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nmz-archiv
nmz 2008/05 | Seite 1
57. Jahrgang | Mai
Leitartikel
Über Kultur reden statt Spargel essen
Die CDU veranstaltet ihren ersten Kultursalon · Von Barbara
Haack
Die gute Nachricht: Die CDU kümmert sich um die Kultur. Sie
ist ihr etwas wert. Immerhin hatten die Damen und Herren der CDU-Fraktion
auf ihr traditionelles Spargel-Essen verzichtet, um den ersten
Kultursalon der CDU in den heiligen Hallen des Reichstags zu ermöglichen.
Wo sonst seriöse Bundestagsabgeordnete ihre Fraktionssitzungen
abhalten, wurde nun musiziert, rezitiert und vor allem viel über
Kultur gesprochen. Allerdings war irgendwo bei der sicher aufwändigen
Planung der Veranstaltung die Entscheidung darüber in den
Hintergrund gerückt, ob man nun ein Show-Event veranstalten
oder Gelegenheit zu ernsthaften Diskussionen und Gesprächen
geben wollte. So gab es von beidem ein bisschen.
Der Show-Teil allerdings überwog – moderiert vom kulturpolitischen
Sprecher der CDU, Wolfgang Börnsen, der dem ganzen einen Hauch
von Karnevalssitzung gab. Dazu waren Stars aus Film und Fernsehen
eingeladen – mit denen war bereits in der Einladung kräftig
geworben worden. Und es widersprach niemand, als Senta Berger Kulturstaatsminister
Bernd Neumann als „Filmminister“ hofierte. Jener freute
sich und schien den Ehrentitel keineswegs als Degradierung zu empfinden.
Dabei waren durchaus Vertreter aller Kultursparten gekommen, um
zu hören, was die CDU unter Kultur versteht.
Was allerdings sonst hätte Neumann tun sollen, als sich über
den „Filmminister“ zu freuen. War ihm doch kurz zuvor
der „mächtigste Kulturpolitiker“ des Landes vorgestellt
worden: Steffen Kampeter als Vorsitzender des Haushaltsausschusses,
war Podiumsgast des Panels „Wer bezahlt die Kultur?“,
moderiert vom Abgeordneten Philipp Mißfelder.
Den von Mißfelder ins Spiel gebrachten „mächtigsten
Kulturpolitiker“ akzeptierte Kampeter mit einem freundlichen
Lächeln. Später allerdings gefiel er sich in der Pose
des Finanzpolitikers, dem die Kultur im Grunde herzlich egal ist.
Wenn kurz danach Bundeskanzlerin Angela Merkel, die durch ihre
Anwesenheit dem Thema immerhin eine persönliche Wertschätzung
zollte, von der Kultur sprach, „die so notwendig ist wie
die Luft zum Atmen“ oder davon, dass Kultur „ein wesentliches
Element ist, wenn es darum geht, die Weichen für die Zukunft
unseres Landes zu stellen“, dann sei die Frage erlaubt: Brauchen
wir nicht einen Haushaltsausschussvorsitzenden, der sich ehrlichen
Herzens zur Kultur bekennt?
Und eben nicht nur zu einer „Exzellenz-Kultur“. Lediglich
eine solche, so Kampeter, solle der Bund fördern. „Bundeskulturpolitik
ist keine Sozialpolitik“, verkündete er und widersprach
damit seinem Diskussionspartner Fritz Pleitgen. Pleitgen berichtete
vor allem über das Riesenprojekt „RUHR. 2010“,
das in Nordrhein-Westfalen ungeahnte Kräfte mobilisiert habe.
53 Kommunen haben sich zu einem Netzwerk gefügt, welches die
einzigartige Chance, die der Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ im
Jahr 2010 für die Region darstelle, nutzen wolle. Die Kohle
(von Bund, Land und Kommunen) macht’s möglich! Aber
wen stört das, wenn damit ein erfolgreiches Kulturnetzwerk
gesponnen wird? Zurück zu Steffen Kampeter, der neben seiner „Exzellenz-Offensive“ in
Sachen Kultur die berechtigte Forderung erhob, sich beim Thema
Kulturfinanzierung auch der Qualitätsfrage zu stellen. Wer
ist befugt, Qualitätskriterien und damit Bezuschussungsgrundlagen
für die Kultur aufzustellen? Sicher nicht die Politik – da
waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. Natürlich die
Medien – sagt Fritz Pleitgen, insbesondere die öffentlich-rechtlichen
und sicher auch der Rundfunk. Seine Behauptung blieb unwidersprochen,
selbst von Thomas Sternberg, obwohl der als Mitglied der Enquete-Kommission
Kultur eigentlich anderer Meinung hätte sein müssen.
Geht doch aus dem Schlussbericht sehr deutlich die Kritik an der
Qualität der Programme in den öffentlich-rechtlichen
Medien und die Warnung vor einer Verflachung der Inhalte zugunsten
der Quote hervor. Wieso also sollten gerade diese Medien die Qualitätsfrage
beantworten können?
Moderator Mißfelder brachte schließlich den wichtigen
Aspekt des ehrenamtlichen Engagements ins Gespräch. Schließlich
wird auch hier Geldwert geschaffen, den Finanzpolitiker vermutlich
nicht unbedingt auf dem Schirm haben. „Wir müssen uns
davor hüten, anzunehmen, dass das, wo das meiste Geld hin
fließt, auch das Wichtigste ist“, sagt Sternberg mit
Hinweis auf den bedeutenden Bereich der Laienmusik.
Ein kleiner Blick in die – leider parallel stattfindende – Diskussion „Der
arme Poet – Bild oder Realität?“, die sich zentral
mit der Gefährdung der Künstlersozialkasse beschäftigte.
Hier ist es nicht etwa die Politik, die die soziale Absicherung
freischaffender Künstler in Frage stellt. Vielmehr wehren
sich mächtige Verwerter-Verbände, allen voran die Industrie-
und Handelskammer, dagegen, die für sie anfallenden Beiträge
zu zahlen. Deshalb, so scheint es, steht die KSK nun auf der Kippe.
Kann es denn wirklich sein, so fragen sich da die kleinen Kulturorganisationen,
die seit Jahren brav offenbar nicht nur ihre Beiträge gezahlt,
sondern die der „Großen“ mitfinanziert haben,
dass, weil mächtige Verbände sich seit 25 Jahren weigern,
ein Gesetz zu befolgen, dieses nun einfach im Orkus verschwindet?
Fazit dieses ersten CDU-Kultursalons: Geplant waren Gespräche über
Kultur. Ziel erreicht, möchte man sagen. Nur war es doch eher
ein Geplauder denn ernsthaftes Gespräch. Bei einer Wiederholung
sollten sich die Veranstalter weniger Gedanken über Glanz
und Glamour und mehr über Ziele und Auswertung eines solchen
Events machen. Zu hoffen bleibt, dass sich der christdemokratische
Spargel-Verzicht dahingehend gelohnt hat, dass das Bewusstsein
für die Kultur bei den Abgeordneten wächst.