[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz
2008/02 | Seite 37
57. Jahrgang | Februar
Deutscher Musikrat
Wir sind ein Nischenprodukt mit großen Namen
Das Dirigentenforum des Deutschen Musikrats – ein Interview
mit Andreas Bausdorf
Auswahldirigieren, Förderstufen, Künstlerliste – dem
Laien erschließt sich die Struktur des Dirigentenforums,
einem Projekt des Deutschen Musikrates, nicht auf Anhieb, umgekehrt
sind die Namen, die aus diesem Projekt hervorgehen, jedoch dem
Laien durchaus geläufig. Wie
funktioniert das Dirigentenforum, das seit 1991 renommierte Orchesterdirigenten
aus seinem Förderprogramm entlässt und nun auch das Chordirigieren
verbessern will? Über die Ausweitung der Dirigierzone, große
Namen und kleine Förderschritte sprach Susanne Fließ mit
dem Projektleiter Andreas Bausdorf.
neue musikzeitung: Wie erreicht das Projekt Dirigentenforum seine
Stipendiaten? Die dirigentische Ausbildung steht ja nicht halb
so sehr im Fokus der Öffentlichkeit wie die Ausbildung an
einem Instrument. Andreas Bausdorf: Unsere Zielgruppe sind junge Musiker, die sich
professionell mit dem Orchesterdirigieren befassen, in der zweiten
Hälfte des Studiums sind oder gerade am Theater begonnen haben.
Wir haben engen Kontakt zu den Hochschulen und richten unsere Meisterkurse
gemeinsam mit Theatern und Orchestern aus. Unterstützung erhalten
wir von Partnern wie der DOV, GVL, den Verlagen Breitkopf & Härtel
und Bärenreiter. Unsere periodisch erscheinende Zeitschrift „Mitteilungen“ bewirkt
erfreuliche Resonanz in der Szene, und da wir einen der höchstdotierten
Preise weltweit in vergeben, klappt es mit der Aufmerksamkeit hervorragend.
Deshalb sehen wir so gut wie alle Dirigierstudenten einmal als
Bewerber für das Dirigentenforum.
nmz: Seit wann gibt es das Dirigentenforum
und seit wann den Deutschen Dirigentenpreis? Bausdorf: Das Dirigentenforum ist ein Produkt
aus der Zusammenführung
der Dirigentenförderung in Ost- und Westdeutschland und seit
1991 ein Projekt des Deutschen Musikrats.
In Ostdeutschland geht die Initiative auf Kurt Masur zurück,
der den Nachwuchs durch Dirigierkurse bei Profiorchestern fördern
und auch für Wettbewerbe außerhalb der DDR weiter qualifizieren
wollte. Diese Idee ist von meinem Vorgänger erfolgreich mit
der im Westen existierenden Förderung im Rahmen der BAKJK
unter dem Dach des Musikrates zum Dirigentenforum vereinigt worden.
Der „Preis des Dirigentenforums“ wurde erstmals 1995
an Marc Piollet vergeben. Im Jahr 2006 konnten wir mit der BHF-Bank-Stiftung
eine dauerhafte Partnerschaft vereinbaren, in dem wir den „Preis
des Dirigentenforums“ und den von der Stiftung bis dahin
ausgeschriebenen „Bad Homburger Dirigentenpreis“ zum „Deutschen
Dirigentenpreis“ zusammengeführt haben. Die Stiftung
stellt aus eigenen Mitteln allein 35.000 Euro Preisgelder bereit,
auch, um unserem Konzept der nachhaltigen Förderung verstärkt
Ausdruck zu verleihen. 2009 steht die nächste Vergabe unter
Mitwirkung des Konzerthaus-Orchesters Berlin und dem Juryvorsitzenden
von Lothar Zagrosek an. Wir sind stolz, dass wir verlässliche
Partner für die Förderung gewinnen konnten und registrieren
natürlich, dass die publicity dieses Preises mit den hohen
Preisgeldern gestiegen ist.
nmz: Nun kann man ja als Dirigent
nicht allein zuhause üben,
sondern benötigt ein Orchester. Wie werden diese Orchester
gefunden? Bausdorf: Das „Instrument“ des Dirigenten ist das Orchester,
und für eine erfolgreiche Entwicklung sind Dirigenten auf
Arbeit mit Profiorchestern angewiesen. Mit einigen Klangkörpern
wie zum Beispiel dem MDR-Sinfonieorchester verbindet uns eine kontinuierliche
Zusammenarbeit, die von Fabio Luisi angeregt wurde und nun von
Jun Märkl fortgesetzt wird. Hinzu kommen ehemalige Stipendiaten
wie Marc Piollet oder Georg Fritzsch, die genau wissen, wovon sie
selbst profitiert haben und nun ihre Erfahrung an die nächste
Generation weitergeben wollen. Über die Jahre sind so mit
weit über sechzig Orchestern allein in Deutschland Beziehungen
entstanden.
nmz: Wie ist das Dirigentenforum
strukturiert? Bausdorf: Um als Stipendiat aufgenommen zu werden,
muss man sich mit einem Video bewerben und einige weitere Kriterien
erfüllen.
