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nmz-archiv
nmz 2008/02 | Seite 17
57. Jahrgang | Februar
Musikwirtschaft
Carte blanche für Renaud Capuçon
Modernes Sponsoring: die Tessiner Privatkundenbank BSI und ihr
neues Festival in St. Moritz
Zwischen Weihnachten und Neujahr ist das Engadin lebendig wie
nie – die
ganze Welt läuft Ski, rodelt, schießt Eisstöcke
und geht shoppen. Nur kulturell ist das Engadin in der Zeit zwischen
den Jahren fast eine Wüste. Ein Zustand, den die Tessiner
Privatkundenbank BSI, ehemalige Banca della Svizzera Italiana,
definitiv beenden will. Vor drei Jahren gründete man das BSI
Winter Festival unter der künstlerischen Leitung von Renaud
Capuçon.
Schon
Herbert von Karajan schätzte die Akustik der Église
au Bois. Foto: BSI
In der architektonisch und akustisch einmaligen französischen
Kirche Église au Bois in St. Moritz, die schon Herbert von
Karajan für seine Kammermusikkonzerte entdeckt hatte, boten
Renaud und Gautier Capuçon sowie ihre Freunde Michel Dalberto,
Paul Meyer, Aki Saulière und Béatrice Muthelet an
drei Abenden ein ambitioniertes Kammermusikprogramm. Darunter etwa
Antonin Dvoráks Streichquartett „Zypresse“,
Felix Mendelssohn Bartholdys „Quartett a-Moll, op. 13“,
Alban Bergs „Vier Stücke für Klarinette und Klavier,
op.5“, Claude Debussys „Sonate Nr. 3 für Geige
und Klavier in g-Moll“, Klaviermusik von Schubert und Brahms
sowie Repertoire-Raritäten wie César-Auguste Francks „Klavierquintett
in f-Moll“. Drei Abende für Kenner und Liebhaber.
Nun existieren in der Schweiz Dutzende von Festivals und noch
mehr Banken. Warum also ein neues Festival gründen und finanzieren?
Für Alfredo Gysi, Vorstandsvorsitzender der Tessiner Privatkundenbank,
liegt das auf der Hand. Das Sponsoring bei BSI soll sich grundsätzlich
von dem anderer Bankinstitute unterscheiden. Man will kein Sponsor
im herkömmlichen Sinn sein, sondern ein Promoter. Man will
eigene Events schaffen. Für Gysi geht es nicht darum, „den
Brand millionenfach bekannt machen, es geht darum, mit den Kunden
eine gemeinsame Kommunikationsebene zu schaffen, außerhalb
der Finanzwelt“. Neben der bildenden Kunst hat die BSI klassische
Musik als Hauptfeld ihrer Sponsoringaktivitäten erkoren. So
erwarb die Bank vor nicht allzu langer Zeit die legendäre „Panetta“,
eine Guarneri del Gesù aus dem Jahr 1737, die ehemals im
Besitz von Isaac Stern war. Seit vergangenem Jahr steht sie Renaud
Capuçon zur Verfügung, der über sein neues Instrument
sagt: „Wenn mir früher bei meinem alten Instrument bereits
sehr viele Klangfarben zur Verfügung standen, dann sind es
jetzt Millionen von Klangfarben.“ Sein Bruder Gautier Capuçon
spielt ein Contreras-Cello von 1746, das ebenfalls im Besitz von
BSI ist. Die Motive der BSI für dieses Engagement sind nicht
rein mäzenatisch, sondern marktbezogen: „In der ganzen
Art zu kommunizieren, gehören wir mehr der lateinischen als
der nördlichen Kultur an“, erklärt Gysi. „Eine
Geige ist das schönste Symbol für das, was diese Kultur
in höchster Qualität generiert hat. Die Guarneri, die
Violine im allgemeinen, ist ein Symbol unserer Bank. Es gibt kaum
ein anderes Symbol, das so auf Anhieb verstanden wird. Insbesondere
auch in den Entwicklungsmärkten in Asien und Lateinamerika.“
Im Gegensatz zum Progetto Martha Argerich in Lugano, bereits
2002 von der BSI aus der Taufe gehoben, verdient die dreitägige
Kammermusikserie in St. Moritz den Namen Festival kaum. Doch die
Planungen für 2008 haben schon begonnen. Zur instrumentalen
Kammermusik wird das Lied hinzukommen. Auch eine neue Konzertreihe
mit jungen Künstlern ist geplant. Die Bank unterhält
auch ein Projekt „BSI Talent Programme“, das Stipendien
für junge Künstler zwischen 16 und 21 Jahren vergibt.
Diesen Musikern wird in Zukunft auf dem BSI-Festival in St. Moritz
eine Plattform geboten.
Die BSI will als Veranstalter des Festivals kein Geld verdienen.
Die Einnahmen diesen Winters gingen an die Musikschule Oberengadin
St. Moritz, die 2008 ihr vierzigjähriges Jubiläum begeht.
Doch auch im elitären Wintersportort St. Moritz hat die Musikerziehung
mit monetären Problemen zu kämpfen. Seit längerer
Zeit bemüht sich die Musikschule Oberengadin – eine
Schule mit insgesamt 600 Schülern – erfolglos um eine
geregelte Finanzierung durch die Gemeinden des Tals. So mussten
die Unterrichtsgebühren entsprechend erhöht und die Lehrerlöhne
eingefroren werden. Für die Jubiläumsaktivitäten
ist die Musikschule erst recht auf Sponsoren angewiesen. Die Tessiner
BSI schafft mit ihrer vielfältigen Musikförderung einen
interessanten Sponsoring-Spagat zwischen Hoch- und Breitenkultur.
Nachahmenswert.