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nmz-archiv
nmz 2008/04 | Seite 25
57. Jahrgang | April
Verbandspolitik
Mit musikalisch Grundlegendem weite Kreise ziehen
Barbara Metzger, Sprecherin des Arbeitskreises Elementare Musikpädagogik,
im nmz-Gespräch
Der „Arbeitskreis Elementare Musikpädagogik an Ausbildungsinstituten
in Deutschland“ (AEMP) widmet sich seit 1994 den Inhalten
des Studienfaches Elementare Musikpädagogik (EMP) und deren
organisatorischen und berufspolitischen Belangen. Die derzeit 46
Mitglieder sind Lehrende der EMP in Deutschland. Im Mittelpunkt
der halbjährlich stattfindenden Tagungen stehen fachspezifische
Diskussionen, neue Tendenzen des Lehrgebietes, Angleichung der
Qualitätsstandards im Studium, hochschulpolitische Entwicklungen
sowie die Darstellung des Faches in der Öffentlichkeit, etwa
durch Symposien und Veröffentlichungen. Mit Barbara Metzger,
Professorin für Elementare Musikpädagogik an der Hochschule
für Musik Würzburg und seit 2005 Sprecherin des AEMP,
sprach nmz-Chefredakteur Juan Martin Koch anlässlich des Ende
April in Ochsenhausen stattfindenden AEMP-Symposiums.
neue musikzeitung: Was waren im Jahr 1994 die Gründe, den
AEMP ins Leben zu rufen?
Barbara Metzger: Dieses ganz junge Fach hatte bis dahin keine gemeinsame
Vertretung. Jeder war an seiner Hochschule mehr oder weniger Einzelkind,
und wir hatten einfach das Grundbedürfnis, uns miteinander
auszutauschen, sowohl inhaltlich als auch von den Prüfungsordnungen
und von der gesamten Zielsetzung her.
nmz: War die Namensgebung damals
eindeutig, war der Begriff Elementare Musikpädagogik schon so durchgesetzt, dass man sich darauf
einigen konnte? Metzger: Am Anfang trafen wir uns noch unter einem
Konglomerat von EMP, AME (Allgemeine Musikerziehung), MGA (Musikalische
Grundausbildung)
oder MFE (Musikalische Früherziehung), und wir haben, wenn
ich mich richtig erinnern kann, 1995 nach zwei Wochenenden schärfster
Diskussion beschlossen, diesen Namen Elementare Musikpädagogik
zu wählen, wohl wissend, dass der Begriff „elementar“ dadurch
besetzt ist, dass das deutsche Bildungssystem diesen Elementarbereich
kennt, der das Alter Null bis Sechs betrifft, und wohl wissend,
dass er historisch betrachtet vieldeutig ist. Uns ist es wichtig,
die elementare Begegnung mit Musik als grundlegend, schöpferisch,
künstlerisch und immer am Menschen orientiert zu gestalten,
wobei die Ausdrucksmittel Körper, Stimme, Instrument und Material
produktiv oder reproduktiv zum Einsatz kommen und jeder Mensch
in der Gruppe sich unabhängig von Alter oder Vorerfahrung
einbringen kann.
Barbara
Metzger. Foto: privat
nmz: Damals war das Fach jung und
musste sich noch etablieren. Wie weit sind Sie damit seitdem gekommen? Metzger: Soweit ich das beurteilen kann, hat sich
sowohl der Begriff als auch unser Hintergrund, unser Gedankengut,
sehr stark in Deutschland
verbreitet. Ich komme gerade aus Bonn, vom Eltern-Kind-Gipfel des
VdM, auch hier begegnete mir das Wort Elementare Musikpädagogik
ganz oft, und zwar wirklich als eine Metaebene, eine Zusammenfassung
des Bemühens um das aktive Musizieren mit unterschiedlichsten
Zielgruppen in adäquater Qualität.
