemutiger
Gedanke, verschiedene Kunstformen zusammenzubringen.
Volksdorf: Was an dem Begriff Musiktheater
ist langweilig?
Eggert: Er ist ein bisschen zum
Klischee geworden. Man nennt es Musiktheater, weil man sich von
der Oper absetzen will, hat aber
in Wirklichkeit ähnliche Dogmen und ähnliche Klischees
aufgebaut, wie man sie ja eigentlich erstmal ablehnen wollte.
Matthias Oldag: Die Frage ist ja, für wen es genug ist. Für
mich ist es nicht genug. Für viele, viele, die unser Theater
besuchen, offensichtlich auch nicht. Denn zum Glück erfreut
sich Oper nach wie vor großer Beliebtheit auf den Spielplänen.
Aber offensichtlich ist auch das nur ein kleiner Teil, denn Oper
an sich hat längst nicht mehr die Popularität, die sie
vielleicht einmal hatte und die wir uns alle wünschen. Es
ist ein sehr schmales Spektrum von Menschen, ein sehr schmaler
Korridor, den wir da durchlaufen.
Joachim Schlömer: Die Frage,
ob es genug ist oder nicht, ist meiner Meinung nach gar nicht so
zutreffend, sondern welche Zeit
der 400 Jahre man beleuchtet, auch wie die Musik gespielt wird
und wie mit ihr überhaupt umgegangen wird. Es gibt auch in
den 400 Jahren starke und schwache Phasen der Oper. Es gibt heute
sehr interessante Aufführungspraxen der Musik, es gibt gute
und schlechtere Musiker, es gibt gute und schlechtere Dirigenten.
Manchmal bekomme ich das Gefühl, 400 Jahre sind dicke genug…
Schulz: Wenn man sagt, 400 Jahre
Oper ist genug, heißt das
ja nicht, dass die Werke, die in den 400 Jahren entstanden sind,
null und nichtig sind. Keineswegs. Die müssen in neuer Art
gepflegt werden. Die Frage ist, ob man Oper noch so weiterschreiben
kann, wie es seit 200 Jahren der Fall ist. Davor gab es ja auch
einen Bruch zwischen der Barockoper und der Oper ab Mozart. So
einen Bruch, glaube ich, erleben wir heute auch wieder, weil die
Oper sich in der jetzt institutionalisierten Form in eine Sackgasse
begeben oder totgelaufen hat. Und da benutze ich den Begriff, den
Moritz abgelehnt hat: Musiktheater. Oper meint die Handlungsoper,
und die ist heute wirklich nur noch schwer zu verwirklichen. Das,
was die alte Oper hatte, dass sie Handlung gewissermaßen
in Ist-Zeit transportierte und dann die Zeit anhielt – in
einer Arie bleibt die Zeit stehen und es entsteht eine Aura der
Situation, der Stimmung – das funktioniert meiner Meinung
nach nicht einmal bei Reimann und Henze überzeugend. Für
mich stimmt hier die Zeitdimension nicht mehr, die Handlungsoper
korreliert nicht mit der Art der zeitgenössischen Musiksprache.
Eggert: Aber die Art der Musiksprache
korreliert auch nicht mit der Zeit. Ich bin der Meinung, dass es
selbstverständlich
Handlungsopern geben muss und auch geben wird. Genauso, wie es
auch Romane gibt, in denen man etwas erzählt. Über den
Begriff Handlung können wir viel reden, aber ich finde trotzdem,
dass das Erzählen überhaupt nicht am Ende ist. Es ist
so alt wie die Menschheit selbst, warum soll ich jetzt plötzlich
im 21. Jahrhundert erklären, man darf nichts mehr erzählen?
Schwachsinn.
Schulz: Nein, es geht nicht ums
Erzählen. Wenn ich jetzt ein
Stück nenne, das für mich ganz zentral ist, nämlich „Das
Mädchen mit den Schwefelhölzern“ von Helmut Lachenmann,
dann ist das keine Handlungsoper, aber es wird trotzdem etwas erzählt.
