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VdM
nmz-archiv
nmz 2008/04 | Seite 26
57. Jahrgang | April
Verband deutscher Musikschulen
Mit der Geige gegen die Langeweile
Mannheim fördert Musikunterricht für Schüler mit
sozial schwachem Hintergrund
Musik ist das erklärte Lieblingsfach von Senem und Melissa.
Die beiden zwölfjährigen Mädchen besuchen die Klasse
6a der Integrierten Gesamtschule Mannheim-Herzogenried (IGMH) und
haben vor einem Jahr angefangen, Geige zu lernen. Sie sind beste
Freundinnen, verbringen alle Pausen gemeinsam, machen zusammen
die Hausaufgaben und gehen gern shoppen. Jetzt haben sie noch etwas
ganz Besonderes gemeinsam: Beide bekommen ein Musikstipendium.
Drei Jahre lang wird ihnen der Musikunterricht finanziert, den
sie sich selbst – beziehungsweise ihre Eltern – auf
Dauer nicht leisten können. Für dieses von der Musikschule
des Fachbereichs Bildung initiierte Projekt stellt das Städtische
Leihamt 50.000 Euro zu Verfügung, damit in Mannheim insgesamt
30 Schüler mit sozial schwachem Hintergrund gefördert
werden können. Warum Musikunterricht? Hansjörg Korward,
Leiter der Musikschule: „Die Beschäftigung mit einem
Instrument fördert Kreativität, Konzentration und Kommunikation,
das Musizieren in Gruppen fördert Sozialverhalten sowie Teamfähigkeit.“ Aus
vielen Studien ist inzwischen bekannt, dass Kinder, die ein Musikinstrument
gelernt haben, viel weniger zu „Problemkindern“ werden.
Sie brechen seltener die Schule ab, neigen weniger zu Gewalt, sind
eher bereit, eigene Ideen konsequent zu verfolgen. Wer in einer
Band spielt, dem muss man „Gemeinschaft“ nicht lange
erklären.
Senem haben Streichinstrumente schon gut gefallen, als sie noch
in die Grundschule ging. Sie kannte sie aber nur aus dem Fernsehen,
Musikunterricht war damals kein Thema in der Familie. Ähnlich
ging es Melissa, die ganz fasziniert ist von dem Instrument: „Geige
ist etwas Besonderes, man muss richtig üben, um einen schönen
Ton hinzubekommen. Das kann nicht jeder gleich nachmachen.“ Und
das Üben macht ihr sehr viel Spaß, auch wenn sie manchmal
keine Zeit dazu hat – in einer Familie mit fünf Kindern
ist halt immer etwas los. Senem plant täglich etwa eine halbe
Stunde für ihre heißgeliebte Geige ein, „außer
am Wochenende, da bekommen wir immer Besuch von allen unseren Verwandten.“
Jede Woche kommt Geigenlehrerin Carolin Johnson von der Musikschule
Mannheim in die IGMH, um die Mädchen zu unterrichten. Dank
des Stipendiums gibt es jetzt sogar den teureren Einzelunterricht
statt des Gruppenunterrichts. Senems dunkle Augen leuchten, wenn
sie von ihrer ersten Einzelstunde erzählt: „Das war
ganz toll, Frau Johnson hat sich nur um mich gekümmert, jetzt
kann ich viel schneller lernen!“ Das Gelernte setzen die
beiden dann beim Ensemble-Spiel ein.