nmz 2008/02 | Seite 28
57. Jahrgang | Februar
Musikbildung
Die besondere Oper
Luigi Cherubini: „Der Wasserträger“ (Les deux
journées)
Von Luigi Cherubinis knapp 30 Opern ist „Médée“ die
bekannteste, doch „Der Wasserträger“ von 1800
war Cherubinis erfolgreichste Oper und wurde zum musikhistorischen
Wegweiser. „Fragt ihr mich, welche Oper ich gut finde, so
nenne ich euch den ,Wasserträger‘, denn hier ist das
Sujet so vollkommen, dass man es ohne Musik als ein bloßes
Stück geben könnte, und man es mit Freuden sehen würde“,
urteilte Goethe über Cherubinis Werk. Beethovens einzige Oper „Fidelio“ wäre
ohne den „Wasserträger“ nicht denkbar, bereits
in der Ouvertüre ist die musikalische Verwandtschaft mit Beethovens
fünf Jahre später entstandenem Meisterwerk deutlich zu
hören.
Die Französische Revolution hatte sich die Werte „Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit“ auf die Fahnen geschrieben,
ihre Vertreter wandelten sich gleichwohl ebenfalls zu Tyrannen,
Unterdrücker und Revolutionäre waren nicht immer zu unterscheiden.
Vor diesem Hintergrund schuf Cherubini mit dem „Wasserträger“ eine „Rettungsoper“,
in der ein Vertreter des niedrigsten Standes mit Zivilcourage und
Humanität sich in den Dienst der Rettung eines verfolgten
Adeligen stellt. Cherubini verlegt die Handlung ins 17. Jahrhundert:
Als Kardinal Mazarin 1647 in Paris Erlasse verkündet, die
die Freiheit des Volkes stark einzuschränken drohen, weigert
sich das französische Parlament, die Erlasse zu ratifizieren.
Das Parlament wird aufgelöst, seine Mitglieder fliehen und
werden verfolgt. Der Wasserträger Mikéli verhilft dem
Grafen Armand und seiner Frau Constance zur Flucht, eine Geschichte
um Verfolgung, Angst, Treue, Liebe, Mut, bürgerliche Rebellion
und der Sehnsucht nach Freiheit entspinnt sich.
Formal gehört „Der Wasserträger“ sicher mit
seinen liedhaften Strophen-Airs und den Dialogen zwischen den Musiknummern
zur Gattung der Opéra comique. Doch Cherubini verstärkt über
drei Akte hinweg Kontraste, verbindet die Stilmittel der Opéra
comique mit denen der Tragédie lyrique, schöpft alle
orchestralen Mittel aus und baut Melodramen ein. Traditionelle
Formen wie das Strophen-Lied zu Beginn der Oper, in dessen Refrain
der moralische Leitfaden gepriesen wird, stellen ein musikalisches
Motiv vor, das später in gar nicht mehr harmlos-liedhaftem
Zusammenhang wiederkehrt. Ein düsteres Orchestervorspiel zum
zweiten Akt deutet auf die Bedrohung durch die Militär-Macht
hin, Soldaten werden als gefährliches Werkzeug der Herrschenden
gezeigt, die brutal in die Idylle einer Hochzeitsfeier eindringen.
Wie im „Fidelio“, so naht auch im „Wasserträger“ die
Rettung als „deus ex machina“ in der Gestalt des Titelhelden,
der die erlösende Botschaft der Begnadigung überbringt.
„
Der Wasserträger“ trat nach seiner Uraufführung
einen Siegeszug um die Welt an, er wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt,
in fast allen europäischen Staaten, in New Orleans und wahrscheinlich
in Indien gespielt. 30 Jahre lang war er ein Kassenschlager, bevor
die Oper 1830 mit der Geburt der französischen Grand Opéra
von den Spielplänen verschwand und erst im 20. Jahrhundert
wieder entdeckt wurde.
Zu erleben ist Cherubinis besondere Oper „Der Wasserträger“ Ostern
2008 im Schlosstheater Rheinsberg. Nach Bühnenwerken von Schulz,
Grétry, Gluck, Piccinni, Haydn und Reichardt aus der Entstehungszeit
des historischen Rheinsberger Schlosstheaters widmet sich die Bundesmusikakademie
Rheinsberg 2008 der Musik Luigi Cherubinis und bringt mit dem „Wasserträger“ den
größten musikalischen Erfolg des Komponisten auf die
Bühne des Schlosstheaters. Die Auswahl der Kompositionen für
das Schlosstheater liegt in Händen der Akademiedirektorin
Dr. Ulrike Liedtke, die Musikalische Leitung des „Wasserträgers“ haben
Christopher McMullen Laird und Yordan Kamdzhalov inne, den Chor
studiert Rustam Samedov ein, die Regie führt Simone Zeisberg-Meiser,
das Bühnenbild gestaltet Jens Hübner, die Technische
Direktion hat Oliver Nehring inne. Die Sänger und Sängerinnen
werden in bundesweit ausgeschriebenen Vorsingen ausgewählt.
Sie sind Studenten oder Hochschulabsolventen am Beginn ihrer Karriere.
Das im Jahr 2002 anlässlich der Opernproduktion „Paris
und Helena“ von Gluck an der Musik-akademie gegründete „Orchester
1770“ setzt sich aus Studierenden der beiden Berliner Musikhochschulen
zusammen. Den Chor bilden Studenten der Musikhochschulen in Berlin
und Rostock. Ostern und Pfingsten setzt die Musikakademie Rheinsberg
Höhepunkte in ihrem Spielplan des Schlosstheaters. Zu Pfingsten
erklingt zeitgenössische neue Musik, Ostern gehört der
alten Oper aus der Zeit der Rheinsberger Schlossanlage. Der Kartenverkauf
für den „Wasserträger“ läuft – gespielt
wird am 20., 22., 23., 29. und 30.3. sowie am 5. und 6.4.2008.
Kartenbestellungen sind möglich unter der Tel.-Nr. 033931/392
96.