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nmz-archiv
nmz 2008/04 | Seite 15
57. Jahrgang | April
Musikwirtschaft
Klingende Röhren und singende Klassen
Musikpädagogische Themen und Trends auf der Musikmesse 2008
Schlenderte man über die diesjährige Ausstellung der
Musikverlage, konnte man angesichts der Vielzahl an entsprechenden
Spielanleitungen, Arrangements und Handreichungen auf die Idee
kommen, dass Musikunterricht in deutschen Klassenzimmern hauptsächlich
mittels kurz klingender Plastikrohre praktiziert wird. Der Boomwhacker
scheint immer noch zu boomen und verweist einmal mehr auf die erfreuliche
Entwicklung innerhalb der schulischen Musikpädagogik hin zum
praktischen Musizieren.
So bietet die diesjährige Musikmesse neben einem Fachforum
zum Thema Klassenmusizieren vor allem auch Informationen zu zahlreichen
neuen Lehrwerken und Materialien für den Instrumentalunterricht
und das Musizieren in großen Gruppen. Stellvertretend seien
hier genannt: „Die Blockflötenklasse“ von Daniela
Utsava Heitz (Edition Peters) für das Klassenmusizieren mit
der gesamten Blockflötenfamilie und Klavier von Anfang an,
konzipiert für Schüler ab Jahrgangsstufe 5; „An
die Saiten – fertig – los!“ von Ingo Brzoska
(AMA), ein Lehrwerk für die Zupfinstrumente Gitarre, Mandoline
und Mandola, einsetzbar in den Klassenstufen 2 bis 6 und „Streicher
sind klasse“ von Birgit und Peter Boch (Schott), das sich
zum Ziel gesetzt hat, die Lehrplaninhalte der Sekundarstufe direkt
mit einer allgemeinen Musikalisierung und dem fundierten Erlernen
eines Streichinstrumentes zu verbinden. Den hohen methodischen
und organisatorischen Anforderungen in diesem Bereich versucht
man mit Hilfe von zusätzlichem Filmmaterial zum Selbststudium
zu begegnen. Ergänzend sei auch auf eine Publikation von Stefan
Jäger mit dem Titel „Experimentelle Musik in der Hauptschule.
Ausgewählte Ansätze für das Klassenmusizieren“ (Wißner)
verwiesen. Der Autor untersucht hier verschiedene Ansätze
und Kompositionsmodelle im Hinblick auf die Chancen zur Vermittlung
und praktischen Erprobung Neuer experimenteller Musik mit Alltagsgegenständen,
Stimme und technischen Geräten als Ausgangspunkt für
musikalische Grunderfahrungen speziell in dieser Schulform.
Die Wiederentdeckung des Singens
Parallel zur Entwicklung von instrumentalpädagogischen Konzeptionen
für die Schule erlebt das Singen mit Kindern und Jugendlichen
derzeit einen Aufschwung. Hier wird vor allem der Bedeutung einer
frühen Singförderung im Kindergarten in etlichen Neuerscheinungen
Rechnung getragen: Die Stiftung „Singen mit Kindern“ in
Baden-Württemberg hat das Handbuch „Singen im Kindergarten“ (Helbling)
als Loseblattsammlung von Liedern zum Singen, Spielen und Bewegen
für Kindergarten- und Vorschulpädagogen herausgegeben.
Im April erscheint voraussichtlich „Felix.