Es ist die kleine Geschichte von dem Mädchen, das immer in
der Kälte sitzt, immer ein Streichholz anmacht und dann Visionen
und Ausblicke hat. Das ist eine ganz kleine Geschichte. Aber es
ist keine Handlung, es ist kein Dialog, kein …
Eggert: Du sagst, es ist eine Geschichte, aber
es hat keine Handlung. Ich finde: natürlich hat das eine Handlung.
Schulz: Es ist eine kleine Geschichte.
Es ist eine Situation von Bildern, „Musik mit Bildern“ hat Lachenmann das genannt.
Das ist eine Konzeption, die auch zeitlich aufgeht.
Juan Martin Koch: Aber es ist ein
Stück, das an einem kleineren
Opernhaus kaum zu realisieren ist. Es wird also niemals in das
Bewusstsein eines breiteren operninteressierten Publikums treten
können, weil es so hohe Anforderungen an die Aufführenden
stellt.
Oldag: Die Frage stellt sich letztlich
auch ganz praktisch an der Kasse: Für wen tun wir’s?
Wie viel investiere ich in ein neues Musikstück, in eine neue
Musikästhetik, in
ein neues Musiktheater oder meinetwegen eine Oper? Was opfere ich
dafür an Kasse, was opfere ich dafür an Energie, an Aufwand,
eine Oper einzustudieren. Ich finde es manchmal erschreckend, mit
welcher Nachlässigkeit neue Werke auf den Spielplan gesetzt
werden, nur um dem Feuilleton oder dem geneigten Opernliebhaber,
der eben gerade mal nicht ein gängiges Opernerlebnis wünscht,
genüge zu tun. Wir können nicht darauf bauen, dass irgendwann
mal jemandem gefällt, was wir machen. Es muss jetzt den Leuten
gefallen, wir müssen heute diese Aufführung mit Leuten
füllen, die dafür Geld ausgeben, um eine Karte zu kaufen
und sich dort reinzusetzen und sich dann eventuell irritieren,
aber möglichst doch begeistern zu lassen.
Formen der Begeisterung
Schulz: Es gibt unterschiedliche
Formen der Begeisterung – ich
verweise auf Luigi-Nono-Aufführungen in Stuttgart. Es war
ein irrsinniger Andrang und es gab das Bedürfnis, nach diesen
Stücken auch darüber zu diskutieren. Es ist in der Stadt
von diesen Stücken sicher mehr im Bewusstsein hängen
geblieben als bei einer anderen, vielleicht auch ausverkauften
Oper. Ich verstehe Begeisterung auch als qualitative Begeisterung,
nämlich als wirkliche Anregung, als Anzündung eines Geistes,
auch mit Ideen. Wenn die Oper aber auf der alten Schiene weitermacht,
schlittert sie weiter in die Krise – wir brauchen uns nur
die Opernkritik anzusehen: Es wird im Grunde nur über die
Regie gesprochen. Über Musik wird nicht gesprochen. Über
das Stück schon gar nicht. Das ist der sanktionierte Hintergrund,
der schöne Schein. Davor spielt sich dann die Parade der Sänger
ab, darüber wird ein bisschen gesprochen. Wenn jemand, wie
kürzlich in Wien, bei Wotan aussetzt, dann geht das durch
die ganze Welt als wäre es eine Katastrophe. Im Zentrum steht
die Regie, die sich dann aber auch genötigt fühlt, dem
Stück immer wieder Gewalt anzutun. Ich weiß auch nicht,
was ich machen würde, wenn ich Regisseur wäre, weil die
Stücke im Grunde durchreizt sind. Für mich sehe ich da
nur Auswege in neuen Produktionen, neuen Herausforderungen, neuen
Ideen von Komponisten, mit dem ganzen Apparat umzugehen: mit Handlung,
Bewegung, Tanz, Musik, auf neue kreative Art.
