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nmz-archiv
nmz 2008/03 | Seite 16
57. Jahrgang | März
Musikwirtschaft
Die Letzten werden die Letzten sein
Neue Entwicklungen auf dem Internetmusikmarkt
Auch nach vielen Jahren Euphorie und Angst ist häufig der
rechtliche Status von Musik in den Weiten des Internets nie so
ganz einfach zu bestimmen gewesen. So sicher man immer wissen dürfte,
dass hinter einem Stück mindestens ein Urheber steht, so wenig
kann man es der Musik selbst anhören, in welcher Art und Weise
sie jeweils Schutz genießt.
Auf der sicheren Seite ist man immer, wenn man ausschließlich
selbstkomponierte, selbstgemachte und selbstverwaltete Musik verwendet.
Da hat niemand sonst seine Finger dran, nur man selbst. Aber Musik
ist vor allem doch ein soziales Ereignis. Viele Urheber geben bestimmte
Rechte zur Verwertung an andere ab. Es kümmern sich dann andere
darum, ob und wie diese Rechte wahrgenommen werden. Für diesen
Zweck haben sich weithin Verwertungsgesellschaften entwickelt.
In Deutschland zum Beispiel die GEMA. Wie effizient sie arbeitet,
richtet sich in der Regel nach dem Maß der kompositorischen
Tätigkeit und dessen Verbreitung in der öffentlichen
Nutzung. Für die musikalischen Kleinmeister dürfte sich
dieser Nutzen als häufig eher gering erweisen.
Für solche Fälle haben sich neue Lizenzformen entwickelt,
die unter dem Begriff Creative Commons stehen (die nmz berichtete
gelegentlich darüber). Mit diesen Lizenzen ist es beispielsweise
möglich, bestimmte Nutzungen des Werkes zuzulassen, andere
hingegen einzuschränken. Eine sehr häufig verwendete
Form dieses Lizenz-Bouquets, welches mit Creative Commons Vereinbarungen
möglich ist, sieht vor, dass jegliche Nutzung und Verbreitung
gestattet ist, sofern sie nicht kommerzielle Zwecke verfolgt. Ein
Stück, gespielt auf einem Vortragsabend in einer Musikschule,
mag dann kostenfrei sein, ein Mitschnitt zur Veröffentlichung
auf CD oder im Radio dagegen wäre nicht ohne zusätzliche
Vereinbarungen mit dem Urheber möglich. Im Vordergrund der
Idee steht also die Möglichkeit einer einfachen Verbreitung
von Musikwerken.
Für die Urheber gibt es zurzeit jedoch nur die Möglichkeit,
entweder die eine Form der Lizenzierung zu wählen oder die
andere: entweder GEMA oder Creative Commons.
Doch diese Konfrontationsstellung scheint sich langsam auszuweiten.
Seit November 2007 bietet die niederländische Verwertungsgesellschaft
(BUMA/STEMRA) an, auch Werke mit Creative-Commons-Lizenz mitzuverwerten.
Zunächst soll das Modell ein Jahr lang getestet werden. Im
Januar hat eine zweite europäische Verwertungsgesellschaft
nachgezogen, die dänische KODA. Ein Vorteil dieser Kooperation
von Verwertungsgesellschaft Creative-Commons-Lizenz besteht für
den Creative-Commons-Urheber darin, künftig beispielsweise
auch an den Erträgen aus Abgaben für Leermedien (wie
CD oder DVD) beteiligt zu werden. Bisher wurden diese Erträge
nur an diejenigen ausgeschüttet, die Mitglied der musikalischen
Verwertungsgesellschaft waren.
Für die Urheber aus Deutschland könnte sich insofern
etwas ändern, weil für Interessenten schließlich
der europäische Markt offen steht. Man muss nicht zur GEMA
gehen, man könnte auch KODA oder BUMA wählen.
Auch an anderen Plätzen ändert sich die Situation. Das
weltweit größte Online-Netzwerk für Musik, Last.FM,
bietet seit Januar einen kostenlosen On-Demand-Service an, der
es jedem Besucher der Seite ermöglicht soll, gezielt und legal
seine Lieblingsmusik in voller Länge anzuhören. Zum Katalog
von Last.FM gehören übrigens Inhalte aller vier Major
Plattenfirmen sowie CD Baby, IODA, The Orchard, Naxos und über
150.000 Independent Labels und Künstler. Das Ganze wird über
Werbung finanziert. „Die Möglichkeit, dass Künstler
und Labels mithilfe von Last.FM Einnahmen anhand gehörter
und nicht anhand gekaufter Songs erwirtschaften können, wird
helfen, die Musikwirtschaft zu verändern“, so Felix
Miller, CEO und Mitgründer von Last.FM, emphatisch. „Nun
können wir diese Vereinbarungen ebenso Musikern ohne Plattenvertrag
anbieten. Zum ersten Mal kann jeder Musiker Songs hochladen und
bezahlt werden, sobald diese gespielt werden. Von diesem ganz neuartigen
Modell profitieren Künstler, Labels und Inserenten, vor allem
aber die Hörer.“ In welcher Größenordnung
sich die Ausschüttungen konkret darstellen werden, ist noch
nicht heraus.
Auch zwischen Verwertungsgesellschaften und Download-Plattformen
zeichnen sich erste Annäherungen ab. So ist im November zwischen
der GEMA und Google (als Betreiber des Videoportals YouTube) eine
Vereinbarung getroffen worden, die es den Videonutzern gestattet,
GEMA-Repertoire für ihre Videos einzusetzen. Über die
genauen Ergebnisse der Verhandlungen ist leider nichts bekannt.
Es hat den Anschein, als bewegte sich im Internetland langsam
doch noch etwas. Man hat die Künstler und Komponisten endlich entdeckt,
denn schließlich sind sie es doch, die die Musik machen.
Ob es sich dabei um Profis handelt, Amateure oder mehr oder weniger
geniale Dilettanten, ist schließlich nachrangig. Wesentlich
ist zunächst, dass sie alle zum Zuge kommen können. Und
vielleicht entdecken auch neben der niederländischen und dänischen
Verwertungsgesellschaft auch andere die veränderten Bedürfnisse
der musikalischen Kleinmeister von heute. Sie mit ins Boot zu holen
könnte Vorteile bringen, um die Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit
zu erhöhen und umgekehrt die Wertschätzung musikalischer
Kreativität über die Künstler als Multiplikatoren
in die Gesellschaft zurück zu tragen.