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nmz-archiv
nmz 2008/03 | Seite 19
57. Jahrgang | März
Hochschule
Ein Ausbildungssystem als Exportartikel
Die Verhandlungen über die Gründung einer deutschen
Musikhochschule in China stehen vor dem Abschluss
Dass die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und
China florieren, wird bei vielen Gegenständen des Alltags
klar, spätestens wenn man das in das Plastik eingestanzte „Made
in“ gefunden hat. Jetzt soll für den musikalischen Austausch
zwischen den beiden Ländern ein Meilenstein gesetzt werden.
Mindestens 11 der 23 deutschen Hochschulen für Musik stehen
vor der Gründung einer gemeinsamen „Deutschen Universität
für Musik und Darstellende Kunst“ im Reich der Mitte.
Mit dabei sein wollen etwa die Universität der Künste
Berlin (UdK), die Folkwang Hochschule Essen sowie die Musikhochschulen
aus Köln, München, Hamburg und Leipzig. Dies bestätigte
der Vorsitzende der deutschen Musikhochschulrektorenkonferenz,
Martin Pfeffer von der Essener Folkwang Hochschule.
In zwei Städten sollen jeweils 120 chinesische Studenten
einen Masterstudiengang nach deutscher Studienordnung und mit Lehrern
deutscher Hochschulen absolvieren können. Am Ende halten sie
einen deutschen Master in Händen. Mittlerweile wird auch über
Bachelor-Abschlüsse mit den Chinesen verhandelt. An der Entwicklung
des auf Dauer angelegten Projektes ist auch die UdK Berlin beteiligt.
Deren Präsident Martin Rennert ist von einem zunehmenden weltweiten
Wettbewerb der Bildungssysteme überzeugt. Daher sei es wichtig,
dass das deutsche Ausbildungssystem für den musikalischen
Nachwuchs an verschiedenen Punkten der Erde vertreten sei. Zumal
Rennert es gegenüber dem angloamerikanischen Konzept für
intensiver in der Betreuung des künstlerischen Nachwuchses
hält. Der Gitarrist möchte den „höchst möglichen
künstlerischen Anspruch zum Maßstab“ in der Welt
machen.
Dass die Chinesen sich ausgerechnet für die deutschen Partner
entschieden hätten bei der Gründung einer ausländischen
Musikhochschule in ihrem Land, erfüllt Martin Pfeffer aus
Essen mit einem gewissen Stolz. Wohl auch, weil es als ein Punktsieg
gegenüber den amerikanischen und den englischen Instituten
gilt. Diese führen nach Pfeffers Angaben zwar schon Aufnahmeprüfungen
in China durch, um sich die besten Studenten zu sichern. Doch zu
einer eigenen Musikhochschulgründung sei es noch nicht gekommen.
Neben dem Imagegewinn, den das für das deutsche System im
Ausland brächte, sieht Rennert auch eine Stärkung der „nationalen
Bedeutung“, die den Musikhochschulen seiner Meinung nach
in Deutschland zukommt. Denn da die Musikerziehung an der Basis,
also in den Kindergärten und in den Schulen kaum noch geleistet
werde, falle den Hochschulen neben der Eliteförderung auch
die Rolle zu, die deutsche und europäische Musiktradition
mit Leben zu füllen.
Der Anteil ausländischer Studenten an deutschen Musikhochschulen
ist für Rennert dabei allerdings kein Kriterium. An der UdK
liege der bei rund 35 Prozent, die nicht musikalischen Fächer
mit eingerechnet. Für die Kölner Musikhochschule beziffert
Rektor Josef Protschka allein den Anteil der Koreaner auf gut ein
Viertel. Darin sieht Martin Pfeffer aus Essen durchaus Risiken
für die Akzeptanz der deutschen Musikhochschulen im eigenen
Land. Schließlich werden die im Wesentlichen aus öffentlichen
Geldern finanziert. „Wir müssen aufpassen, dass der
Ausländeranteil nicht ins Unermessliche wächst“,
sagt er. Pfeffer hält die geplante deutsche Universität
für eine gute Chance, den für die nächsten Jahre
erwarteten Ansturm chinesischer Studenten auf die deutschen Hochschulen
bereits vor Ort zu kanalisieren. Denn politische Diskussionen,
weil die deutschen Studenten an den 23 deutschen Musikhochschulen
zur Minderheit werden könnten, möchte er sich und seinen
Kollegen gerne ersparen.
Auf der anderen Seite sind die chinesischen Studenten durchaus
beliebt bei vielen deutschen Hochschullehrern. Neben Fleiß wird
ihnen eine große Neugier und Beweglichkeit nachgesagt. Und
ihre Sprache mit den vielen Sinnbedeutungen, die in kleinsten stimmlichen
Nuancen liegen, gilt als ideale Voraussetzung für sensibles
Musizieren, das sich nicht im bloßen Reproduzieren erschöpft.
Bis zur Gründung der „Deutschen Universität für
Musik und Darstellende Kunst“ in China sind noch letzte formale
Hürden zu überspringen. Eine entscheidende dürfte
der Antrag an den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD)
sein. Denn mit der Vollfinanzierung der deutschen Universität
wollen die Chinesen erst beginnen, wenn die Studiengänge gut
gefüllt sind und laufen. Für die etwa dreijährige
Aufbauphase schätzen Insider den notwendigen Bedarf einer
Anschubfinanzierung auf einige hunderttausend Euro. Doch da der
DAAD ein eigenes Programm für „Studienangebote deutscher
Hochschulen im Ausland“ hat, gilt diese Hürde als überwindbar.
Die ersten rund 200 chinesischen Studenten sollen im Herbst des
kommenden Jahres ihr Studium aufnehmen können. In Dalian,
das etwa eine Flugstunde von Peking entfernt liegt, werden die
gängigen Orchesterinstrumente, Klavier und der klassische
Gesang angeboten, in Mianyang, das in der Provinz Sezuan liegt,
startet der Unterricht für die pädagogisch ausgerichteten
Studiengänge.
Um die ganzen neu entstehenden Professorenstellen an den zwei
chinesischen Standorten besetzen zu können, hoffen die deutschen Hochschulrektoren
auf die Bewerbungen ihrer emeritierten Kollegen und von jungen
aufstrebenden Lehrbeauftragten, denen dann der Titel eines Honorarprofessors
winken könnte. Nach China gehen können aber auch aktive
Professoren, die aber maximal für ein Jahr. Die Vergütung
des Lehrkörpers soll die chinesische Seite nach der Anlaufphase
ganz übernehmen.
Kontakte nach China sind nicht neu: Die Franz-Liszt-Hochschule
Weimar beispielsweise unterhält ein Büro in Peking, von
dem aus Talente für ein Studium in Thüringen gewonnen
werden sollen, die Münchner Musikhochschule kooperiert mit
dem Konservatorium in Shanghai, ebenso die Hochschule in Hamburg,
wo kürzlich die ersten chinesischen Studierenden den deutsch-chinesischen
Master-Studiengang antreten haben. Die UdK wiederum bietet seit
Sommer 2006 an der „China Academy of Art“ in Hangzhou
einen weiterbildenden Master-Studiengang für Bildende Kunst
und Gestaltung an. Doch eine eigene „Deutsche Universität
für Musik und Darstellende Kunst“ in China wäre
ein Schritt von historischer Dimension.