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nmz-archiv
nmz 2008/05 | Seite 44
57. Jahrgang | Mai
Rezensionen
Kurz vorgestellt
CDs
Franz Schubert: Klaviersonaten D 537 und 894; Helmut Lachenmann:
Fünf Variationen über ein Thema von Schubert; Guero.
Herbert Schuch, Klavier. Oehms OC 593
Herbert Schuch steht gewiss nicht in der obersten Riege der
Tastenvirtuosen. Aber diese CD belegt wieder einmal, dass man
langsam auf diese
Auslaufmodelle verzichten kann. Denn Schuch nähert sich Schubert
mit einer Wärme und Intensität der Wahrnehmung, dass
alle feinen klanglichen Hallphänomene, denen Schubert so intensiv
nachlauschte, wie neugeborene Harmonien wirken. Und über die
Variationen des jungen Lachenmann kommen wir zu dessen Guero, und
man merkt, dass es in der Musik immer um das Gleiche geht: Um das
staunende Vernehmen. Nur die Gewänder wechseln.
Hommage à August Stramm. Kompositionen von Schleiermacher,
Heisig, Rihm, Rühm, Barlow, Vogel, Walden, Reinhold und Babbitt.
Hildegard Wiedemann, Mezzosopran; Holger Falk, Bariton; Steffen
Schleiermacher, Klavier; Wolfgang Heisig, Phonola; Ralf Mielke,
Bassflöte; Dorothea Hemken, Viola. MDG 613 1496-2
Der Postinspektor August Stramm, der 1915 an russischer Front
fiel, hat in seinen letzten drei oder vier Lebensjahren die Literatur
revolutioniert. Ob er sich dessen selbst bewusst war, spielt
keine Rolle, er warf einfach semantische Fetzen aufs Papier und
zeichnete
so die Umrisse einer emotionalen Landschaft. Wunderbares Material
für musikalische Phantasien! Hier ist eine für sich selbst
sprechende Sammlung mit Stücken zwischen 1915 bis heute in
expressionistischer, dadaistischer bis konstruktivistischer Umsetzung
zusammengestellt. Es entstand eine vielfältige, hügelige
Welt mit all den Untiefen und Abgründen, die Stramm gefühlt
haben muss.
Luigi Nono: Prometeo. Diverse Interpreten. Experimentalstudio,
André Richard; Leitung: Peter Hirsch, Kwamé Ryan.
col legno WWE 2SADC 20605
Diese in Freiburg erstellte Produktion von Luigi Nonos krönendem
Musiktheaterwerk ist, was Prägnanz der klanglichen Gestaltung,
Durchsichtigkeit der elektroakustischen Modifikationen und Raumerscheinung
der Musik anlangt, auf allerhöchstem Niveau. So klar, so differenziert,
so zwingend fällt das aus, dass Metzmachers Live-Einspielung
bei EMI von 1993 doch um einiges dahinter zurück bleibt. Jetzt
erst treten viele Wunder dieser Partitur offen vor die Ohren. Die „Tragödie
des Hörens“, so Nonos Untertitel, wird zur fesselnden,
enigmatischen Botschaft.
Howard Skempton: Catch; Tendrils. Jo Kondo: Hypsotony; Fern; Mr.
Bloomfield, His Spacing. Quatuor Bozzini. CQB 0704
Musik der Reduktion, der kleinen und innigen Wendungen, lustvoll
verspielt und zugleich voller fremdartiger, wie aus fernen Zeiten
herüberwehender melodischer Bögen. Es ist hörbar
Musik, zu der das hervorragende kanadische Quatuor Bozzini eine
große Affinität besitzt. So wird jede Gestalt nachdrücklich,
jeder Zusammenklang bekommt Raum und Tiefe.
Morton Feldman: For Philip Guston. Julia Breuer, Flöten;
Mathias Engel, Schlagzeug; Elmar Schrammel, Klavier, Celesta. Wergo
6701/04 (4 CDs)
Mehr als viereinhalb Stunden dauert dieses auf vier CDs untergebrachte
Stück, das das vielleicht motivisch konziseste Werk des späten
Morton Feldman ist. Die drei Musiker/-innen spielen durchweg mit
konzentrierter Hinwendung zu jeder Gestalt, jedem Einzelton. Dennoch
ist das Ergebnis nicht kalt, vielmehr zwingt uns die Musik in ihren
Zeit-Raum, der ein ganz anderer ist, als unsere gewöhnlichen
Orte des Musik-Hörens: Lustvolles Überstehen, Freude
am Unendlichen, Vertrauen ins Weite.