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nmz-archiv
nmz 2008/03 | Seite 47
57. Jahrgang | März
Magazin
Die Gedanken auf den Punkt bringen
Die neue musikzeitung im Gespräch mit dem Zitherspieler Georg Glasl
Vom 28. bis 30. März 2008 findet im Münchner Kulturzentrum Gasteig
nunmehr schon zum 7. Mal ein Zitherfestival statt, das von Georg Glasl, der
am Münchner Konservatorium unterrichtet, konzipiert und geleitet wird.
Die Zither hat immer noch den Ruf des betulichen Hausinstruments in der Volksmusik.
Georg Glasl möchte ihn ausweiten. Reinhard Schulz sprach mit ihm darüber.
Neue
Klangmöglichkeiten, neue Erfahrungen für Komponisten: Georg
Glasl.
neue musikzeitung: Was waren die ursprünglichen Zielrichtungen
des Festivals? Georg Glasl: Wichtiger Aspekt war für mich die Literatur. Originale zeitgenössische
Literatur gab es kaum, allenfalls etwas von Kagel und Henze. Zwar haben sich
andere Zitherspieler bemüht, diese Lücke zu schließen, aber
es waren keine Komponisten. Sie hinkten ihrer Zeit hinterher. Zielrichtung
war also, gute Komponisten für das Instrument zu finden und den Studenten
ein Forum und Anregungen zu bieten.
nmz: Die Zither wird immer mit Alpenland und Hausmusik
verbunden. Ist das so richtig? Glasl: Nun, ähnlich dem Hackbrett gibt es auch in allen Kulturen Zitherinstrumente,
im arabischen Raum, auch in Japan und China. Anfang des 20. Jahrhunderts galt
die Zither als Klavier des kleinen Mannes, viele Instrumente wurden zum
Beispiel nach Amerika exportiert: in Größenordnungen von zehntausend
Instrumenten, wie man es heute allenfalls von der E-Gitarre her kennt! Es gab
Zithervereinigungen, das Instrument wurde gern in Vereinen gepflegt. In München
gab es um 1900 70 Zitherclubs!
nmz: Wie gehen die Komponisten heute mit dem Background
der Zither um:Zum einen ist sie etwa durch die Stimmung der Begleitsaiten auf
Tonalität fokussiert,
zum anderen hat sie einen ganz bestimmten sozialen Background, der ja ganz
anders ist als, sagen wir, beim „proletariatsnahen“ Akkordeon? Glasl: Es ist immer die Frage, wie weit das Klischee reicht.
Hörgewohnheiten
sind immer eine Art Klischee. Die Komponisten reagieren ganz unterschiedlich
darauf. Ein prägendes Beispiel ist für mich Peter Kiesewetter. Ich
habe ihn damals zu Beginn der Festivalreihe angesprochen. Er hatte gerade seine
Professur in Hannover angetreten, und ich sollte kommen und seinen Studenten
verschiedene Zitherinstrumente vorstellen. Die sollten dann etwas schreiben.
Zum Schluss habe ich die Basszither vorgeführt. Ein Ton darauf, das tiefe
G, hat Kiesewetter besonders fasziniert und ein paar Tage später sagte
er, dass er doch selber etwas komponieren wolle. Das war der Baustein für
unsere ganze spätere Zusammenarbeit. Er liebte die Basszither, weil sie
im Gegensatz etwa zur Harfe oder Laute gar nicht klanglich einzuordnen war.
Er hat also die Zither als ganz eigenen Klangkörper entdeckt. Was ihn
auch besonders faszinierte, war, dass der Spieler ganz nahe an den Saiten und
ihrer klanglichen Gestaltung ist. Das Instrument hat gewissermaßen eine
visuelle Transparenz.
nmz: Die Neue Musik bekam immer wieder nachhaltige Anregungen
von einzelnen Interpreten. Palm ließ die Celloliteratur sprunghaft anwachsen, die Schola
Cantorum die Chorliteratur und so weiter. Ist es hier auch so? Glasl: Ein Komponist wird nur für ein Instrument schreiben, wenn er einen
Interpreten vor sich hat, der seine Klangsprache zu verstehen versucht. Man
bemüht sich dann gemeinsam, die Vorstellungen des Komponisten und die
Möglichkeiten des Instruments zusammenzuführen. Bernhard Lang zum
Beispiel hat jetzt ein Konzert für mich geschrieben. Im Orchester wäre
eine normale Zither kaum zu hören. So haben wir eine E-Zither bei einer
Firma in Markneukirchen anfertigen lassen. Lang hat hier das Instrument nach
seinen Vorstellungen ganz ausgehorcht. Mit dem Klischee Zither hat das überhaupt
nichts mehr zu tun.
nmz: Wie stehst du eigentlich zu dem Klischee? Glasl: Ich finde das eigentlich eine durchaus liebenswürdige Seite. Ich
spiele selbst gerne Volksmusik und könnte mir auch vorstellen, dass etwa
in musica viva auch einmal der Aspekt der alpenländischen Volksmusik zur
Sprache käme. Ich empfinde das durchaus als Stärke des Instruments,
ich selbst komme ja auch von der Volksmusik her.
nmz: Was zeichnet eigentlich das Instrument gegenüber anderen aus, wie
wirbst du bei den Komponisten? Glasl: Heute beginnt die Zither auf mehreren Beinen zu
stehen: Neben der Volksmusik ist das die Alte und Neue Musik. Die Zeitgenossen
interessieren
sich zum Teil
sehr für das Instrument, was auch mit dem Instrumentenbau zusammenhängt.
Es sind nicht mehr die biedermeierlich kleinen Zithern, es gibt zum Beispiel
längere Mensuren. Für die Komponisten ist wohl interessant, dass
das Instrument klanglich sehr differenziert ist. Gegenüber der Gitarre
habe ich einen größeren Tonumfang, ich kann besser polyphone Strukturen
spielen. Und dann ist ihr Klang sehr klar und direkt.
nmz: Worauf freust du dich im Hinblick auf das kommende
Festival ganz besonders? Glasl: Wir machen einen internationalen Wettbewerb mit
einem Pflichtstück
von Dieter Schnebel („Sammelsurium“) und für den Nachwuchs
von Volker Nickel. Und dann freut mich natürlich ganz besonders, dass
sich die ganze junge Szene der Zitherspieler hier trifft, die sich gegenseitig
austauschen und befruchten werden. Es wird viele Entdeckungen geben. Und auch
Wiederbegegnungen! Zum Beispiel mit Leuten wie Karl Stirner, der einmal Zither
studiert hat, heute aber als Komponist am Wiener Burgtheater arbeitet. Er hat
jetzt wieder zur Zither zurückgefunden und ihre Stärke lieb gewonnen.