Handbuch für das Singen und Musizieren im Kindergarten“ von
Gesine Knappe, Markus Lüdke, Beate Quaas und Alexandra Ziegler
(Schott) und Michaela Hefele und Mirka YemenDzakis wollen mit ihrem
Buch „Jedes Kind kann singen. Stimmbildung in Kindergarten
und Grundschule“ Mut machen zu einer selbstverständlichen
und gesunden Singkultur im Alltag mit Kindern (Bosse). Ergänzend
zu den Handbüchern erscheint auch eine ganze Reihe neuer Liederbücher
wie zum Beispiel „Lieder, Spiele, Kanons“ von Andreas
Mohr oder „1000 tolle Töne“ von Wolfgang Hering
mit Begleitmöglichkeiten für elementares Instrumentarium
(Schott) sowie „111 Hits für Kids im Chor“ von
Berthold Kloss mit zweistimmigen Versionen bekannter Hits aus der
Kinderliedermacherszene, vorzugsweise für die Kinderchorarbeit
(Bosse). Fundierte Hinweise zum elementaren Singen und Sprechen
mit Kindern im Vorschulalter findet man in der Neuausgabe von „Musik
und Tanz für Kinder“ (Schott).
Aber auch für das singende Musizieren mit älteren Kindern
und Jugendlichen in Chor und Klassenverband gibt es reichlich neues
Material, in dem neben dem traditionellen Repertoire verstärkt
Pop- und Jazz-Gesang sowie außereuropäisches Liedgut
berücksichtigt wird. So sind in der bekannten Reihe unter
dem Titel „Chor aktuell International“ (Bosse) Arrangements
von Liedern aus über 30 Ländern und allen Kontinenten
erschienen. Bei der richtigen Aussprache hilft eine von Muttersprachlern
besprochene Audio-CD. Unter dem Titel „Auftakt“ firmiert
das neue Pop-Chorbuch für die Schule (Klett/Schott) für
drei- bis vierstimmigen Chor und Klavier, während in der Reihe „Chor
in der Schule“ die Titel „Hits supreme“, „Pop
Ballads“, „Volkslieder remixed“ und „Wise
Guys … and Girls“ neu sind. Grundsätzliches über
die Arbeit mit Chören im Popularbereich verspricht das neue
Buch von Martin Carbow und Christoph Schönherr „Chorleitung
Pop, Jazz und Gospel“ (Schott). Eine Mischung aus Liederbuch
und Unterrichtsmaterialien für einen fächerverbindenden
Unterricht ab der 8. Klasse bietet „Popularmusik im Kontext“ von
Ursel Lindner und Wieland Schmid, Ideen für körperorientiertes,
rhythmisches Spielen und Sprechen in der Klasse findet man in „Rhyth:Mix“ von
Richard Filz mit zahlreichen Stücken für Stimme und Bodypercussion
(Helbling).
Instrumentalpädagogik
Bei der Unterrichtsliteratur für den Instrumentalunterricht
liegen Lehrwerke im Trend, die gleichermaßen gemeinsames
Musizieren von Anfang an, vielfältige stilistische und klangliche
Erfahrungen und fundierten Technikaufbau ermöglichen. Exemplarisch
sei an dieser Stelle Michael Dartschs „Geigenkasten“ genannt,
der nach dem Erfolg der ersten beiden Teile nun um einen dritten
Band zum Thema „Stile, Spieltechnik, Interpretation – ein
Gang durch die Jahrhunderte“ erweitert wird (Breitkopf).
Ebenso wie die Materialien des „Geigenkasten“ ist auch
Eva-Maria Neumanns mit dem Musikeditionspreis 2008 ausgezeichnete „Geigenschule“ für
den Einzel- und Gruppenunterricht geeignet (Deutscher Verlag für
Musik). Musikschulen, die Orientierungskurse für die Instrumentenwahl
anbieten, können auf die Ergänzung der „Schnupperkurs“-Materialien
von Elena Marx zurückgreifen. Neu sind hier die Instrumente
Akkordeon, Cello, Querflöte, Schlagzeug, Klarinette, Saxophon
und Trompete.
Quer durch alle Generationen beliebt, ob zum Singen und Spielen
im Unterricht oder beim häuslichen Musizieren, sind nach wie
vor Klezmer sowie irische und keltische Folkloremusik. Überschaubar
in der Struktur, gleichzeitig aber klanglich reizvoll, bieten sie
immer wieder Anlass zum lustvollen gemeinsamen Musizieren und Improvisieren.
