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nmz-archiv
nmz 2008/04 | Seite 38
57. Jahrgang | April
Noten
Akkordeon sucht Partner
Neue Duo-Literatur für schnelle Zunge, leichtes Blatt und Solo-Strich
Klaus
Paier: „Colours“ für Sopransaxophon und
Akkordeon. „Milonga“ für Violine und Akkordeon. „Venerdì,
per esempio“ für Violoncello oder Kontrabass und Akkordeon.
Musikverlag Christofer Varner, München, mcv 1629
Drei kurze Duos mit Akkordeon und jeweils einem anderen Soloinstrument,
in einem Heft vereint, ist wohl nicht der Normalfall. „Colours“ sieht
das Standardbassakkordeon zur seltenen Partnerschaft mit dem Sopransax
vor. Das Manual 1 des Akkordeons verbringt einen erheblichen Teil
des Stückes im Unisono mit dem Saxophon, um dann Akkord- und
Rhythmusaufgaben zum Manual 2 mit zu übernehmen und im letzten
Teil zum Partner-Unisono zurückzukehren. Nach einer Episode
jazzeigener Improvisation schließt sich Teil C als Da-capo-Wiederholung
an. Farbigkeit und Anreiz des Stückes liegen in der Vielzahl
modaler synkopenbehafteter Spielfiguren. Der ohne Tangobezug kaum
vorstellbare Paier bringt mit „Milonga“ als Zweites
ein Stückchen aus einem melancholischen Gedanken der Sologeige
ein, das zu M-3-Akkordeon mit Schülern der unteren Mittelstufe
verwirklicht werden kann. „Venerdì, per esempio“ als „Der
Freitag, zum Beispiel“ bedarf zu hermeneutischer Betrachtung
einiger Fantasie, vom in Italien so bezeichneten (Kar-)Freitagsgesicht
bis zur Deutung dieses Tages als von der Venus stammend, oder einfach
verregnet. Die hier verwendete Kombination aus Einzeltonakkordeon
als Überbau mit einem tiefen Streichinstrument ist als klanglich
reizvoll bereits vielfach belegt. Ein verträumtes Intro vor
einem bewegten 7/8-Teil steht vor einem dritten Abschnitt, in dem
das Akkordeon zu einem längeren kleinphasigen Ostinato gedrängt
wird – ein Freitag wie auch immer: spannend unspannend!
Stimmen für Sopransax mit „C“ und für Violine mit „B“ bei
stimmiger Notierung vertauscht zu kennzeichnen sowie sparsamste Dynamikangaben
in den Noten lassen manches im Unklaren. Die Heftanschaffung lohnt sich wegen
der unterschiedlichen Akkordeon-Partnerinstrumente insbesondere für den/die
Akkordeonisten/-in auf Streicher-/Bläserpirsch in der Musikschule. Schüler/-innen
im Mittelstufenbereich mit jazzigen Ambitionen können damit profitieren
ohne den Anspruch, Glanznummern zu studieren. Neben den Titelangaben befinden
sich bei allen Paier-Stücken auch Verweise auf Einspielungen.
Klaus Paier: „Bulgarian Dance“ und „Quasirondo“ für
Akkordeon und Klarinette. mcv 1627. „Rosenwald“ und „Tango
Moments“ für Akkordeon und Bassklarinette. mcv 1628.
Musikverlag Christofer Varner, München
Die Aufgabenverteilung in „Bulgarian Dance“ zwischen
Klarinette und dem hier geforderten Standardbassakkordeon besteht
in erster Linie aus der Unisono-Aufteilung zwischen Manual 1 und
Klarinette sowie zur Verstärkung der akkordischen Begleitung
der adäquaten ungeraden Taktarten beziehungsweise ihrer Unterteilungen
als 9/8- und 10/8-Takt. Das Stück gleicht dem originalen bulgarisch-bäuerlichen
Volkstanz auch in seinen Modi samt übermäßiger
Sekunde zum Verwechseln, auch in der Verwendung des die frühere
alte Instrumentenpalette ersetzenden Akkordeons. Der Tanz erfrischt
und wirkt motorisch antörnend. Durch das rasante Tempo (Viertel
= MM 200) braucht man für beide Instrumente schnelle Finger,
für die Klarinette ein leichtes Blatt und eine schnelle Zunge.
Das Feeling für die bulgarische Volksseele in ihrer Liebe
zu diesen kippenden Taktarten kann an diesem Tanz auch erworben
werden. Ein in hohem Tempo ins Pianissimo zurückgleitender
Schluss hat das Überraschungsmoment für sich. Eher auf
dem Einzeltonakkordeon (mit M 3) zu verwirklichen ist „Quasirondo“,
das im Allegro molto der gleichen Sparte zuzurechnen ist. Es hebt
sich jedoch ab durch größere Durchsichtigkeit und das
hier verwendete Rhythmusmittel aus laufend wechselnden Taktarten.
Taktweise Wechsel zwischen 3/8-, 4/8-, 5/8- und 2/8-Einheiten beispielsweise
gehören dazu. Die Form verläuft mit A – B – C – A – D – C – A
auf einer Nebenspur des klassischen Rücklaufrondos. Die stimmliche
Behandlung von Klarinette und Akkordeon entspricht jener des bulgarischen
Tanzes. Klaus Paier präsentiert mit diesen unjazzigen Nummern
zwei Reißer in fast schon klassischer Volksmusikbesetzung.
Nicht nur Pubertierende mit geschwindigkeitssportlicher Getriebenheit
können damit sich und Publikum bewegen.
Ganz anders angelegt ist „Rosenwald“: Nach einleitender
polyphoner Zweistimmigkeit in einen weiteren Teil aus rascherem
(Halbe = 90) trillerbestückten Bassklarinetten-Ostinato mündend übernimmt
das Standardbassakkordeon die Führung bis zu einer Solo-Impro,
um dann die Partnerin zu eigenem Melos zu „überreden“.
Das Ende dieses reizenden jazzigen Stückes im Schwierigkeitsgrad
2 bis 3 findet sich im Unisono-Ostinato mittels akzentuierter Achtelgruppen
in dunkler Zweistimmigkeit der beiden Instrumente. Bei ähnlichen
technischen Anforderungen mit M3-Akkordeon befindet sich der Komponist
mit „Tango Moments“ auf Lieblingstour. Der Bassklarinette
die tango-groovende Bassmelodie widmend befinden sich die Akkordeon-Manuale
eher im höheren Klangfeld in gegenseitiger Korrespondenz.
Der Bassklarinette kommt vor dem längeren Da-capo-Teil eine
riffartige Impro-Action zu, die ohne Harmoniebindung weiterzuentwickeln
freigestellt ist. Die spreiz-intensiven Doppeloktavdistanzen im
Manual 3 müssten bei jüngeren Schülern/-innen
zum einoktavigen Griff reduziert werden.
Falls es der Zufall wollte, dass dem Akkordeon mal eine Bassklarinette über
den Weg brummt, dürfte das seltene Pärchen mit diesen
substanzbefüllten Stücken viel Probierspaß haben.