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nmz-archiv
nmz 2008/05 | Seite 39
57. Jahrgang | Mai
Oper & Konzert
Festival und Marktplatz für den neuen Jazz
Zwischen Starkonzert und Leistungsschau: Zur dritten Messe „jazzahead!“ in
Bremen 2008
Eine Musikmesse, das sind Hallen voller Instrumente, Notenausgaben
und technischem Equipment. Händler in Boxen machen Geschäfte,
und Musiker probieren die neuesten Modelle ihres jeweiligen Instrumentes
und produzieren dabei eine Soundkulisse, die einem Orchesterwerk
von Dror Feiler oder einer gut verstärkten Big Band jederzeit
Konkurrenz machen könnte – was die Lautstärke betrifft.
Ordermesse nennt sich das Ganze – und genau dieser Prototyp
einer Messe ist das, was die innovative Bremer Jazzmesse jazzahead
nicht ist. Sie ist im Gegenteil Festival und Leistungsschau deutscher
und internationaler Jazzkünstler, sie ist Symposium, und auf
ihr wird Kulturpolitik gemacht.
So wurde auf der diesjährigen jazz-ahead aus der Bundeskonferenz
Jazz heraus der Verein „Spielstätten- und Programmpreis“ gegründet
mit dem Ziel, eine Plattform zur praktischen Umsetzung der Förderung
von Spielstätten im Bereich Jazz zu bilden. Dass sich unter
den 4.865 Besuchern etwa 1.000 Fachbesucher tummelten, zeigt dass
die jazzahead in ihrem dritten Jahr von der Jazzwelt angenommen
ist.
Eine
Entdeckung auf der Messe: das Quintet Jean-Paul, im Zentrum
Gabriel Coburger. Foto: Archiv
Starkonzerte mit Maceo Parker, Trilok Gurtu, Nik Bärtsch,
Marilyn Mazur und Wallace Roney lockten die bremischen Jazzfans
erfolgreich an den ungewohnten Festivalort auf dem Messegelände.
Die Abendkonzerte wurden aber auch von weniger kommerziell erfolgversprechenden
Bands wie dem Berliner Thärichen Tentett und der Jazz Big
Band Graz bestritten. Die Courage der Veranstalter wurde belohnt,
der Saal war dennoch voll. Auch die insgesamt neun Late-Night-Konzerte
im Schlachthof waren gut besucht und endeten selten vor 2 Uhr in
der Frühe. Da die Konzerte des German Jazz Meeting bereits
um 11 Uhr wieder begannen, musste man nur neun Stunden ohne Musik
aushalten. Das German Jazz Meeting, das dieses Jahr nach 2006 seine
zweite Auflage erlebte, ist das Herzstück der jazzahead Während
auf der Messe 2007 bei der JazzXchange genannten Veranstaltung
ausländische junge Musiker den deutschen Konzertveranstaltern
präsentiert wurden, lud die Messe dieses Jahr 65 Festivaldirektoren
und Goethe-Institutsleiter ein, um junge deutsche Musiker ins Ausland
zu „exportieren“.
Knapp 20 Bands, darunter Florian Ross 8Ball, das Carsten Daerr
Trio, Matthias Schriefl Shreefpunk, Cyminology, das Anke Helfrich
Trio oder Hyperactive Kid skizzierten in kurzen, zwanzigminütigen
Statements ein detailliertes Bild des modernen Jazz deutscher Herkunft.
Die Show-Case-Säle waren dieses Jahr zu klein, um dem Andrang
Herr zu werden. Um die Tatsache, dass sie in nur zwanzig Minuten
ihr Können demonstrieren mussten, waren die Musiker nicht
zu beneiden. Sie nahmen es ohne Murren in Kauf – die Aussicht
auf lukrative Gigs überstrahlte dieses Handicap.
Ein Festival ohne Entdeckungen ist keines. Die Entdeckung des
Jahres war das in letzter Minute vor dem Konzert von Trilok Gurtu
eingeschobene
Minikonzert des Quintet Jean-Paul. Bandleader ist der Saxophonist
Gabriel Coburger, der im Frühjahr dieses Jahres mit dem Hamburger
Jazzpreis der Dr. E.A. Langner-Stiftung ausgezeichnet wurde. Die
Besetzung seiner Band sieht zunächst unspektakulär aus:
Vokalist ist Ken Norris, am Klavier Matthäus Winnitzki, Bass
spielt Sven Kerschek und Schlagzeug Derek Scherzer. Aber was dieses
junge Quintett an Klang, Energie und an Schönheit freisetzt,
das ist schon spektakulär. Das Interplay zwischen Tenorhorn
und der dunklen Stimme von Norris – Coburger setzt Norris
wie einen Instrumentalisten ein – ist unkonventionell: ein
Sänger, der im Ensembleklang aufgeht und dessen Sound erweitert.
Matinee-Konzerte sind bei Jazzern eher unbeliebt. Der Morgen
ist einfach keine Zeit für Jazz. Doch was das Bundesjugendjazzorchester
unter der Leitung von Ed Partyka am Sonntagmorgen bot, war frisch,
hoch konzentriert dargeboten und mitreißend. Partyka hatte
mit seinen jungen Musikern ein Programm zum 20-jährigen Bestehen
des Orchesters einstudiert, das Jazzströmungen zwischen 1962
bis in die Gegenwart widerspiegelte: darunter etwa „Evil
Man“ von Thad Jones, „American Express“ von Bob
Brookmeyer, „Last Season“ von Maria Schneider, „Silent
Seekers“ von Efrat Alony und „Overcast“ von Ed
Partyka selbst. Der Bandleader der 41. Arbeitsphase hatte ein schlüssiges
Programmkonzept geformt, das die Entwicklungslinien der klassischen
Big-Band-Besetzung bis in die aktuelle Gegenwart hinein verfolgt.
Andreas Kolb
Bitte beachten Sie auch die Berichterstattung zur jazzahead
2008 in der nächsten jazzzeitung, die im Juni erscheint. Hier wird
insbesondere auf die Themen Spielstättenförderung und
Jazzstipendien eingegangen.