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Ausgabe 2008/02
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nmz 2008/02 | Seite 29
57. Jahrgang | Februar
Verbandspolitik

Nach außen einheitlich sein, nach innen differenziert

Zur Neugründung der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft, DMTG, im April 2008

Wirft man einen Blick auf die deutsche Musiktherapielandschaft, dann scheint die Welt dort in Ordnung zu sein. Es gibt eine Anzahl traditionsreicher Gesellschaften und Verbände unter dem Dach der Bundesarbeitsgemeinschaft Musiktherapie (BAG-MT), es gibt ein ausdifferenziertes Ausbildungssystem und es gibt Forschungseinrichtungen an vier Universitäten. Trotzdem steht eine Fusion der mitgliederstärksten Verbände unmittelbar bevor. Im April diesen Jahres wird aus der geplanten Verschmelzung der musiktherapeutischen Verbände BVM (Berufsverband der Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten in Deutschland e.V.), DGMT (Deutsche Gesellschaft für Musiktherapie e.V.) und NoRo (Verein zur Förderung der Nordoff/Robbins Musiktherapie e.V.) die Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaft (DMTG) hervorgehen. Die neue musikzeitung befragte Beatrix Evers-Grewe, Hans Ulrich Schmidt (beide im Vorstand der DGMT) und Winfried Janssen von NoRo: Fusion, warum gerade jetzt?

Beatrix Evers-Grewe: Wir haben einen Auftrag zur Fusion von unseren Mitgliedern aus einer Mitgliederversammlung 2004, und dementsprechend stehen jetzt Ergebnisse an. Außerdem ist es schön, dass die Fusion im Jubiläumsjahr der DGMT passiert. Es ist eine konsequente Weiterentwicklung unserer Arbeit, die hoffentlich dann in der neuen Form einfacher und schlagkräftiger sein kann.

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Häufig verwendet in der Therapie: Perkussionsinstrumente. Foto: DGMT

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Bild vergrößernHäufig verwendet in der Therapie: Perkussionsinstrumente. Foto: DGMT

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neue musikzeitung: Herr Schmidt, was ist die Hauptidee der Neugründung?
Hans Ulrich Schmidt: Es gibt maximal 3.000 Musiktherapeuten in Deutschland, die sich aufteilen in etliche Verbände und Bundesarbeitsgemeinschaften. Falls nun ein Politiker eine konkrete Entscheidungsfrage stellt oder aufgrund einer Geset-zesvorlage schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen, stellt sich sofort die Frage, wer von den vielen Institutionen zuständig ist und Entscheidungen treffen kann. Die Idee mehrerer Vereine und Verbände war es deshalb, eine schlagkräftige Zahl an Musiktherapeuten innerhalb einer Vereinigung zu bündeln, die von außen – zum Beispiel für eine schnelle politische Entscheidung – gut ansprechbar ist.

nmz: Herr Janssen, die Nordorf/Robbins-Musiktherapie e.V. (NoRo) nimmt ja in diesem Verschmelzungsprozess eine Sonderrolle ein. Was versprechen Sie sich von der Fusion?
Winfried Janssen: Zur Klärung: Wir sind ein Verein, eine Interessensvertretung von Alumni einer bestimmten Ausbildungsrichtung. Das bedeutet, wir verschmelzen nicht. Als diese Initiative aufkam, haben wir uns aus inhaltlichen Gründen dafür interessiert. Es war klar, dass wir uns beteiligen wollten.

nmz: Wie sieht dann diese Beteiligung bei gleichzeitiger Nicht-Verschmelzung aus?
Janssen: Wir haben in dem Prozess mitgearbeitet und Menschen, die „aus unserem Stall kommen“, eingebunden. Unser Verein wird aber weiter als Alumni-Interessensvertretung existieren. Wir werden aber jedem unserer Mitglieder wärmstens eine Doppelmitgliedschaft empfehlen, weil wir uns davon versprechen, in einer Organisation mit vertreten zu sein, die die Gesamtinteressen von Musiktherapeuten gezielter vorantreiben kann.

nmz: Frau Evers-Grewe, wie funktioniert dieser neue Verband? Sind wirklich alle Interessen vertreten?
Evers-Grewe: Die DMTG wird ein Verein sein, in den jeder eintreten kann, der Musiktherapie fördern möchte. Zusätzlich zu der üblichen Vereinsstruktur mit der allgemeinen Mitgliederversammlung gibt es ein Zwischengremium (wie bisher), in dem Arbeitsgruppenmitglieder einen erweiterten Vorstand beziehungsweise eine Delegiertenversammlung gebildet haben, die auch zu bestimmten Fragen entscheidungsfähig ist. Diese Struktur wird jetzt ergänzt durch zwei Beiräte, einen wissenschaftlichen und einen berufsständischen Beirat.

