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nmz-archiv
nmz 2008/05 | Seite 43
57. Jahrgang | Mai
Rezensionen-CD
Pianistische Lösung
Johann Sebastian Bach: Musikalisches Opfer, Präludium & Fuge
BWV 552. Girolamo Frescobaldi: Drei Toccaten. Konstantin Lifschitz
Orfeo C 676071 A
Mit seiner neuesten CD-Einspielung bei Orfeo kreiert Konstantin
Lifschitz die faszinierende pianistische Lösung für eines
der berühmtesten, zugleich aber rätselhaftesten und wenig
vertrauten Werke der Musikgeschichte: Bachs „Musikalisches
Opfer“. Die umfangreiche Komposition, bestehend aus 13 Sätzen,
einschließlich zweier komplexer Fugen (drei und sechsstimmig)
sowie einer Triosonate, widmete Johann Sebastian Bach dem Preußen-König
Friedrich II. Der Anordnung mangelt es an Einheitlichkeit und Logik,
so dass das Werk im Konzertleben kaum heimisch wurde, aber mehrfach
zu Bearbeitungen herausforderte. Die berühmteste schuf Anton
Webern für das Kernstück des „Musikalischen Opfers“,
das „Ricercare a 6“ oder die „Preußische
Fuge“.
Der russische Pianist hat sich intensiv mit diesem Spätwerk
Johann Sebastian Bachs auseinandergesetzt und präsentiert
es erstmals als komplette Klavierbearbeitung. Der Pianist folgt
in der Umsetzung beziehungsweise Wiedergabe nicht der großen
russisch-romantischen Tradition, sondern beschränkt sich,
wie Lifschitz im Booklet vermerkt, auf „ ein gewisses Konglomerat
von verschiedenen Instrumentenkenntnissen oder, genauer, sonoristischen
Vorstellungen“. Dies schließt die hohe Kunst des Pedalgebrauchs
ein, wobei sein Klavierton niemals trocken oder gar asketisch wirkt.
Seine Interpretation überzeugt durch Transparenz und Klangschönheit.
Subtile Anschlagskultur verbindet er mit Geist und Poesie, wobei
er die Möglichkeiten des modernen Konzertflügels souverän
ausschöpft. Jene Stellen, an denen er die Klangfülle
und Struktur seines „Klavierauszugs“ nicht in die Finger
zu bekommen scheint, bewältigt Lifschitz vierhändig im „Playback
mit sich selbst“, um seinem Anspruch optimal gerecht zu werden.
Mit fein geschliffenem, klarem Klavierton spürt er die Struktur
des Werkes auf, kehrt sein persönliches Profil hervor. Quasi
als Zugabe serviert Lifschitz noch drei Toccaten von Girolamo Frescobaldi,
die sich als wahre Raritäten erweisen. Die „freien“ Cembalostücke
mit ihrem organischen Motiv-Wuchs und virtuosen Schliff offenbaren
sich für den Pianisten als eine Spielwiese des Frühbarock,
was wiederum Gelegenheit zu brillantem Agieren gibt. Ein umfangreiches,
sehr informatives Begleitheft komplettiert die Aufnahme.
Der Künstler nimmt uns mit auf eine bewegende Reise in unbekannte
Gefilde und macht Lust auf weitere spannende Auseinandersetzungen
mit Barockmusik.