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nmz-archiv
nmz 2008/03 | Seite 41
57. Jahrgang | März
Forum
Sinnvolle Alternativen bei der Förderung junger Talente
Zum Artikel „Die Spreu trennte sich vom Weizen …“ bezüglich
Neuerungen bei „Jugend musiziert“, nmz 2/08, S. 56
Über Dinge, die man nicht kennt, sollte man nicht vorschnell
urteilen und noch weniger einen Artikel in der nmz veröffentlichen,
wie es in der letzten Ausgabe auf der Seite des DTKV Bayern geschehen
ist. Unter dem Namen „fi“ wurden Neuerungen bei „Jugend
musiziert“ kritisch gewertet. Einerseits mag es erfrischend
sein, wenn man fernab jeder Sachkenntnis (die Tätigkeit als
langjähriger Juryvorsitzender im Regionalwettbewerb reicht
hier bei Weitem nicht aus) lockere Kommentare abgibt, auf der anderen
Seite ist es aber unerträglich, wenn dann aus schlicht falschen
Darstellungen kritische Bewertungen abgeleitet werden.
Daher erlaube ich mir, aus meiner Sichtweise einige Korrekturen
vorzunehmen. Ich beginne mit der krassesten Fehleinschätzung. „fi“ behauptet,
dass „in einigen Landeswettbewerben sogar DJs künftig
ihre Kunst der Präsentation konservierter Musik feilbieten
können“. Bewertet werden sollen die „Musikauswahl
sowie der hierzu passende Bewegungsablauf und die Ankündigung
des DJs.“ Was für ein Bild hat „fi“ wohl
von der Tätigkeit von DJs? Wir führen in NRW jetzt zum
dritten Mal eine Wertung DJ durch und merkwürdigerweise trifft
nichts von dem, was „fi“ anmerkt, bei uns zu. Kein
Teilnehmer darf „konservierte Musik“ präsentieren – welchen
Sinn sollte das machen? Bewertet wird der kreative Umgang mit dem
ausgewählten musikalischen Material und keinesfalls Bewegungsabläufe
und Ankündigungen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass
hier das Bild eines DJs zugrunde gelegt wird, wie man es vielleicht
bei „Wollys rollender Disco“ (Name frei erfunden) auf
Familienfesten und anderen Gelegenheiten finden kann, aber nicht
in der Zielgruppe dieses Wettbewerbes.
Mag man sich über so viel Unkenntnis noch amüsieren,
so wird aber die Begrifflichkeit, wenn es um die neue Wertung „Pop-Gesang“ geht,
so polemisch, dass hier aufs Schärfste protestiert werden
muss. Die Leistungen, die in den letzten Jahren bei uns zu hören
waren, sind weit von der Bildunterschrift „Ein Karaoke-Contest – die
Zukunft von ‚Jugend musiziert‘?“ entfernt. Bisher
habe ich in diesem Bereich sehr engagierte Leistungen in einem
vergleichbaren Niveau zu den anderen Kategorien des Wettbewerbes
gehört. Alle Teilnehmer/-innen müssen ein unbegleitetes
Stück ohne Mikrofon vortragen, sie begleiten sich zum Teil
selber am Klavier, und sie präsentieren eigene Kompositionen.
Was bitte hat ein solches Reglement mit einem „Karaoke-Contest“ zu
tun?
Dass Dieter Bohlen als Aufhänger für den Artikel dient,
mag unterhaltsam sein, ist aber sicherlich kein Argument gegen
Popularmusik-Wertungen im Bereich „Jugend musiziert“.
Im Gegenteil wird die Art und Weise, wie bei RTL mit den Teilnehmer/-innen
bei „Deutschland sucht den Superstar“ umgegangen wird,
zuletzt durch eine Initiative des Deutschen Kulturrates wegen ihrer
menschenverachtenden Praktiken umfassend kritisiert. Ein Wettbewerb
wie „Jugend musiziert“, bei dem die Förderung
der jungen Sängerinnen und Sängern im Mittelpunkt steht,
zeigt hier sinnvolle Alternativen auf.
Viele Argumente, die „fi“ anspricht, sind im Vorfeld
lange diskutiert worden. Insbesondere die Frage nach dem Sinn von
Einzelwettbewerben im Popularmusikbereich spielte eine wichtige
Rolle. Ein ganz wichtiges Argument war, dass auch hier genau wie
in den „klassischen“ Kategorien die jungen Musikerinnen
und Musiker die Gelegenheit suchen, ihre eigenen musikalischen
und technischen Fertigkeiten zu zeigen. (Der Vergleich zu anderen
Kategorien ist in diesem Zusammenhang übrigens nicht ganz
unproblematisch, wenn man beispielsweise an den möglichen
Vortrag einer Brahmssonate in der Solowertung denkt.)
Die Problematik von Umbauten im Bereich Drumset anzusprechen,
erscheint mir für einen bayerischen Vertreter des Wettbewerbes „Jugend
musiziert“ insofern fragwürdig, als doch Bayern für
seine vielfältigen Schlagzeuger bekannt ist, die sicherlich
ein erheblich umfangreicheres Instrumentarium verwenden als ein
Drumset-Spieler. Nach allen bisherigen Erfahrungen sind die erforderlichen
Umbauten unproblematisch zu bewerkstelligen und erfordern keinesfalls
ein Zeitbudget von 20 Minuten.
Die Frage schließlich, ob aufgrund der neuen Punkteregelung
die Regionalwettbewerbe zu einer „Gaudiveranstaltung ausgehebelt“ werden,
lässt sich aus der Beobachtung der Regionalwettbewerbe eindeutig
mit „nein“ beantworten. Hier in NRW wird im Regionalwettbewerb
mit der neuen Punkteregelung genauso ernsthaft und erfolgreich
gearbeitet wie in den vergangenen Jahren. Dass dies in Bayern anders
sein sollte, kann ich mir trotz des Artikels von „fi“ nicht
vorstellen.
Christian de Witt, Vorsitzender des Landesausschusses „Jugend
musiziert“ in NRW