nmz: Stichwort Lehrtherapeut. Bisher hat diese Bezeichnung der BVM nach bestimmten Kriterien vergeben. Nach welchen Kriterien vergibt der neue Verband das?
Evers-Grewe: Der berufsständische Beirat ist dafür zuständig, festzustellen, welche Mitglieder nach den festgelegten Kriterien qualifizierte Musiktherapeuten sind. Nach deren Überprüfung darf man sich Musiktherapeut DMTG nennen. Darüber hinaus ist eine weitere Aufgabe des berufsständischen Beirats, zu benennen, in welchem Fachgebiet Lehrtherapeuten mit welcher Qualifikation gebraucht werden.
Janssen: Realität ist, dass sich in den letzten 25 Jahren eine sehr heterogene Musiktherapie-Landschaft gebildet hat. Es gibt unterschiedlichste Qualifikationen, staatlich anerkannte wie privatrechtliche. Aus dieser Situation, diesem Nebeneinander der Ausrichtungen, hat sich die Notwendigkeit ergeben, ein Gebilde zu entwickeln, das nach außen mit einer Stimme sprechen kann, in dem sich aber nach innen die qualitative Vielfalt abbildet, die sich in der Zwischenzeit entwickelt hat. Es wird daher einen zertifizierten Musiktherapeutentitel nach DMTG geben, bei dem die Qualitätskriterien sehr transparent und einheitlich sein werden.
Schmidt: Uns ist es sehr wichtig, dass sich die neue Vereinigung nach außen einheitlich darstellt und nach innen weiterhin eine größtmögliche Differenzierung möglich macht. Auch andere sind weiterhin dazu eingeladen, sich an diesem Gebilde zu beteiligen.

nmz: Hinsichtlich der Ausbildungssituation kann man die Arbeit der verschiedenen Verbände in den letzten 30 bis 40 Jahren als Erfolg bezeichnen. Aus gesundheitspolitischer Sicht aber kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass die Musiktherapie derzeit mehr denn je um ihre Existenz fürchten muss. Die Kassen haben ganz einfach nicht mehr so viel Geld für Musiktherapie wie früher. Wie sehen Sie die großpolitische Situation?
Janssen: Ich bin Vertreter einer musiktherapeutischen Ausbildung, die immer ein Aufbau/Masterstudiengang gewesen ist. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass es unumgänglich geworden ist, Kräfte zu bündeln, um das Berufsbild Musiktherapie im Gesundheitssystem besser zu etablieren. Es macht heute wenig Sinn, eine kostenpflichtige Ausbildung anzubieten, wenn damit noch nicht einmal ein Berufsausübungsrecht verbunden ist. Absolventen müssen die Chance bekommen, ihre Leistungen im System auch abzurechnen, um von ihrer Arbeit existieren zu können. Noch vor wenigen Jahren fanden unsere Absolventen ohne Probleme Stellen im klinischen Kontext, dann kam es im Gesundheitssystem zu großen Umwälzungen und Ressourcenknappheit. Therapeutenstellen wurden nicht mehr nachbesetzt. Dadurch entstand die Notwendigkeit, die zersplitterte Landschaft, die es durch unterschiedliche inhaltliche Ausrichtungen gab, zusammenzuführen, um berufspolitisch mit einer Stimme sprechen zu können.
Schmidt: Das kann ich bekräftigen. Man muss eine große Diskrepanz zwischen sehr weit entwickelten Ausbildungskulturen sehen, und einer relativ schlechten ökonomischen und stellenpolitischen Situation. Musiktherapeuten arbeiten in Kliniken zum Beispiel häufig im Bereich BAT 4 oder 5. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass das Interesse an der Musiktherapie im Rahmen der Psychotherapie-Szene zunimmt, weil die verbalen Verfahren durch die künstlerischen bereichert werden können. Zumindest mittelfristig wird Musiktherapie wohl nicht ins Psychotherapeutengesetz aufgenommen, sie bemüht sich auch nicht mehr so sehr darum, weil es inzwischen andere Nischen gibt, in denen sie sich besser platzieren kann.

nmz: Welche Nischen sind das?
Schmidt: Dazu zählt zum Beispiel der Bereich Integrierte Versorgung im Rahmen des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes.

