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nmz-archiv
nmz 2008/02 | Seite 32
57. Jahrgang | Februar
Jeunesses Musicales Deutschland
Auf Bildungsreise im Schloss
Das Seminar „Mitverantwortung im Jugendorchester“
Hannah Kentouche und Martha Vogel vom Jugendorchester der Musik-
und Kunstschule Jena nahmen im Jahr 2007 am Seminar „Mitverantwortung
im Jugendorchester“ teil. Insgesamt elf Jugendorchestermitglieder
hatten sich zum Seminar angemeldet und reisten insgesamt für
drei Wochenenden nach Weikersheim. Großzügig unterstützt
wurde das Seminar von der Hertie-Stiftung. In Weikersheim arbeiteten
die Teilnehmer mit jeweils unterschiedlichen Dozenten. Hier ein
Bericht der beiden Musikerinnen:
Am 9. März 2007 machten wir uns das erste Mal auf den Weg
nach Weikersheim. Während der Zugfahrt von Jena zum Sitz der
Jeunesses Musicales Deutschland wuchs unsere Neugier auf das erste
Wochenende des Seminars „Mitverantwortung im Jugendorchester“.
Dem Seminar-Flyer konnten wir die Themen des Wochenendes, Führung
und Selbstverantwortung, Selbstorganisation und Musik, entnehmen.
Nach circa vier Stunden Fahrt kamen wir im kleinen Weikersheim
an und gingen zu dem im Schlosspark gelegenen Gärtnerhaus,
in dem die Begrüßung und Einführung durch den Seminarleiter
Uli Wüster stattfand. Die weiteren Teilnehmer aus den verschiedensten
Jugendorchestern Deutschlands waren bereits anwesend. Nach dem
leckeren Abendessen im Logierhaus begann Andreas Schultze-Florey
mit uns Musik zu machen. Dabei standen unsere unterschiedlichen
Instrumente und unser Können nicht im Vordergrund. Vielmehr übten
wir das Zusammenspiel, den gemeinsamen Einsatz und das Wahrnehmen
des Gespielten. In den folgenden zwei Tagen setzten wir die Arbeit
daran fort und lernten musikalisch zu führen. Jeder Teilnehmer
sollte eine Probe leiten und die Gruppenmitglieder gaben dem jeweiligen
Probenleiter anschließend ein konstruktives Feedback. Das
richtige Maß an Lob und Kritik war hier gefragt. Andreas
Schultze-Florey konnte uns mit seiner langjährigen Orchester-Erfahrung
als Fagottist des Staatsorchesters Hannover viele nützliche
Hinweise und Impulse für unsere Orchesterarbeit geben.
Matthias Ilkenhans erläuterte Inhalte, die zur Führung
von Gruppen, also auch von Jugendorchestern nützlich sind.
Wir diskutierten, welche Qualitäten Menschen brauchen, die
führen wollen. Außerdem zeigte er uns verschiedene Arbeitstechniken
wie zum Beispiel die Kartenabfrage, mit deren Hilfe man Meinungsbilder
von Gruppen erfassen kann. Als Leiter der NDR-Radiophilharmonie
hat Matthias Ilkenhans selbst eine Führungsrolle inne. So
konnte er uns aufschlussreich und inhaltsvoll informieren.
Uli Wüster, der Generalsekretär der JMD, brachte uns
Grundlagen der Selbstorganisation bei. Die Funktion des Büros
und die Aufgaben der damit Arbeitenden standen zunächst im
Vordergrund. Dabei wurden die Grundlagen für ein zielorientiertes
Projektmanagement gelegt. Für die Seminarteilnehmer bestand
immer die Möglichkeit, eigene Erfahrungen einzubringen und
sich mit den andern auszutauschen. Gemeinsam suchten wir nach Ideen
für Projekte, die wir in unseren Orchestern durchführen
wollten. Außerdem stellte uns Uli Wüster die e-community
der JMD vor. Diese Internet-Plattform sollte den Austausch über
die bearbeiteten Aufgaben während der Praxisphase in den Heimatorchestern
ermöglichen. Das Forum wurde zur Kommunikation der Teilnehmer
untereinander und mit den Dozenten eingesetzt. Mit Vorfreude auf
das nächste Wochenende und einem Gruppenfoto verabschiedeten
wir uns am Sonntag aus Weikersheim.
Am 11. Mai 2007 war es wieder soweit. Wir betraten erneut das
Schloss von Weikersheim. Unsere Seminargruppe wuchs um drei neue
Jugendorchestermusikerinnen.
