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nmz-archiv
nmz 2008/02 | Seite 44
57. Jahrgang | Februar
Bücher
Konzepte gegen das Abschalten
Der erste Band der „Mediendialoge“ beim Lit Verlag
Peter Overbeck (Hg.): Musik und Kultur im Rundfunk – Wandel
und Chancen, Mediendialoge – Schriftenreihe des Instituts
LernRadio der Hochschule für Musik Karlsruhe, herausgegeben
von Peter Overbeck, Band 1, Lit Verlag, Berlin, 2007, E 19,90,
ISBN 978-3-8258-9645-4
Die Diskussion über die Krise der Kultur im Rundfunk kommt
in die Jahre. Ein Ende ist noch immer nicht in Sicht. Die Einschaltquoten
der Kulturwellen sind gleichbleibend schlecht mit einigen bescheidenen
Höhe- und mindestens so vielen Tiefpunkten. Es wird gekämpft
in Deutschlands öffentlich-rechtlichen Kulturbastionen. Mit
Programmreformen haben einige Kulturwellen der ARD in den letzten
Jahren große Einschnitte in ihrem Sendeablauf vorgenommen,
um neue Hörerschichten zu erreichen. Das Programm wurde bunter,
schneller, abwechslungsreicher. Auf den Genuss einer kompletten
Sinfonie am Nachmittag muss der geneigte Hörer aber seither
verzichten. Dieser von manchen Hörern unerwünschte „Abrieb“ hat
aber auch Raum für neue Konzepte und Radioformate geschaffen,
die in ARD-Kulturwellen bis dahin undenkbar waren.
Peter Overbeck, stellvertretender Institutsleiter und Redaktionsleiter
beim Institut LernRadio der Hochschule für Musik Karlsruhe,
hat diesem Thema den ersten Band einer neuen Schriftenreihe zu
musikjournalistischen Themen gewidmet, die das Lernradio im letzten
Jahr gestartet hat. Dabei kommen die Radio- und TV-Redakteure selbst
zu Wort, die ihre Sendungen „taktlos“, „19.4“, „WDR
3.pm“, „DASDING“ sowie die DW-TV-Reihe „Kent
Nagano dirigiert Monumente der Klassik“ vorstellen. Mit ihren
Formaten suchen sie nach Wegen, Kulturthemen so aufzubereiten,
dass diese beim Hörer keinen Abschaltreflex mehr erzeugen.
Am frischesten klingt das beim Beitrags-Format „SMS ShortMusicStories
oder Musik für Einsteiger“, das 2005 von Studenten des
Lernradios zusammen mit dem SWR entwickelt wurde. Mit diesen knapp
zehnminütigen Radiobeiträgen, die Musikthemen auf breitester
Front behandeln, nahmen die Studenten direkt die podcast-affine,
aber im Musikunterricht alleingelassene Zielgruppe der Jugendlichen
ins Visier und stießen dabei auf große Resonanz. Daneben
präsentieren auch WDR („DASDING“) und BR („19.4“)
ihre innovativen Jugendformate („19.4“ hat im Januar
2008 seine eigene Programmreform vollzogen und heißt nun „U21 – Wir
auf Vier“. Im vorliegenden Buch ist dieser Neustart leider
nicht berücksichtigt; Anm. d.A.). Aus den Texten liest man
deutlich das Bemühen der Redaktionen um ein thematisch breit
angelegtes Angebot heraus. Man will der Jugend einerseits die Scheu
vor der Musik der Eltern nehmen und andererseits die Musik der
aktuellen Jugendkultur aufgreifen. Betont wird dabei immer wieder
die Wichtigkeit einer Vernetzung von Radio und Internet, so weisen
die meisten Redakteure ausdrücklich auf begleitende Online-Angebote
der Sendungen hin und auch dem Klassikportal des Bayerischen Rundfunks
wird ein eigener Text gewidmet.
In einem zweiten Teil des Buches ist der Wortlaut zweier Gesprächsrunden
nachzulesen, die 2005 in der Hochschule für Musik Karlsruhe
stattgefunden haben. Dabei diskutieren Medienvertreter mit den
Autoren über Zukunftsvisionen für Kultur im Rundfunk.
Als interessanten Zusatz zum Kapitel über die Live-Talk-Sendung „taktlos“,
die der Bayerische Rundfunk zusammen mit der nmz produziert, stellt
Overbeck ans Ende des Buches die Transkription einer Sendung aus
dem Jahr 2006.
Dass diese Ansätze für die Radiolandschaft der Zukunft
von ihren Machern selbst vorgestellt werden, bedingt, dass es sich
bei der Textsammlung nicht um eine kritische Auseinandersetzung
handeln kann. Vielmehr ist sie eine informative Bestandsaufnahme
mehr oder weniger innovativer Formate, die von den öffentlich-rechtlichen
Sendern in den letzten Jahren entwickelt worden sind.