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nmz-archiv
nmz 2008/05 | Seite 42
57. Jahrgang | Mai
Rezensionen-CD
Wie spät ist es im Paradies
Sidney Corbett: Que hora est in paradiso? Kammermusik für
und mit Gitarre. Seth Josel. musikFabrik Johannes Debus
Cybele 2006
Für Corbett ist Musik das Hineinhorchen in ein Universum
der Klänge. Ein sehr filigranes Universum, das aus verwirrend
verknüpften, rhythmisch vertrackten kleinen Figuren besteht.
Kein Stück dieser wunderschönen CD ist mit imposanten
Effekten gespickt, niemals buhlt die Musik um die Sympathie des
Hörers. Aber schon bald zieht Corbetts Musik die Ohren in
den Bann, zaubert Farben und Figuren. Sie ist beunruhigend schön.
Auch wenn es langsam und leise zugeht – immer brodelt etwas
unter der sparsamen Oberfläche der Töne, treibt voran,
lässt hinhorchen, überrascht mit plötzlichen Wendungen.
Tonrepetitionen lassen einzelne Töne erblühen, produzieren
Spannung und reichen (weil klug gesetzt) oft schon aus, um eindrucksvolle
Klänge zu produzieren. Dabei ist die Musik Corbetts, der einst
in der Rockmusik begann, niemals schroff oder abweisend, stattdessen
eher ins Innere gekehrt und lauschend. Corbett liebt die Melodik
aber verzichtet auf ohrenfällige melodische Zusammenhänge.
So ergeben sich größere melodische Strukturen aus kleinen,
fast unauffälligen Teilen, greifen die sorgsam gesetzten Noten
ineinander wie die Fäden einer delikaten Stickerei. Rhythmisch
vertrackt und wohlüberlegt passt so eines zum anderen. Diese
CD mit dem hübschen, zum Schmunzeln und Nachdenken gleichermaßen
anregenden Titel, hat ausschließlich kammermusikalische Besetzungen
mit und um die Gitarre herum (akustische Gitarre und E-Gitarre).
Die klassische Gitarre darf auch ganz allein: „Variations
in Memoriam Edison Denisov“ (1998). Zart und innig, klangschön
und kein bisschen brav. Die kunterbunte Instrumententruppe
aus „Exits“ (E-Gitarre Solo, Flöte/Piccolo/Altflöte/Bassflöte,
Oboe/Englischhorn, Klarinette/Bassklarinette, Fagott, Trompete,
Posaune, Percussion, Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass) wird
nur wegen der sehr subtilen und abwechslungsreichen Klangmöglichkeiten
der Instrumente benötigt, weniger der großen Lautstärke
wegen. Okarina und Mundharmonika setzen zudem noch gezielt ein
paar klitzekleine Klangtupfer hinzu. Und weil Corbett so geschmackvoll
und zurückhaltend aus dem Vollen schöpft, wird es auch
hier niemals kitschig. Durch die hervorragenden Musiker ist diese
CD ein echter Ohrenschmaus, ein tolles rundes Ding.