Diesmal berichteten wir von den laufenden Projekten in unseren
Orchestern. Wir in Jena hatten noch mehrere Möglichkeiten
zur Auswahl und entschieden uns schließlich für die
CD-Produktion einer selbst geschriebenen Geschichte mit kleinen
eigens komponierten Werken. Diese war anlässlich unserer Teilnahme
an dem von der Jeunesses Musicales ausgerufenen Deutschen Jugendorchesterpreis
entstanden. Das Projekt sollte möglichst während der
Laufzeit des Seminars realisiert werden. Uli Wüster erarbeitete
mit uns einen Leitfaden zur Projektplanung. Diesen konnte jeder
Teilnehmer für sein geplantes Projekt anwenden. Unser Musikdozent
für dieses Wochenende war der Posaunist Michael Büttler.
Auch für ihn ging es vor allem um das Zusammenspiel im Ensemble,
und wir machten viele praktische Übungen zu Atmung und Haltung.
Er zeigte uns, dass die Wahrnehmung sowohl der eigenen Person als
auch der anderen Mitspieler eine entscheidende Rolle spielt. Des
Weiteren gab er uns eine kurze Einführung in die Alexandertechnik.
Das Thema „Demokratie im Orchester“ stellte uns Ulf
Werner vor. Er präsentierte uns die Organisation der Jungen
Deutschen Philharmonie als Beispiel für ein demokratisch organisiertes
Orchester. Er klärte uns auch darüber auf, dass die Demokratie
in deutschen Kulturorchestern nicht wirklich von Bedeutung ist
und dass ein Orchestermusiker wenig Mitspracherecht hat. Ulf Werner
bestärkte uns darin, bewusst Demokratie in unseren Jugendorchestern
anzuwenden. Die Möglichkeiten, die ein Jugendorchester für
jeden Mitspieler an Mitgestaltung bietet, sollten wir aufgreifen
und nutzen. Bereits wenige Wochen später sahen wir Ulf Werner
an seinem Arbeitsplatz im Konzerthaus in Berlin wieder. Auf seine
Empfehlung hin hörten wir uns ein faszinierendes Konzert an.
Die nächste Praxisphase sollte erst im November stattfinden.
Jetzt war das selbstständige Organisieren der eigenen Projekte
an der Reihe. Wir überlegten, dass unsere CD-Aufnahme entgegen
unserem Vorhaben erst im Februar 2008 stattfinden sollte, da uns
vorher nicht genügend Probenzeit zur Verfügung stand.
Die Aufnahmen sollen im eigenen Tonstudio unserer Musikschule gemacht
werden.
Am 9. November ging es zum finalen Treffen unseres Seminars.
In der letzten Präsenzphase standen erneut Selbstorganisation
und musikalische Aufgaben auf dem Programm. Außerdem wollten
wir uns mit Kommunikation und Redekunst auseinandersetzten.
Mit Uli Wüster besprachen wir die einzelnen Projekte und präsentierten
die bisherigen Arbeitsergebnisse. Für jedes Projekt schloss
sich eine Zwischenauswertung an. Außerdem erfuhren wir einiges über
günstige Taktiken für das Werben von Sponsoren.
Das Leiten von Stimmproben übten wir mit Barbara Bultmann,
der Konzertmeisterin des Ensemble Resonanz. Wir besprachen, wie
viel Verantwortung für eine Gruppe bei dem Stimmführer
liegt und welche Aufgaben ihm zufallen. Auch die Bedeutung der
Sitzordnung im Orchester diskutierten wir. Am Sonntag konnten wir
große Fortschritte bezüglich des gemeinsamen Musizierens
unserer Gruppe feststellen. Wir kannten uns nun schon länger;
das wirkte sich auch auf die Qualität des Zusammenspiels aus
und steigerte unsere Freude.
Barbara Haack von der neuen musikzeitung schulte uns im geschickten
Reden. Wir besprachen, welche Kriterien einen guten Redner ausmachen
und welche Vorteile es bietet, die Redekunst zu beherrschen. Wir
lernten, dass ein guter Redner nicht nur durch Sprache und Inhalt überzeugend
wirkt. Auch ein fester Stand und das richtige Sprechtempo sind
von großer Wichtigkeit. Jeder Teilnehmer musste am letzten
Seminartag seine eigenen Fähigkeiten präsentieren und
eine fünfminütige Rede halten. Die Seminarteilnehmer
waren Publikum und Kritiker zugleich. Barbara Haack konnte uns
viele hilfreiche Tipps für freies, überzeugendes Sprechen
geben, die uns auch für Schule und Studium nützen werden.
Die kleinen Reden bildeten den Abschluss der letzten Präsenzphase
in Weikersheim und nach einem guten Sonntagsessen ging es für
uns wieder nach Jena.
Mit dem Ende des Jahres 2007 war auch unser Seminar abgeschlossen.
Bis zum Jahreswechsel stellten wir unsere Projektdokumentationen
in die e-community ein. Die Teilnahme an dem Seminar war für
uns sehr lohnenswert und wir haben neben interessanten Inhalten
andere engagierte Jugendliche und tolle Menschen aus dem deutschen
Musikleben kennen gelernt. Für uns hat es sich sehr gelohnt,
dass wir uns auf den Weg nach Weikersheim gemacht haben!