nmz: Wie hat sich der Arbeitsmarkt in den letzten Jahren verändert, Frau Evers-Grewe?
Evers-Grewe: Früher wurde viel im Delegationsverfahren abgerechnet, Musiktherapeuten konnten durch Delegation von Psychiatern und Psychotherapeuten ambulant tätig werden. Diese Möglichkeit gibt es seit der Fertigstellung des Psychotherapeutengesetzes nicht mehr, wodurch sich die Situation von ambulant arbeitenden Musiktherapeuten verkompliziert hat. Wenn wir gut ausgebildete Leute in Aufbaustudiengängen weiterqualifizieren, hat sich das finanziell für diese nicht gelohnt, im Gegenteil. Für Sozialpädagogen beispielsweise, die sich als Musiktherapeuten weiterbilden, bedeutet das eine finanzielle Einbuße, wenn sie hinterher wie Ergotherapeuten bezahlt werden.

nmz: Mit welchen Themen wird sich der neue Verband vorstellen?
Evers-Grewe: Es geht um die Frage, wie Musiktherapie in Zukunft aussehen wird. Wird es eine Qualifikation geben, die auf einem Level für alle basiert oder wird es differenzierter sein? Durch die Ambulantisierung ist auch in allen Bereichen des Gesundheitswesens erwünscht, dass immer mehr außerhalb von stationären Einrichtungen gearbeitet wird. Auf diese Situation sind Musiktherapeuten derzeit noch nicht gut vorbereitet. Eventuell wäre die Integrierte Versorgung eine Möglichkeit; auch die Rehabilitation ist ein wichtiges Arbeitsgebiet für Musiktherapeuten. Über all diese Arbeitsfelder muss mit den zuständigen Stellen beraten werden: Rentenversicherungsträger, Krankenkassen, übergeordnete Gremien der Politik. Das alles wird nur funktionieren, wenn man sich mit anderen künstlerischen Therapeuten zusammenschließt. Entsprechende Gremien sind entstanden, in denen wir uns mit Kunst- und Tanztherapeuten und anderen abstimmen und gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, zum Beispiel ein Berufsgesetz auf den Weg zu bringen oder unsere Methoden abrechungstechnisch besser zu etablieren. Dazu gehört zum Beispiel eine Zusammenarbeit über die Kostenträger hinaus mit den ärztlichen Fachgesellschaften, die Leitlinien auch für andere Berufsgruppen erarbeiten.
Schmidt: Politisch ist die geballte künstlerische Gemeinsamkeit sehr wichtig, aber in der Binnendifferenzierung ist es sehr wichtig, dass die einzelnen künstlerischen Verfahren gegeneinander gut konturiert bleiben.

nmz: Wo, Frau Evers-Grewe, liegt für Sie der zukünftige Schwerpunkt der Verbandsarbeit?
Evers-Grewe: Ich sehe in der Gremienarbeit der zukünftigen DMTG die Möglichkeit, wie auch in der Psychotherapie oder Medizin schulenübergreifend und stärker als bisher auf Diagnose und Störungen der Patienten bezogen die Wirkung von Musiktherapie zu bewerten. Unterstützt werden wir darin in jüngster Zeit von einer Forschung, die sich komplexen Reizverarbeitungsmöglichkeiten zuwendet. Musiktherapeuten stehen aber auch musikalischen Entwicklungen sehr nah, befassen sich zum Beispiel stark mit Improvisation. Wir würden hier gerne wieder eine stärkere Verankerung unter Musikern gewinnen und dadurch unseren Patienten ermöglichen, sehr aktiv am kulturellen Leben teilzuhaben und darüber auch am gesellschaftlichen Leben.

nmz: Ist eine stärkere Zusammenarbeit von Musiktherapie mit Musikschulen, aber auch allgemein bildender Schule denkbar?
Schmidt: Es ist wichtig, dass auch auf pädagogischer Seite die Ressourcen fördernden und präventiven Möglichkeiten von Musiktherapie bekannt sind. Das Medium Musik bietet große Möglichkeiten innerhalb der Pädagogik und natürlich der Psychotherapie. Ich wünsche mir sehr, dass die neue Gesellschaft sich einerseits nach außen so einheitlich darstellen kann, dass sie zu einem zunehmend ernst zu nehmenden Partner in Richtung Gesundheitssystem werden kann, und andererseits eine Vielfalt erhalten bleibt, die andere Institutionen und Einzelpersonen ermutigt, dieser Gesellschaft beizutreten und mit uns gemeinsam die Musiktherapie stärker zu machen.

Das Gespräch führte Andreas Kolb

Bitte beachten Sie auch die nmz-Beilage der Deutschen Gesellschaft für Musiktherapie, DGMT, zu deren 35. Jubiläum.

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