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nmz-archiv
nmz 2008/03 | Seite 16
57. Jahrgang | März
Musikwirtschaft
Sanitäter oder Feuerwehr?
Interims-Management im Kulturbetrieb – eine Alternative in
Zeiten leerer (öffentlicher) Kassen?
Jeder (vor allem der wirtschaftlich ausgerichtete) Betrieb in
der Kulturszene ist heute in einer besonderen Situation: Das Streben
nach Spitzenleistungen kostet viel Geld, das jedoch immer schwieriger
zu beschaffen ist. In Zeiten leerer öffentlicher Kassen ist
selbst das Zusammenlegen von renommierten Opernhäusern kein
Tabuthema mehr. Die künstlerischen Betriebe wie diejenigen
der Musikindustrie stehen vor der Herausforderung, Spitzenleistungen
trotz geringer werdender Mittel sicherzustellen oder aber auf Dauer
vom Markt zu verschwinden. Notker M. Anton, langjähriger Geschäftsführer
des Bundesverbandes der Deutschen Musikinstrumentenhersteller und
seit 20 Jahren selbständig in der (betriebswirtschaftlichen)
Beratung und Unterstützung von Kulturbetrieben, zeigt im nachfolgenden
Interview Möglichkeiten auf, sich dieser Problematik erfolgreich
anzunehmen:
neue musikzeitung: In Ihren Gesprächen mit Kulturbetrieben
sehr unterschiedlicher Art stellen Sie in den vergangenen Jahren
das Thema „Interim-Management“ als eine der zukunftsweisenden
Lösungsansätze immer wieder in den Vordergrund. Was ist
speziell im Kulturbereich unter Interim-Management zu verstehen? Notker M. Anton: Interim-Manager sind unabhängige Spezialisten;
sie kommen, um zu gehen, indem sie vor allem für von vornherein
zeitlich begrenzte Führungsaufgaben eingesetzt werden. Aber
auch die Nachfrage nach professionellen Projektmanagern und hochspezialisierten
Fachleuten steigt nachweislich.
Im Vordergrund steht dabei vor allem die fachlich qualifizierte Überbrückung
von Vakanzen, die natürlich gerade im Kultur-/Musikbetrieb
durch die doppelten Anforderungen – nämlich künstlerisches
wie betriebswirtschaftliches Know-how – nicht oder nur unzureichend
besetzt werden können. Heute kommen Aufgaben hinzu, die darauf
zurückzuführen sind, dass Unternehmen keine Kapazitäten
oder Know-how mehr auf Vorrat vorhalten können, sondern bei
Bedarf einkaufen. Zudem erkennen viele Kulturbetriebe – und
das in wachsender Zahl –, dass sie durch Interim-Management
ihre traditionell fixen Kosten für Managementleistungen zum
Teil variabel machen und in nicht unerheblichem Umfang Einsparungen
erzielen können.
nmz: Welche sind dabei die besonderen
Aufgaben, und in welchen Bereichen können Interim-Manager die Entwicklung positiv beeinflussen? Anton: Die Bandbreite der Einsatzbereiche ist
groß, so dass
der individuellen Situation in der Lebensphase des jeweiligen Unternehmens
ganz gezielt entsprochen werden kann: In den ersten Jahren bringen
Interim-Manager ihre Erfahrung als „Hands-on“-Gründer
und „Aufbauer“ in den Bereichen Existenzgründung
oder -aufbau ein und bemühen sich um die kaufmännische,
vertriebliche und finanzielle (Grund-)
Struktur.
Im Bereich Öffentlichkeitssarbeit und bei Organisationen stehen
sie als „Kommunikator und Teambuilder“ in der Verantwortung.
