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2008/03 | Seite 5
57. Jahrgang | März
Bad Boy Of Music
Das vergangene Lachen
Es gehört zu den ältesten Klischees: Der vermeintlich
humorlose Deutsche. Bis heute lachen Millionen über die „Fawlty
Towers“-Episode von John Cleese mit den griesgrämigen
Deutschen, denen gegenüber man keinesfalls den Krieg erwähnen
sollte, da sie sonst in Jammern und Wehklagen ausbrechen („Don’t
Mention The War!“ in „The Germans“).
Bad
Boy Of Music
Wer jetzt hier wissend lächelt, muss auch einsehen, dass sich
ein Großteil der Neuen Musik in Deutschland nicht anders
geriert als eben diese „Germans“ – auch wir Komponisten
jammern lieber, als dass wir Freude und Esprit verbreiten. Und
natürlich geißeln wir uns und unsere Hörer am allerliebsten,
wenn es um ernste Themen geht, denn schließlich soll sich
das Leid der Welt ja auch in der Musik widerspiegeln.
Zaghafte Versuche dies zu ändern gibt es ja, aber kaum wagt
sich mal ein Komponistchen, die trübe und (spr)öde Einheitssauce
mit ein bisschen Witz und Esprit zu würzen, wird er/sie gleich
als Angehöriger der bösen Mächte gegeißelt.
Nicht ohne Grund, denn wenn es erfolgreiche Gegenbeispiele gäbe,
würde man ja noch mehr merken, wie fad manches ist.
Da freut man sich schon so richtig auf die heiteren nächsten
400 Jahre mit der Zweiten, Dritten und dann auch Neuneinhalbten
Moderne! Lieber gäbe ich mir die Kugel – meine kleine
schwarze Gangsterpistole liegt schon bereit.
Vielleicht schieß ich aber auch auf das gar gruselige Schreckgespenst
mit dem Namen „Hui-Bäh“, das uns vor der bösen,
bösen Spaßgesellschaft warnt, die uns angeblich schon
seit Jahrzehnten verdummt.
Nun bezweifle ich stark, dass frühere Epochen freier von Oberflächlichkeit
waren. Ja, vielleicht war es sogar noch schlimmer und dümmer
als heute, nur noch nicht per Satellit gesendet und bis in die
Antarktis verbreitet. Nicht die Dummheit ist das Schlimmste, sondern
dass man ihr immer schlechter entkommen kann. Aber um etwas dagegen
tun zu können, müssen wir wieder diejenigen erreichen,
die sonst nie mehr etwas von unserer Musik mitbekommen. Wir müssen
den vermeintlich trostlosen Alltag zumindest teilweise zurückerobern,
darin aggressiv und frech präsent sein, sonst ist Hopfen und
Malz verloren. Eine komplett individuelle Haltung, die Spaß und
Ernst souverän verbindet (wie etwa die von Frank Zappa), ist
ja nun wirklich selten genug und darum um so erfreulicher.
Und wenn uns dann von den Sittenwächtern vorgeworfen wird,
wir seien Protagonisten einer neuen „zu munteren“ Musikmode,
dann zeigen wir ihnen am besten, wie auch ein Tritt in deren Hintern
etwas sehr Munteres sein kann. Denn als nichts anderes kann es
von diesen empfunden werden, wenn in ihren Konzerten mal Musik
erklingt, bei der man nicht lieber in Gedanken eigentlich woanders
sein möchte. Nennt uns ruhig „munter“, wenn ihr
wollt, das klingt zwar harmlos, ist aber immer noch deutlich besser
als das Gegenteil: „trüb“ zu sein. Und die Trübheit
regiert schon etwas zu lang.
Apropos Spaßgesellschaft: Mehr als die gesammelten Werke
von Stockhausen, Nono und Schönberg kennen die Deutschen den
Sketch „Hurz, der Rabe“ von Hape Kerkeling, in dem
ein Neue-Musik-Konzert auf geradezu frech simple Weise parodiert
wird – mit realem Publikum, das nichts von der Satire weiß.
Viel lustiger als die Musik ist dann eben auch dieses Publikum,
das den dargebotenen Scheiß mit ernstester Miene goutiert.
Das ist dann tatsächlich so unglaublich komisch … wie
es leider nie, nie, nie in einem echten Neue-Musik-Konzert ist.
Stattdessen sehen wir dort stets ähnliches „experimentelles
Musiktheater“, „zeitgenössische Kammermusik“ (allein
schon die Begriffe strahlen den Charme eines stillgelegten Tschernobylreaktors
aus), wir werden Zeuge von kühlen Versuchsanordnungen, die
um so mehr Anerkennung finden, je mehr ihre Macher sich an ihre
eigenen strengen Vorgaben halten (denn das bestätigt, dass
sie mit Ernst bei der Sache waren). Entweder kommt das Leben so
wie wir es kennen überhaupt nicht in diesen Stücken vor – sie
kreisen eitel um sich selbst und die ihnen gesetzten Themen – oder
es geht ausdrücklich darum, einen vagen Ausdruck der Betroffenheit
angesichts unserer schrecklichen Welt zu postulieren. Was natürlich
auch nicht sehr schwer ist – „Leichtigkeit ist das
Allerschwerste“, das wusste nicht nur ein Billy Wilder.
„Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendigste.“ – Jede
Kunst, die auch nur entfernt den Anspruch erhebt, „lebensnah“ zu
sein, muss sich auch dem Leben selbst stellen, in all seinen Facetten,
und dazu gehört eben auch das Lachen. Und das vermisse ich
einfach in der Neuen Musik.