Beispielhaft seien folgende Ausgaben genannt: „That’s
Klezmer“ für 2 Klarinetten und Klavier von Peter Przystaniak
(Peters), „The Celtic Piano Book“ von Thomas Peter-Horas
und Patrick Steinbach (Peters), „Celtic Violin Duets“ und „Klezmer&More“ von
Aleksey Igudesman (Universal Edition).
Für den klassischen Kammermusikbereich und -unterricht gibt
es mit den neuen Spielpartituren des Partitura-Verlags eine Alternative
zum Spielen und Proben aus Einzelstimmen, die allen Mitspielern
das Mitlesen der anderen Stimmen ermöglicht. Durch hervorgehobene
Einzelstimmen, kluge Seitenaufteilung und die Verwendung von Ausklappseiten
ist mit etwas Leseübung mehr Überblick und Orientierungsmöglichkeit
geboten.
Wenig Ausbeute hat die Suche nach Informationen und Materialien
zum Thema Musik im späten Erwachsenenalter ergeben. Momentan
wird diese immer größer werdende Zielgruppe in Neuerscheinungen
nur vereinzelt berücksichtigt. So ist es umso positiver zu
bewerten, dass von Theo Hartogh und Hermann Wickel demnächst
unter dem Titel „Musizieren im Alter“ ein Ratgeber
und Studienbuch für all jene erscheint, die in verschiedenen
Arbeitsfeldern mit älteren Menschen musizieren. In diesem
Zusammenhang darf auch mit Spannung die Publikation des Psychotherapeuten
Helmuth Figdor und des Musikpädagogen Peter Röbke „Das
Musizieren und die Gefühle“ erwartet werden, in dem
es um die Bedeutung des Musizierens für die Erfüllung
psychischer Bedürfnisse und neue Wege im Instrumentalunterricht
geht.
Infotainment und Events
Der Sektor des Infotainment, also der unterhaltsam aufbereiteten
Vermittlung von fachlich fundiertem Wissen, hat auch in die traditionelle
Musikpädagogik Einzug gehalten. Kaum ein Unterrichtswerk kommt
inzwischen ohne Audio- und Videomaterial aus, wobei die Qualität
und Aussagekraft dieser Medien nicht immer auf höchstem Niveau
bleiben. Auch gut durchdachtes Spielmaterial für den Unterricht
ist in der Fülle des Angebots nicht immer leicht herauszufiltern.
In Anlehnung an die einschlägigen Fernsehsendungen haben Gerhard
Wanker, Nikolaus Holzapfel und Bernhard Gritsch „Das große
Musikquiz mit Quizmaker“ als Computerspiel konzipiert. Einsetzbar
in Schule, Musikschule und Freizeit enthält es neben Fragen
zur Musikgeschichte, Musiklehre, zu Instrumenten und Stilen auch
die Möglichkeit, eigene Fragen zu entwickeln und einzuspeisen.
In einer Kinder und Jugendliche ansprechenden Form bietet es nicht
zuletzt die Möglichkeit zur selbstständigen Lernerfolgskontrolle
durch die Schüler.
Einen Ausflug zu ungewöhnlichen Instrumenten konnten auch
in diesem Jahr wieder Schulklassen und Kindergruppen unternehmen,
indem sie die Mitmach-Ausstellung Music4Kids auf der Messe besuchten.
Auf verschiedenen Klanginseln durften die Kinder unter Anleitung
neben traditionellen Instrumenten auch die Klangskulpturen und
aus Alltagsmaterialien gebauten riesigen Instrumente von Michael
Bradke ausprobieren. Wichtig wäre aber vor allem, dass eine
solche Ausstellung all jene anregt, die als musikpädagogisch
Tätige die Nachhaltigkeit eines solchen Events sichern können.