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nmz-archiv
nmz 2008/02 | Seite 43
57. Jahrgang | Februar
Rezensionen - DVD
Alle Wege führen nach Liverpool
Endlich auf DVD: The Beatles in „Help!“ & McCartneys Musikvideos
Sie spukten in den vergangenen Wochen mal wieder durch alle Gazetten:
The Beatles. Über Paul McCartneys Rosenkrieg las man in den
Klatschspalten. Ringo Starr eröffnete mit einem Schlagzeugsolo
die Feierlichkeiten in der Europäischen Kulturhauptstadt 2008,
Liverpool. Und der Beatles-Musikkatalog spielte eine nicht unwesentliche
Rolle im Spiel um den schwer angeschlagenen Musikriesen EMI, der
einstigen Mutterfirma der Fab Four. McCartney hatte den sinkenden
Musikdampfer bereits im letzten Jahr verlassen und war nach 45
Jahren zu Starbucks gewechselt. Im Schatten all dieser News standen
zwei exzellente Veröffentlichungen, die nur den Musikmagazinen
einige Zeilen wert waren: die DVD-Premiere des lange verschwundenen
zweiten Beatles-Spielfilms „Help!“ (EMI) und die famose
Macca-Werkschau „The McCartney Years“ (Warner).
„ When I look back, it sure was cool/For those four boys
from Liverpool“, singt Ringo Starr auf seinem neuen Album „Liverpool
8“. Wieder einmal beschwört ein Beatle die guten alten
Zeiten, als auch hierzulande „Pilzkopfkapellen wie Pilze
aus dem Boden“ schossen, wenn man einem deutschen Fernsehkommentator
aus den Sixties glauben darf. Irgendwie konnte damals noch kaum
jemand in den deutschen Medien mit dem Phänomen Beatles etwas
anfangen.
Der zweite Film der Beatles, „Help!“, trug bei uns
den albernen Titel „Hi-Hi-Hilfe!“. In Anlehnung an „Yeah!
Yeah! Yeah!“, den man für den Vorläufer „A
Hard Day’s Night“ gewählt hatte. Nachdem dieses
zweite Meisterwerk von Richard Lester eine halbe Ewigkeit aus rechtlichen
Gründen vom Markt verschwunden war, gibt es nun endlich ein
Wiedersehen mit diesem Pop-Art-Stück.
Im Booklet zum vorzüglich restaurierten „Help!“ (mit
30-minütigem Making-of) singt Martin Scorsese, dessen Rolling
Stone-Film „Shine A Light“ die Berlinale eröffnen
wird, ein Loblied auf diesen unglaublich einflussreichen britischen
Film, der konzipiert wurde von Richard Lester. Als „Citizen
Kane“ der Jukebox-Musicals bezeichnete damals ein amerikanischer
Kritiker zurecht seine schwarzweiße Pseudo-Doku „A
Hard Day’s Night“. Cineasten verglichen die Fab Four
mit den Marx Brothers. Und wie in den Filmen der Marx-Brüder
waren die Plots der Beatles-Vehikel vollkommen nebensächlich
(in „Help!“ dreht sich alles um Ringos Ring). Schon
Lesters Debütfilm gab das Motto vor: „The Running Jumping
Standing Still Film“. Bewegung ist alles bei Lester, wie
in Slapstickzeiten. Dazu kommt eine sehr moderne Filmsprache, die
Elemente von Godard mit Frank Tashlin mixt.
Fast wie in Cartoons bewegen sich die Beatles in Lesters Zeichenwelten.
Nur wenn die Beatles musizieren, sind sie ganz bei sich. Und so
können all die Musiknummern, wie in Busby Berkeley-Zeiten,
ganz für sich allein bestehen. Unglaublich lässig inszeniert
Lester Songs wie „You’ve Got To Hide Your Love Away“ oder „Ticket
To Ride“. Wie eine Sammlung von Videoclips funktioniert „Help!“ so
dann auch. Promoclips, die für die Beatles werben, den Film
und den Regisseur dieses perfekt durchchoreografierten Werks. Scorsese
nennt „Help!“ in einem Atemzug mit Resnais’ „Letztes
Jahr in Marienbad“, Truffauts „Fahrenheit 451“ und
Antonionis „Blow-Up“. Und irgendwie gehört Lesters „Help!“ tatsächlich
in diese Reihe von großen europäischen Filmen der Sixties.
Wie eine frische Brise wirkt Lesters filmischer Drive von 1965.
Ein Drive, den man heute im Kino oft schmerzlich vermisst.
Nachdem Paul McCartney 1970 die Trennung der Fab Four verkündet
hatte, hieß einer seiner ersten Hits merkwürdigerweise „Hi!
Hi! Hi!“ Daran erinnert nun eine 3-DVD-Box mit Video-
clips, Konzerten und Dokumentationsmaterial aus fast vier Jahrzehnten Macca-Geschichte.
Ob sich der Refrain damals ironisch an den deutschen „Help!“-Titel
anlehnte, erfahren wir nicht. Aber wir erleben zum Beispiel Paulchen in den
legendären Abbey Road-Studios. Eine halbe Stunde erzählt er uns in „Creating
Chaos at Abbey Road“ alte Anekdoten und singt uns alte Beatles-Lieder
vor wie „Blackbird“ oder „Lady Madonna“ (diesmal nicht
im hämmernden New-Orleans-Style, sondern als Ballade).
Viele der Lieder aus den siebziger Jahren hat man fast schon
vergessen. Und so freut man sich besonders, wenn man zum ersten
Mal die frühen Promoclips zu „Maybe I’m Amazed“ oder „Heart
of the Country“ sieht. So relaxt wie bei diesem Countrysong
hat man danach den Meister selten wieder gehört. Und wenn
man Mitte der Seventies noch geglaubt hatte, er habe „Band
on the Run“ über seine damalige Band Wings geschrieben,
wird man jetzt eines besseren belehrt. Im Video von damals sieht
man im Monty-Python-Stil nur immer wieder die Fab Four, als Liverpooler
Pilzköpfe oder im Sgt.-Pepper-Outfit. Und noch eine weitere
Ikone der Sixties geistert hier herum, Brian Epstein, der Mann,
der die Beatles einst berühmt gemacht hatte.
Viktor Rotthaler
The McCartney Years
3 DVDs, 375 Min. Spielzeit
Warner