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nmz-archiv
nmz 2008/02 | Seite 44
57. Jahrgang | Februar
Noten
Cellistisch durch die Jahrhunderte
Abwechslungsreiche Violoncello-Literatur von Bach bis zum Tango
Apasionado
Johann Sebastian Bach: Sechs Suiten für Violoncello solo, BWV 1007–1012, herausgegeben von Egon Voss. Henle HN 666,
ISMN M-2018-0666-2
Hier treffen wir auf eine sehr gründlich überarbeitete
und mit einem ausführlichen Vorwort (unter anderem zur Quellenlage)
sowie einem Anhang mit zahlreichen Bemerkungen zu Phrasierung und
Artikulation versehene Ausgabe auf der Grundlage der Abschrift
von Anna-Magdalena Bach. Sie enthält eine unbezeichnete Urtextstimme
sowie eine Stimme mit sparsam verwendeten Fingersätzen und
Strichbezeichnungen von Reiner Ginzel. Beide praktische Stimmen
enthalten die originale Skordatur-Version sowie eine Umschrift
in klingende Notation. Die ausgezeichnete Lesbarkeit wird zusätzlich
unterstützt durch eine sehr intelligent gelöste Aufteilung
des Notentextes. Die Spielstimme für die sechste Suite beschränkt
sich auf eine Einrichtung für das moderne Cello, die leichte
Eingriffe in die Textgestalt der Akkorde notwendig machten. Die
authentische Form findet sich im Urtext-Teil.
Johann Sebastian Bach: Drei Sonaten
für Viola da gamba und
Cembalo, G-Dur, D-Dur, g-Moll, BWV 1027–1029, herausgegeben
von Ernst-Günter Heinemann. Henle HN 676,
ISMN M-2018-0676-1
In jeder Hinsicht ist auch dies eine gelungene Neuausgabe von
Bachs Gambensonaten, die eine wichtige Bereicherung für das Repertoire
der tieferen Streichinstrumente darstellen. Neben der Spielstimme
für das Originalinstrument (Fingersatz und Strichbezeichnung
von Rainer Zipperling) ist auch eine separate Spielstimme für
Violoncello enthalten (eingerichtet von Claus Kanngießer).
Die Cembalostimme wurde von Klaus Schilde mit Fingersätzen
versehen. Im Vorwort geht der Herausgeber auf die Entstehungsgeschichte
der als Einzelwerke komponierten und überlieferten Sonaten
ein, im Anhang finden sich zahlreiche Bemerkungen zur Quellenlage.
Die ausgezeichnete Lesbarkeit wird zusätzlich unterstützt
durch eine sehr intelligent gelöste Aufteilung des Notentextes.
Bachs Cello-Opus ist als Spielliteratur ab der oberen Mittelstufe
einsetzbar.
Antonio Vivaldi: Sonate a-Moll für Violoncello und B.c., op. 14 N°3, RV 43 (mit Play along CD), herausgegeben von Josef
Hofer. Dowani DOW 3502, ISMN M-700-23219-1
Diese zum Standardrepertoire eines jeden Cellisten zählende
Sonate ist in der vorliegenden Ausgabe mittels beiliegender CD
auf vorbildliche Art und Weise methodisch aufbereitet. Zu hören
sind zunächst die Konzertversionen der einzelnen Sätze.
Zum (Play-Along-)Üben ist dann jeweils die Klavierstimme zu
hören, bei den schnellen Sätzen sogar in drei unterschiedlichen
Tempi: langsames, mittleres und Originaltempo. Da macht das Üben
einfach Spaß! Die Fingersätze und Striche der Cellostimme
wurden von dem in Liechtenstein lebenden Cellisten und Pädagogen
Josef Hofer eingerichtet und sind ausgesprochen hilfreich (ab
Unterstufe 2).
Edvard Grieg: Sonate op. 36 in
a-Moll und andere Werke für
Violoncello und Klavier, herausgegeben von Ernst-Günter Heinemann.
Urtext, Henle HN 790.
Erschienen 1883, erfreut sich diese Sonate nach wie vor großer
Beliebtheit und dürfte wohl jedem Cellisten, der auf sich
hält, bekannt sein. Im Vorwort dieser sorgfältig bearbeiteten
Neuauflage erfährt man höchst interessante Details zur
Entstehungsgeschichte: Gewidmet dem drei Jahre älteren Bruder
John, der in Leipzig Cello studierte, bestritt Edvard Grieg die
Uraufführung im Oktober1883 im Dresdner Tonkünstlerverein
gemeinsam mit Friedrich Grützmacher, noch im gleichen Monat
erfolgte die Leipziger Erstaufführung gemeinsam mit Julius
Klengel. Die letzte Aufführung mit ihm selbst am Klavier fand
im Mai 1906 in Amsterdam statt, ein Jahr vor seinem Tod – am
Cello: der damals 30 Jahre alte Pablo Casals. In den abschließenden
Bemerkungen finden sich überdies sehr detaillierte Hinweise
zu den zahlreichen Revisionen, die Grieg selbst im Laufe der
Zeit vorgenommen hat.
