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nmz-archiv
nmz 2008/03 | Seite 50
57. Jahrgang | März
Rezensionen-CD
Anregende Gegensätze
John Cage: Thirty Pieces for String Quartett. Jakob Ullmann:
komposition für streichquartett 2. Arditti Quartet. hr-musik, hrmn 036-07
Von Gegensätzen, aber auch von Anregungen ist die Rede im
Gespräch des Produzenten dieser CD, Bernd Leukert, mit dem
Komponisten Jakob Ullmann, das auch im Booklet wiedergegeben wird.
Ullmann lebte bis 1990 in der DDR. Sein Leben war geprägt
durch das System, in das er sich nicht einfügen wollte, und
so ist auch sein Komponieren untrennbar mit seiner Vergangenheit
verbunden. Seine Musik soll so beschaffen sein, dass sie nicht
ideologisch missbraucht werden kann.
Schon 1978 hatte er in der Bibliothek in Dresden die Gelegenheit,
sich mit den Noten von John Cages Werken zu beschäftigen.
Aber wie diese Partituren relativ frei von Vorschriften für
die Ausführenden klingen sollen, erschloss sich ihm erst gänzlich,
als er zuerst mit dem Geiger und Komponisten Nicolaus Richter de
Vroe und ab 1990 mit Cage persönlich arbeiten konnte.
Auch die Thirty Pieces von Cage haben einige ungewöhnliche
Anweisungen, die zu einem einmaligen Ergebnis führen, und
das ist hier im eigentlichen Sinn des Wortes „einmalig“ gemeint.
Die Ausführenden spielen 30 aneinander gereihte Stücke
innerhalb einer vorher festgelegten Gesamtdauer (Vorgabe des Komponisten
sind circa 30 Minuten). Aber jeder spielt für sich, keine
gemeinsamen Proben, kein Aufeinanderhören während der
gleichzeitigen Aufführung, auch die Sitzordnung kann diese
Unabhängigkeit ausdrücken. So entsteht bei jeder Aufführung
ein neues Stück, denn das Aufeinandertreffen der einzelnen
Töne ist nicht beabsichtigt. Was beim Hörer ankommt,
klingt zufällig zur gleichen Zeit.
Ullmanns Quartett bietet das gegenteilige Hörerlebnis. Er
hat alles genau festgelegt, er schreibt die Ausführung jedes
einzelnen Tones genau vor. Und das Stück ist extrem leise,
am Rande des Hörbaren. Seine Musik ist ohne Expressivität,
ein Merkmal, das Ullmann einsetzt, um den ideologischen Missbrauch
zu verhindern. Eine weitere Grenzerfahrung in Ullmanns Komponieren
findet sich im Umgang mit dem Klang. Er versucht eine engere Verbindung
zwischen Ton und Geräusch herzustellen, als sie zwischen Ton
und Ton besteht, wie er im Gespräch mit Bernd Leukert darlegt.
Um einen solchen Klang hervorzubringen, müssen sich die Instrumentalisten
neue Streichtechniken erarbeiten. Das Arditti Quartet bringt als
eines der renommiertesten Streichquartette im Bereich der Neuen
Musik die besten Vorraussetzungen mit. Wie gewöhnlich suchen
sie bei den Probenarbeiten den engen Kontakt mit dem Komponisten,
um dessen Werk seinen Vorstellungen gemäß umsetzen zu
können. Auch diese CD ist das hörbare Ergebnis einer
gelungenen Zusammenarbeit.