Eggert: Natürlich ist es leicht im Zusammenhang mit Nono und
Lachenmann – großartige Komponisten und großartige
Werke – zu sagen: hier hat das mal funktioniert. Aber wenn
ich an die vielen öden typischen Musiktheaterwerke denke,
wo genau das, was du jetzt gerade einforderst, immer wieder versucht
wird und fast nie gelingt, dann muss ich schon fragen, ob das wirklich
so eine heilige Sache ist. Es fehlt an Stücken, die genau
die-
se Begeisterung, die eben genannt wurde, in einem Opernhaus erzeugen
können. Ich will auch Neues sehen, ich will auch das Durchbrechen
der Konvention sehen, ich will Wagnis se-hen, ich will aufgeregt
werden, ich will auch, dass sich die Geister scheiden. Aber es
gibt da eben nicht nur einen Weg. Und wir können auch die
Institution Oper benutzen, um diese Momente zu erzeugen. Es gibt
viel zu wenige Opern, die genau das versuchen. Und von dieser typischen
Musiktheater-Oper gibt es meiner Meinung nach eher zuviel.
Koch: Aber gibt es nicht im Vergleich
zum Schauspiel viel zu wenige Opernuraufführungen? In der Spielzeit 2005/2006 waren es über
400 Uraufführungen im Bereich Schauspiel und 55 im Bereich
Oper. Da stimmt doch die Relation nicht.
Oldag: Es ist ja noch ein Zahn
schärfer. Schauen Sie sich
mal an, was aus dem 20. Jahrhundert überhaupt ge-spielt wird.
Das liegt an der ästhetischen Kluft seit den 20er-Jahren,
die sicherlich mit unserer speziellen deutschen Geschichte zusammenhängt,
mit dieser merkwürdigen Trennung zwischen der so genannten
leichten Muse und der ernsten und wichtigen Kunst. Keinem Komponisten
wäre es früher eingefallen, etwas zu komponieren und
sich dann darüber zu freuen, wenn die Leute Buh rufen.
Schulz: Berg hatte Schwierigkeiten,
als sein „Wozzeck“ beklatscht
wurde …
Oldag: Da beginnt schon diese merkwürdige Arroganz gegenüber
denjenigen, für die ich eigentlich die Musik letztendlich
machen sollte.
Neuer Umgang mit der Operngeschichte
Schlömer: Es gibt ja noch ganz andere Möglichkeiten,
andere Musikformen. Es gibt Samples, es gibt das Auseinanderreißen,
das Neuzusammensetzen von Werken – wie bei David Lynch, der
Beethoven auf eine Kontrabass-Stimme reduziert. Es entsteht eine
unheimliche Musik, die einem wirklich unter die Haut fährt.
Auch mit der Oper heutzutage könnte man anders umgehen, ohne
neue Musik zu schreiben. Ich wäre froh, Komponisten zu kennen,
die sich damit mal wirklich beschäftigen.
Eggert: Ich bin absolut offen gegen-über allen möglichen
Wahrnehmungsveränderungen, die durch solche Techniken stattfinden.
Das hat für mich sehr viel damit zu tun, wie ich eine Zeit
empfinde, den Stil einer Zeit. Natürlich beeinflusst mich
das auch beim Komponieren. Aber ich finde auch den Werkbegriff
sehr interessant. Das reine Schnipseln und Verschieben ist noch
nicht Anlass genug für ein Werk, da muss dann auch mehr dahinter
sein. Und peinlich ist es, wenn die Opernhäuser versuchen,
sich anzubiedern. Wenn gesagt wird: wir machen jetzt Oper, und
dann scratcht einer und macht an den Turntables rum.