Die vorliegende Ausgabe enthält noch ein frühes Intermezzo
aus dem Jahre 1866 und zusätzlich – als Erstausgabe! – Griegs
eigenhändige Transkription des Allegretto aus seiner
Vio-linsonate op. 45, entstanden als Geburtstagsständchen
für den cellospielenden Bruder John. Die Klavierstimme wurde
von Einar Steen-Nökleberg eingerichtet, Fingersatz und Streichbezeichnungen
der Cellostimme stammen von David Geringas. Fazit: Wer Cello
spielt und Grieg mag, kommt an dieser Neuausgabe nicht vorbei,
eine Anforderung
ab der oberen Mittelstufe.
Tristan Schulze: Tango Apasionado
für Violoncello und Klavier.
Doblinger 03831
Mit dem vorliegenden circa fünfminütigen „Tango
apasionado“ gelang dem Komponisten ein ebenso temperamentvolles
wie kurzweiliges Stück, das alles hat, was man sich von dem
Genre verspricht: glutvolle Rhythmik, beseeltes Timing, schwülstig-dichte,
bisweilen dramatische Harmonik. Durchgehend im Violinschlüssel
notiert und nur auf der A-Saite zu spielen, verlangt der Cellopart
zunächst ein sicheres Spiel in allen Halslagen einschließlich
der fünften Lage. Im weiteren Verlauf schwingt sich die Melodie
hinauf in den Tonraum bis zum a’’. Wer die Daumenlage
noch nicht beherrscht, möge eine Oktave tiefer transponieren
oder besser noch, sich spätestens jetzt motiviert fühlen,
sie anhand dieses sehr dankbaren Stückes zu erlernen – es
lohnt sich, empfehlenswert ab Mittelstufe.
Felix Battanchon: Souvenir de
Beethoven op. 8 für Violoncello
und Klavier, herausgegeben von Holger Best.
Hofmeister FH 2946,
ISMN M-2034-2946-3
Eigentlich eine Bearbeitung, uraufgeführt 1857 in Leipzig,
die auf den Variationssatz (Thema – Andante quasi Allegretto)
aus Beethovens Streichtrio op. 8 zurückgeht, das um 1796/97
entstanden ist. Das musikalische Material ist bis auf das Finale
identisch, während aber bei Beethoven die Streicher ihre thematische
und begleitende Rolle wechseln, liegt das Thema bei Battanchon
immer beim Cello. Dem Notentext vorangestellt ist ein Vorwort mit
biographischen Angaben über den wenig bekannten Komponisten
Felix Battanchon, im abschließenden kritischen Bericht weist
der Herausgeber sorgfältig alle vorgenommenen Veränderungen
beziehungsweise Korrekturen nach. Das Thema mit seinen vier teils
virtuos gearteten Variationen und dem von fulminanten Arpeggien
geprägten Finale verlangt auch dem versierten Cellisten einiges
Können ab (ab Mittelstufe 2). Das Werk ist spieltechnisch
jedenfalls deutlich höher anzusiedeln als die bekannten Variationswerke
Beethovens und stellt eine lohnenswerte Herausforderung dar, insbesondere
für diejenigen, die schon immer der Meinung
waren, dass die Klassik eindeutig zu wenig kammermusikalische Literatur
für diese Besetzung hervorgebracht hat.
Sophie Seibt: Drei Romanzen op.
1 für Violoncello (Violine)
und Klavier.
Eres 1949, ISMN M-2024-1949-6
Die vorliegenden drei Romanzen (1. Moderato, 2. Andante con
moto, 3. Poco agitato) der aus Köln stammenden Komponistin (19.
Jh., Lebensdaten unbekannt) wurden erstmals um 1843 vom Kölner
Verlag Eck u. Comp. als op. 1 gedruckt und stehen als getragene,
melodiöse Charakterstücke den Mendelssohn’schen „Liedern
ohne Worte“ nahe. In ihrem sehr lesenswerten Begleittext
(u.a. zur Rolle komponierender Frauen in dieser Epoche) verweist
Freia Hofmann auf eine Rezension in der Neuen Zeitschrift von 1844.
Gelobt wurden die Romanzen hier als „lyrische Stücke
mit meist weicher elegischer Färbung, in denen die Gemüthssprache,
der gefühlreiche Gesang das Hauptelement, alles Virtuosenhafte
mithin ausgeschlossen“ sei, hervorgehoben wurde ferner „die
bei aller Einfachheit reiche Harmonik.“ Diesem Lob kann man
sich meines Erachtens auch aus heutiger Sicht vorbehaltlos anschließen.
Geeignet erscheinen diese Stücke für die obere Mittelstufe.
Der Ausgabe liegt eine Spielstimme für Violoncello sowie für
Violine bei (jeweils ohne Strichbezeichnungen und Fingersätze
für den praktischen Gebrauch). Amüsant: die französische
Karikatur auf das Violoncellospiel von Frauen aus dem Jahre 1847
auf der Rückseite der Klavierstimme.