Jedes Jahr haben wir rund 50 Bewerber, von denen nach dem Auswahldirigieren
etwa zehn Prozent aufgenommen werden. Die Förderung ist in
drei Stufen gegliedert, jede dieser Stufen dauert maximal zwei
Jahre und muss vor einer Jury abgeschlossen werden. Die Anforderungen
steigen kontinuierlich
und am Ende der dritten Stufe kann der „Deutsche Dirigentenpreis“ vergeben
werden.
nmz: Hat das Dirigentenforum in
Deutschland eigentlich Alleinstellung? Bausdorf: So weit ich das überblicke, gibt es zwar internationale
Masterclasses, die man ohne Zugangsvoraussetzungen und gegen Entrichtung
hoher Teilnehmergebühren besuchen kann, aber eine Einrichtung,
die Dirigenten über einen längeren Zeitraum in solcher
Qualität betreut, gibt es tatsächlich nur in Deutschland,
vermutlich sogar weltweit. Selbst international renommierte Profis
wie Colin Metters von der Royal Academy in London oder der legendäre
Dirigierlehrer Jorma Panula trauten ihren Ohren kaum, als wir sie
engagierten und sie erstmals von diesem Förderprogramm hörten.
nmz: Das Dirigentenforum plant
für 2008 als neues Segment
das Chordirigieren? Welche Überlegungen stehen dahinter? Bausdorf: Basis unserer Überlegungen war die Feststellung,
dass es bei den deutschen Rundfunkchören kaum noch Chefdirigenten
gibt, die aus der hiesigen Ausbildung stammen. Hier scheint sich
eine Lücke aufzutun, die wir helfen möchten zu schließen.
Da der Laienbereich im Chorwesen im Vergleich zum professionellen
Bereich riesig ist, senden wir auch ein Signal in die Laienchormusik
hinein und haben die Hoffnung, dass sich unsere Aktivitäten
auf lange Sicht auch positiv auf die Laienszene auswirken wird.
Als Partner für dieses neue Projekt konnten wir den RIAS Kammerchor
gewinnen. Ende April werden die Stipendiaten nach einem ersten
Auswahldirigieren mit dem Philharmonischen Chor Berlin feststehen.
nmz: Ist die Erweiterung des Projektes
mit den bestehenden Bordmittel zu leisten? Bausdorf: Der Beauftragte für Kultur und Medien fördert
unsere bisherigen Aktivitäten, wofür ich im Namen all
der Stipendiaten einmal ausdrücklich Dank sagen möchte.
Darüber hinaus ist uns eine Anschubfinanzierung zugesichert,
so dass wir das neue Segment zunächst bis ins Jahr 2009 ausdehnen
können. Was danach kommt, ist offen, doch wir planen zwei
Förderstufen und sind glücklich, dass die Deutsche Orchestervereinigung
bereits einen Preis in Aussicht gestellt, der in Zusammenarbeit
mit dem RIAS Kammerchor vergeben wird.
nmz: Ein Meisterkurs mit Kurt Masur
ist für 2008 ebenfalls
geplant? Bausdorf: Kurt Masur gilt ja quasi als der Ur-Vater
des Dirigentenforums und hat sich Zeit seines Lebens für den Nachwuchs engagiert.
In seiner Funktion als Vorsitzender des Beethovenhauses Bonn setzt
er sich nun dafür ein, junge Dirigenten an die Quellen der
Beethoven-Literatur heranzuführen. Für zwei Tage erhalten
die Stipendiaten im Beethoven-Haus Einblick in die Forschung und
nehmen dann an einem Meisterkurs mit dem Beet-
hoven-Orchester unter Masurs Leitung teil.
Am Ende wird ein – bereits ausverkauftes – Konzert
in der Beethovenhalle stehen, in dem Masur und die Stipendiaten
die 3. und 4. Sinfonie dirigieren. Ein umfassendes Konzept also,
ausgehend von den Autographen bis hin zur Aufführung der Werke.