Schlömer: Es geht natürlich nicht mit jedem Thema und
mit jeder Musik. Man muss da sehr genau hinschauen, wo es überhaupt
möglich ist. Es gibt eine Menge Material in der Operngeschichte,
bei dem man das durchaus machen kann und wo es auch sinnvoll ist,
weil es den Inhalt beschleunigt, ihn intensiver, dringender macht,
weil es auch einem Publikum, einem jungen vor allem, viel radikaler
vor Augen führt, was damit in der Zeit gemeint war.
Koch: Besonders reizvoll sind in Museen ja die
Ausstellungen, die historische Kontraste darstellen. Das könnte ja in einem Opernhaus
auch stattfinden, vielleicht auch in einer gewissen Gleichberechtigung,
was das Alte und das Neue angeht.
Schlömer: Genau das tut’s ja nicht. Der konservative
Apparat nimmt ungefähr 95 Prozent der Kosten ein, 5 Prozent
bleiben für’s Experiment oder für die Neue Musik übrig.
Natürlich ist es schön, wenn der Zuschauer aus der historischen
Aufführungs-praxis das Original kennt. Aber ich glaube, wenn
das, was neu entsteht, ähnlich emphatisch und ähnlich
stark mit den Affekten und Emotionen umgeht, dann ist es vollkommen
egal, ob er das Original kennt. Ich glaube, es hat einfach etwas
mit der Hingabe und der Leidenschaft zu tun, mit der man das einzelne
Stück bewertet und wie man es macht. Irgendwann muss es diesen
Bruch geben, dass man sagt: Jetzt müssen wir einfach neue
Sachen machen. Wir müssen diesen Schritt irgendwann tun.
Eggert: Aber die neuen Sachen entstehen
doch die ganze Zeit.
Schlömer: Ja, aber sie kommen
nicht in den Fokus.
Oldag: Doch, sie werden immer wieder in den Fokus
gerückt.
Aber dann bleiben sie nicht drin, weil die Leute sich abwenden
oder weil sie das nicht weiter befördern. Und ich kann nun
mal als Theater nicht einen Spielplan machen, der aus fünf
Experimenten und einem Musical besteht. Ich habe überhaupt
nichts gegen Dinge, die mit solch einer Emphase, wie Sie sie schildern,
auf dem Spielplan stehen. Nur: Es ist bis jetzt eigentlich noch
nie so gewesen, dass sich eine neue Oper tatsächlich lange
auf dem Spielplan gehalten hat, über ein, zwei Jahre.
Volksdorf: Steckt die Institution Stadttheater
also in einer doppelten Sackgasse, weil sie einerseits unter dem
Legitimationsdruck der
Auslastungszahlen steht, andererseits mit der Forderung nach einer
Erneuerung konfrontiert ist?
Schulz: Jeder Apparat muss natürlich mit
seinen Möglichkeiten
arbeiten. Ein Stadttheater ist etwas anderes als die Münchner
Staatsoper. Wobei sich meine Kritik eigentlich eher gegen eine
Münchner Staatsoper wendet als gegen die oft sehr engagierte
Arbeit von Stadttheatern. Dann ist es natürlich keine Frage,
dass die Stadttheaterlandschaft erhalten werden muss, um einfach
den kreativen Spielraum zu bieten. Was Stadttheater machen, ist
manchmal viel erfrischender als das, was in der großen Oper
geschieht. Stuttgart in der Ära Zehelein wäre hier auszunehmen,
wo wirklich etwas gelungen ist, was eigentlich überall gelingen
könnte: eine Veränderung des Publikums. Man sagt natürlich,
Opernbesucher seien finanziell etwas betuchter, aber es gibt sehr
viele junge Leute, die auch betucht sind und nicht in die Oper
gehen. Sie muss man mit Dingen konfrontieren, die sie ansprechen,
weil die Kommunikationsformen heute andere geworden sind. Viele
Funktionen der Oper haben Film und Fernsehen übernommen. Man
muss zeigen, wo die Oper in dieser Konkurrenzlage ihren Platz haben
kann. Da sehe ich schon einen weiten Raum. Nur den Mut finde ich
fast nirgendwo. Leider.