nmz: Zunächst einmal zu dem, was man studieren kann: Wie viele
Studierende der EMP gibt es eigentlich, wo liegen die Berufsfelder? Metzger: Im Moment gibt es 32 Institute, die in
diesem Arbeitskreis zusammengefasst sind, also Hochschulen und
manchmal auch Universitäten,
in denen das Fach EMP als Hauptfach unterrichtet wird. Im Schnitt
werden an den Instituten zwischen 20 und 50 Studierende ausgebildet,
so dass wohl etwa 700 in dem Fachbereich studieren. Das ist aber
nur eine Schätzung. Was die Berufsfelder angeht, so sind diese
sehr groß und wachsen, sind aber davon abhängig, wie
sich die Finanzierung entwickelt. Der Berufsbereich Musikschule
entwickelt sich weiter, weil der Komplex des Eltern-Kind-Musizierens
von den Musikschulen nun endlich wirklich adaptiert ist. Nach wie
vor sehr wichtig ist der Bereich der Vier- bis Sechsjährigen,
also die Musikalische Früherziehung, ebenso die Felder Instrumentenkarussell,
Orientierungsstufe et cetera. Prädestiniert sind unsere Studierenden
außerdem im Bereich des Anfänger-Instrumentalunterrichts,
denn sie alle haben ja mindestens im Zusatzfach oder sogar im Hauptfach
ein Instrument studiert. Der Bereich des Seniorenmusizierens ist
ein ganz neues Gebiet für uns, und da ist eben die große
Frage: Wer wird da in Zukunft zahlen? Hinzu kommen Projekte wie „Jedem
Kind ein Instrument“ oder, von den Chorvereinen ausgehend, „Tonis
Liedergarten“. All diese Initiativen, die darauf abzielen,
Menschen in Deutschland wieder intensiv an das musikalisch aktive
Tun heranzubringen, sind Aufgabenfelder, die unsere Elementarpädagogen
sehr ansprechen.
nmz: Und wissen die potenziellen
Arbeitgeber, dass es diese dafür
gut ausgebildeten Menschen gibt? Hat sich das schon so weit herumgesprochen? Metzger: Ich denke schon. Die Musikschulen, die
Kindertagesstätten
legen großen Wert auf ausgebildete Musikpädagogen im
Grundstufenbereich. Musikpädagogische Großprojekte wie
die oben erwähnten benötigen professionell ausgebildete
Fachkräfte, deren Aufgabe vor allem in der Qualitätssicherung
liegt, außerdem sind viele unserer Alsoventen auch freiberuflich
tätig, unter anderem in der Erzieher- und Lehrer-Fortbildung.
Hier ist ein großer Bedarf an Fort- und Weiterbildungen im
Fach EMP zu beobachten, beispielsweise für Instrumentalpädagogen,
die in ihrer Ausbildung keinen Einblick in elementares Musizieren
und Gruppenunterricht erhalten haben.
nmz: Gibt es dafür eine zentrale Anlaufstelle oder muss sich
ein Interessent für eine Fortbildung bei einzelnen Akademien
und Fortbildungsinstituten selbst umsehen? Metzger: Eine Zentrale gibt es bisher nicht, doch
in vielen Bundesländern
werden ganze Fortbildungsreihen angeboten, vom VdM im Landesverband
Rheinland-Pfalz etwa oder von der Bundesakademie in Trossingen.
Zu nennen wäre außerdem der gesamte Komplex der Orff-Schulwerk-Gesellschaft.
Es ist im Moment also alles auf die Anbieter verteilt. Das ist
vielleicht insofern auch ganz schön, weil wir dadurch merken,
dass die Prinzipien des Elementaren Musizierens eigentlich viel
wichtiger sind als den 27. Verein oder die 29. Bildungsinstitution
aufzubauen. Entscheidend ist, dass sich die Prinzipien, dieser
Nerv des elementaren Musizierens sehr stark herumsprechen.
nmz: Denkbar wäre aber, dass bestimmte Anbieter eine Art Qualitätssiegel
des AEMP erhalten würden, die man dann auf Ihrer Webseite
gesammelt finden würde. Metzger: Das ist etwas, was anzustreben ist. Obwohl
wir jetzt seit 14 Jahren Aufbauarbeit betreiben für das Fach, ist einfach
noch unendlich viel zu tun. Die Pädagogen sind nicht unbedingt
Marketing-Profis … Unser Anliegen ist es, die Idee und den
Ansatz unter die Menschen zu bringen, und wenn das gelungen ist,
können wir das Marketing nachsetzen.
nmz: Noch einmal zurück zum Studium: Wie steht es mit der
Verbindung zu anderen Ausbildungszweigen, etwa den zunehmend auch
universitär angebotenen Frühpädagogik-Studiengängen.
Sollte da nicht eng zusammengearbeitet werden? Metzger: Mit Sicherheit, aber die Hochschulen
fangen eben erst jetzt im Sinne der Modularisierung an, fach- und
institutsübergreifend
zu denken und zu handeln. Es wurden zum Beispiel bisher keinerlei
Ausbildungsgänge oder Veranstaltungen von Musikhochschulen
an Unis anerkannt. Oder auch in der Zusammenarbeit mit Fachschulen
für Sozialpädagogik: Wir konnten bisher nichts gegenseitig
anerkennen. Es wäre wünschenswert, wenn wir da in Zukunft
eine Öffnung anbieten könnten von der Hochschulseite
aus.