Später braucht ein Unternehmen eher den „prozessorientierten
Strukturierer“, der bestehende Strukturen analysiert, gegebenenfalls
neu gestaltet und optimiert. In „harten“ Zeiten ist
der „Restrukturierer und Sanierer“ gefordert, bei bevorstehender
Betriebs-übergabe der „Vermittler“. Interim-Manager
haben keine Netzwerke oder „Seilschaften“ im Unternehmen;
sie sind in Kultur und Betriebswirtschaft erfahren, an der Sache
orientiert und für die anstehende(n) Aufgabe(n) hochqualifiziert:
Als „Feuerwehrleute“ sind Interim- Manager gefragt,
wenn Themen wie neue Märkte, Internationalisierung, Umstrukturierung,
Sanierung, Problembewältigung oder Schließung anstehen.
Gerade im kleineren Betrieb sind in der Regel nicht die Ressourcen
vorhanden, um über längere Zeit oder für alle möglichen
Vorkommnisse qualifiziertes Personal zu beschäftigen.
Als „Durchlauferhitzer“ suchen die Unternehmen Interim-Manager,
die die Umsetzungsstärke im Unternehmen erhöhen oder
die Arbeitsprozesse der eigenen Teams beschleunigen und die Ergebnisse
verbessern helfen. Das Projekt steht im Vordergrund, nicht die
Stelle …
„Sanitäter“ sind gefordert, wenn Fusionen oder Schließungen
die bestehenden Mitarbeiterstrukturen zerrissen haben.
Ähnliches gilt aber auch im Falle eines schnellen Aufbaus von neuen
Teams, bei neuen Projekten oder bei der Suche nach einem geeigneten
(!) Nachfolger für den (scheidenden) Betriebsinhaber, bei
der sie mit langjähriger Kenntnis der Branche und den notwendigen
betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen zur Verfügung stehen.
nmz: Können Sie uns einen konkreten Fall schildern, bei dem
von Ihnen skizzierte Möglichkeiten zu einer Verbesserung geführt
haben? Anton: Um die zuvor skizzierte Breite am konkreten
Beispiel ein wenig deutlicher zu machen, ist von einem renommierten
und weltweit
agierenden Unternehmen aus dem Bereich der Musikinstrumentenherstellung
zu berichten, das auf der einen Seite aufgrund wachsender Nachfrage
sehr gute Entwicklungschancen hatte, auf der anderen Seite für
den kurzfristig notwendigen Vertrieb und (kaufmännische) Organisation
und Abwicklung neben der zusätzlichen zeitlichen Belastung über
für die erfolgreiche Realisierung nur unzureichend qualifiziertes
Personal verfügte. Hier konnte der Interim-Manager mit seiner
Erfahrung in wenigen Monaten und mit den nach und nach eingestellten
Mitarbeitern für einen reibungslosen Betriebsablauf sorgen.
Ein anderes Beispiel betrifft die zeitweilige Übernahme der
Aufgaben eines führenden Verbandsfunktionärs, bedingt
durch einen längeren krankheitsbedingten Ausfall des Stelleninhabers.
Ein weiterer Interim-Einsatz erfolgte in einer bekannten kulturellen
Einrichtung, wo es darum ging, die (bisher) fehlende betriebswirtschaftliche
Kompetenz aufzubauen und sicherzustellen, um sowohl die künstlerische
wie auch die kaufmännische Seite gleichermaßen (mit
Synergievorteilen für alle Beteiligten) zu berücksichtigen.
Besonders im zuletzt skizzierten Falle hat sich deutlich gezeigt,
dass Interim-Management für einen (wirtschaftlich wie künstlerisch
orientierten) Kulturbetrieb eine gute Möglichkeit darstellt,
eine verbesserte Zukunftsentwicklung im Spannungsfeld von
Streben nach künstlerischer Höchstleistung und schrumpfenden
Finanzmitteln zu erreichen: Interim-Manager stellen Know-how, Erfahrung
und Kapazitäten zur Verfügung, die den Unternehmen aus
dem Kulturbetrieb angesichts der eingangs skizzierten leeren Kassen
oft verschlossen bleiben, mit allen negativen Konsequenzen, die
sich auch und besonders im Hinblick auf Effizienz und Kostenminimierung
daraus ergeben …!