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nmz-archiv
nmz 2008/05 | Seite 42
57. Jahrgang | Mai
Rezensionen-CD
Avancierter Konservativer
Vincent d’Indy: Klavierwerke I (Poème des Montagnes
op. 15, Tableaux de Voyage op. 33, Thème varié, fugue
et chanson op. 85). Michael Schäfer.
Genuin 87083
Vincent d’Indy: Klavierwerke II (Petite Sonate op. 9, Sonate
en mi op. 63, Fantaisie sur un vieil air de Ronde francaise op.
99). Michael Schäfer.
Genuin 87101
Vincent d’Indy, 1851 geboren, lag im Alter zwischen Fauré und
Debussy. Als Dirigent war er ein Interpret von hohen Graden, als
Komponist ein Suchender (und trotz seiner Verweigerungshaltung
gegenüber der Moderne fortschrittlich gesonnen), schließlich
ein begehrter Pädagoge (in dem Zusammenhang Gründer der
traditionsverpflichteten Schola Cantorum) – alles in allem
eine der hochangesehenen Musiker-Persönlichkeiten Frankreichs
bis zu seinem Tod 1931. Aus dem Musikleben, zumal dem deutschen,
scheint er seit langem ausgeblendet. Der Münchner Pianist
Michael Schäfer hat sich auf zwei CDs der Klaviermusik d’Indys
verpflichtet und bemerkenswerte Funde zu Tage gefördert. Als
Höhepunkt aus den für diese Veröffentlichung gewählten
Werken kann die Sonate in E op. 63 von 1908 gelten. D’Indy
befand sich mit ihr auf vorgeschobener Position, ohne deshalb überkommene
Kompositions- und Spieltechniken preisgegeben zu haben. Er verlässt
nie tonale Harmoniegrundlagen, überreizt sie aber hochkreativ.
Die pianistisch komplexe Ausführung knüpft bei Liszt
und anderen in dieser Epoche des romantischen Virtuosentums an.
Das Klangbild, vor allem von d’Indys späterer Musik,
ist über Strecken Skrjabin nahe. Zum Kennzeichen dieser Sonate
wird eine kontrapunktische, bis zur inneren Angestrengtheit gehende
Verarbeitungstechnik.
Schäfer entwirrt sie spielerisch-spielend, er operiert virtuos
und ist dabei immer auf Versachlichung der monumentalen Übergipfelungen,
des oft klanglichen Überdrucks bedacht. Mit seiner hartnäckigen
Entschlüsselungsarbeit verwendet er sich für einen avancierten
Konservativen, der die reiche musikalische Vergangenheit Frankreichs
neben Fauré und Debussy mit innovativen Facetten zu erweitern
verstand. Sein Werk verdiente aktuelle Beachtung.