nmz: Wie steht es mit dem Bereich
Rhythmik? Da gibt es ja viele Gemeinsamkeiten. Metzger: Die Rhythmik ist bei uns schon allein
deswegen stark vertreten, weil wir in Personalunion im AEMP etwa
zwölf ausgebildete
Rhythmiker haben und umgekehrt im Arbeitskreis Rhythmik vier Menschen
gleichzeitig unseren Bereich vertreten. Wir sind auch schon in
informellen Gesprächen dabei, diese manchmal durchscheinenden
Gegensätzlichkeiten so zu verbinden, dass wir – ich
drücke mich jetzt noch vorsichtig aus – vielleicht eines
Tages einen gemeinsamen Berufsverband aufbauen könnten, aber
das ist jetzt wirklich noch Zukunftsmusik.
nmz: Ist man schon so weit, dass
man sagen kann: Es gibt ein klar abgegrenztes Berufsbild, wo es
Sinn machen würde, einen solchen
Berufsverband zu gründen? Metzger: Dieses Berufsfeld ist eigentlich bereits
ein gemeinsames. Die informellen Vorgespräche laufen, Ergebnisse kann ich noch
keine vermelden, aber ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass von
beiden Fachvertretungen Rhythmik und EMP ein großes Interesse
an einer Zusammenarbeit besteht, ohne jetzt das eine oder andere
in seiner Eigenheit zu verwässern.
nmz: Sie haben neue Adressatenkreise
angesprochen, zum einen Eltern-Kind-Gruppen, zum Teil auch schon
die werdenden
Mütter, auf der anderen
Seite die „Generation 50 plus“. Besteht die Gefahr,
dass hier schnell Rezeptbücher auf den Markt kommen, die sagen:
So und so arbeitet man mit diesen Gruppen, mit einfach nachzumachenden
Beispielen? Metzger: Menschen, die EMP studiert haben, sind
generell in der Lage, selbständig Konzepte so zu gestalten, dass sie wirklich
auf die einzelnen Zielgruppen reagieren können. Das heißt,
die Konzepte, die es im Moment auf dem Markt gibt, sind eigentlich
für diejenigen gedacht, die fachfremd unterrichten, also keine
entsprechende Ausbildung haben. Trotzdem würde ich mir aber
auch als ausgebildete „EMPlerin“ immer wieder Ideen
und neue Inhalte aus solchen Konzepten herausgreifen.
nmz: Zum Schluss noch ein Blick
auf die konkrete Arbeitsweise des Arbeitskreises. Er trifft sich
zweimal im Jahr
intern, tritt aber
auch mit einer Webseite, Buchpublikationen und Kongressen an die Öffentlichkeit,
aktuell Ende April in Ochsenhausen zum Thema Elementares Musizieren
und EMP in der Schule (siehe nmz 3/08, S. 28). Der Weg an die Schulen
erschließt sich ja nicht automatisch für die EMP. Wo
sind die Berührungspunkte? Metzger: Auch die Musikpädagogik der Schulmusikausrichtung
nimmt inzwischen Kenntnis von der EMP. Und im Zuge der Modularisierung
kann man jetzt auch darüber nachdenken, wie Musikhochschulen,
Universitäten und so weiter stärker ineinander greifen
könnten, etwa durch die gegenseitige Anerkennung von Leistungsnachweisen.
Und das andere Standbein für dieses Thema ist, dass wir ja
durch die kommende Ganztagsschule verstärkt mit Kooperationen
zwischen den allgemein bildenden Schulen und den Musikschulen zu
tun haben.
nmz: Wo die Lehrkräfte auf eine ganz andere Situation treffen
als in der Musikschule, aufgrund größerer Gruppen und
ganz anderer Motivationslagen. Metzger: Genau darauf haben wir schon in der Ausbildung
einen Blick und machen unsere Absolventen auch fähig für solche Aufgaben.
Und das ist eigentlich im Sinne des elementaren Musizierens wieder
sehr schön, denn jetzt treffen wir nicht nur auf die Kinder,
die im Kindergarten oder in der Musikschule bewusst gefördert
werden, mit einem Extra-Interesse der Eltern, sondern wir haben
vielleicht die Chance, unsere Elementar-Idee an alle Menschen heranzubringen.
Literatur
•
J. Ribke: Elementare Musikpädagogik. Persönlichkeitsbildung
als musikerzieherisches Konzept, Regensburg 1995
•
J. Ribke/M. Dartsch (Hg.): Facetten Elementarer Musikpädagogik.
Erfahrungen – Verbindungen – Hintergründe,
Regensburg 2002
•
J. Ribke/M. Dartsch (Hg.): Gestaltungsprozesse erfahren – lernen – lehren.
Texte und Materialien zur Elementaren Musikpädagogik,
Regensburg 2004
Das 3. Symposium des AEMP und der Kongress „Musik bewegt
Kinder. Perspektiven – Modelle – Ansätze“ finden
vom 25. bis 27. April 2008 in der Landesakademie Ochsenhausen
statt. www.landesakademie-ochsenhausen.de; www.aemp.de