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nmz-archiv
nmz 2008/05 | Seite 1
57. Jahrgang | Mai
Leitartikel
Concept-Art
In der sogenannten Concept-Art, deutsch: Konzeptkunst, beschränkte
sich die Kunst in der Regel auf das Konzept: live in your head – lebe
in deinem Kopf, so hieß die Devise. Das Konzept wurde aufgeschrieben
und an die Wand geheftet. Ausführung überflüssig.
Seit in Bayreuth der Nachfolgeerbkrieg auf dem Grünen Festspielhügel
tobt, wird von allen Beteiligten bevorzugt das Wort „Konzept“ benutzt.
Die zur Diskussion stehenden Nachfolger, die alle Nachfolgerinnen
wären, sollen für die diversen Entscheidungsgremien jeweils
ein „Konzept“ vorlegen, damit die klugen Köpfe
in Stiftungsrat und Freundeskreis erfahren, wie es weitergehen
könnte mit den Festspielen. Aus einer zurückliegenden
Findungsrunde liegen ja schon mehrere „Konzepte“ vor.
Aber die sind wohl inzwischen Makulatur, nachdem Festspielgott „Wotan“ Wolfgang
Wagner sich weigerte, den „Wanderer“ (im „Siegfried“)
zu übernehmen. Er liegt und besitzt, wie der Lindwurm Fafner,
der einst ein Riese war. Also her mit neuen „Konzepten“ von
den verschiedenen Damen, genannt Töchter, die nach der Herrschaft
gieren wie Alberich nach dem geraubten „Ring“. Wenn
diese Zeitung erscheint, haben die zuständigen Juroren wieder
einmal getagt und entschieden oder nicht entschieden. Das ist inzwischen
fast schon egal. Richard Wagner hat zehn autorisierte Musikdramen
komponiert, die man im Turnus bei den Festspielen aufführt.
Das hat bislang gut funktioniert und wenn, wie in letzter Zeit
häufiger geschehen, die eine oder andere Produktion, manchmal
sogar der ganze Viererpack genannt „Der Ring des Nibelungen“ nicht
so recht gelingt, dann liegt das weniger am Alter des Alten, sondern
daran, dass außer Christian Thielemann (immerhin!) kaum ein
genuiner jüngerer Wagner-Interpret zu finden ist, und die
Regisseure der Opernszene, kollektiv betrachtet, auch in Bayreuth
meist das abliefern, was sie zuvor schon an den großen Opernhäusern
verkauft haben.
Natürlich kommt bei derartigen Verschleißerscheinungen
jeder Festspielgedanke allmählich auf den künstlerischen
Hund. Was aber ist der „Festspielgedanke“? Ein Festspiel
definiert sich nicht nur durch das außerordentliche künstlerische
Angebot, sondern auch, und das wird gern verdrängt, durch
die Rezipienten, das Publikum. Das Nur-Dabeisein genügt nicht,
man müsste auch „Mittendrinsein“, mit Verstand
und Herz, mit Neugier und ein wenig altmodischer Bildung. Solch
ein Publikum aber lässt sich nicht mit einem „Konzept“ erringen.
Da können noch so kluge Sätze formuliert werden. Vielleicht
könnte man ja, um auf die Konzeptkunst zurück zu kommen,
die jeweiligen „Konzepte“, hübsch eingewickelt,
auf der Bühne als Aufführung präsentieren. Lohengrin,
Tannhäuser und Parsifal als Schriftstücke im Kopf. Dann
sparte man sich auch den teuren Inszenierungsluxus, bei dem ohnehin
meist nichts herauskommt. Und die Öffentliche Hand könnte
ihre lächerlichen viereinhalb Millionen, wegen der sie sich
unablässig mächtig aufplustert, besser anders verwenden,
für schöne Dienstreisen und so.