Das Ende der Dekonstruktion?
Eggert: Wenn wir die Oper retten
wollen – ich sage das jetzt
mal so dramatisch – muss uns – ganz platt gesagt – die
Freude am schönen Singen, am Erzählen, an der Melodie,
an der Leidenschaft beschäftigen. Sonst geht es wirklich nicht
weiter.
Volksdorf: Also ein gewisser Pragmatismus.
Eggert: Nicht Pragmatismus, Liebe! Liebe zum
Genre und zur Musik.
Oldag: … und das Ende der Dekonstruktion.
Eggert: Ich kann irgendwann nicht mehr dekonstruieren,
ich kann nicht die Dekonstruktion der Dekonstruktion machen. Das
wird irgendwann
langweilig. 80 Jahre hattet ihr jetzt Zeit, mich davon zu überzeugen,
wie die Oper der Zukunft aussieht, aber das ist nicht gelungen.
Oldag: Vielleicht kommt demnächst eine Oper, die all das wieder
hat, was wir an einer Oper lieben. Nämlich eine Handlung,
eine Folge von wunderbaren Melodien, und trotzdem ist sie nicht
piefig und blöd. Vielleicht gibt es bald eine Oper, die die
Charts erobert …
Koch: Wir warten auf die Carmen des 21. Jahrhunderts.
Schulz: Wir sollten uns nicht auf
Begriffe wie Melodie oder so festlegen. Nehmen wir Sinnlichkeit.
Wenn das der Oper gelingt – und
zwar Sinnlichkeit im umfassenden Sinne, nicht nur für Ohr
oder Auge – dann hat sie die Funktion, die sie schon immer
hat, erfüllt. Rezepte, wie diese Sinnlichkeit einzulösen
wäre, gibt es nicht. Wir brauchen einen neuen Puccini, hat
Everding vor 20 Jahren gesagt…
Eggert: Er hat Recht.
Schulz: Nein, Puccini war auch kein
neuer Verdi.
Eggert: Doch, von Puccini kann man
sehr viel lernen.
Schulz: Natürlich kann man von ihm viel lernen.
Eggert: Gerade, was Timing angeht,
Dramaturgie.
Oldag: Alle lieben Puccini.
Schulz: Ich liebe ihn auch.
Eggert: Und du wärst froh, wenn du mal wieder eine Oper hättest,
die so einen Schluss hat wie Tosca, wo nicht endlos rumgesungen
wird, sondern einer erschossen wird, der Vorhang fällt und
alle total geplättet sind, weil es sie umgehauen hat. Wenn
so was heute gelänge, das wäre doch toll.
Schulz: Natürlich.
Volksdorf: Bleibt am Ende unserer
Runde noch die Frage, was Sie sich für die nächsten 400 Jahre Oper wünschen…
Oldag: Die Oper, wo alle sich drauf
stürzen und sagen: Lass
sie mich inszenieren.
Eggert: Ich wünsche mir einfach gute Komponisten, aber auch
Offenheit und Freiheit. Letztlich geht es nicht darum, eine Ästhetik
einzumauern. Natürlich musste sich das Musiktheater des 20.
Jahrhunderts auch befreien von der Einmauerung des 19. Jahrhunderts.
Aber ich finde, man kann auch einen Raum nutzen, und dafür
wäre die Oper für mich nach wie vor ein interessanter
Ort.
Schlömer: Musik, die einfach
sexy ist.
Schulz: Ich wünsche mir eine Oper, die die Möglichkeiten
des Raums und der ganzen Anlage in produktiver, nach vorne denkender
Weise und nicht zurückblickend in ganz neuen Dimensionen erschließt
und auch neu erfüllt. Mit Sinnlichkeit, mit Gefühlen,
von mir aus auch mit Melodien, warum nicht? Das ist Sache des einzelnen
Komponisten. Er muss es gut machen.