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nmz-archiv
nmz 2008/05 | Seite 29
57. Jahrgang | Mai
Deutscher
Tonkünstler Verband
Hörer nicht bedienen, sondern herausfordern
Der TKV Bayern feierte sein 60-jähriges Bestehen unter anderem
mit einem Klavierbuch
Vom 10. bis 13. April fanden neben den zentralen Konzerten in
München, Augs-
burg und Würzburg weitere Veranstaltungen mit Musikern des
Landesverbandes in Ansbach, Coburg, Bamberg, Fürth, Nürnberg
und Regensburg statt. Die Konzerte boten mit ihren Programmen mit
Werken bayerischer Komponisten des DTKV und den Darbietungen von
Lehrenden und Schülern den Zuhörern einen hervorragenden
Einblick in die effektive Arbeit des Berufsverbandes – die
Verzahnung von professionellen, renommierten Musikern mit Nachwuchskünstlern
und Ausbildenden aller instrumentaler Sparten.
Die Festschrift zum Jubiläum dokumentiert auf anschauliche
Weise und mit fundierten Artikeln untermauert, die künstlerische
und pädagogische Arbeit des Verbandes seit 1948: Neben einem
Rückblick über 60 Jahre Musik in Bayern erfährt
der Leser die Arbeit in der Kulturpolitik durch ein Interview mit
Staatsminister Dr. Goppel, über die Bemühungen des DTKV
um eine Besserstellung der Lehrbeauftragten an den Hochschulen
für Musik, über die Bedeutung der Musikerziehung sowie
die Fortbildung von Musiklehrern und viel über die Förderung
Neuer Musik.
Eine besonders zu erwähnende Publikation zum Jubiläum
ist die Herausgabe eines „ Münchner Klavierbuches“ mit
Neuer Klaviermusik für den Klavierunterricht.
Dr. Hewig (1. Vorsitzender des LVBT) schreibt im Vorwort zur Notenausgabe: „Zeitgenössische
Musik entwickelt sich nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten.
Selten nimmt sie Rücksicht auf den Musikunterricht. Um dem
Mangel an neuer Unterrichtsliteratur abzuhelfen und eine Brücke
zwischen Komponisten und Nachwuchsinterpreten zu schlagen, hat
der Landesverband Bayerischer Tonkünstler einen Kompositionswettbewerb
ausgeschrieben und um Einsendung von Werken gebeten, die geeignet
sind, Anfänger und Fortgeschrittene mit der Vielfalt der Ideen
heutiger Komponisten bekannt zu machen. Ziel des Wettbewerbs war
unter anderem, das Spektrum von Neuer Musik zu erweitern und auch
solche Musik anzubieten, die der heutigen Jugendkultur nahe steht
und geeignet ist, festgefahrene Vorurteile gegen die moderne E-Musik
abzubauen.“
Die Auswahl traf eine Jury unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Klaus
Hinrich Stahmer, und man darf konstatieren, dass dieser Jury eine
hervorragende Zusammenstellung gelungen ist.
Gut spielbare kleine Stücke Neuer Musik in der Kategorie „leicht“ bis „mittelschwer“ dürften
tatsächlich ein Novum in der Neuen Klavierliteratur darstellen.
Insgesamt beinhaltet das Münchner Klavierbuch 31 Kompositionen
von den Komponisten Dieter Kanzleiter, Edwin Kammerer, Michael
Proksch, Franz Tröger, Rolf Wilhelm, Heiko Kröner, Graham
Waterhouse, Karl Haus, Roland Leistner-Mayer, Alexander Sternemann,
Jens Kaiser, Elke Tober-Vogt, Wilfried Hiller, Klaus Hinrich Stahmer,
Wolfram Oettl, Christine Appelt, Herbert Baumann, Ernst Bechert,
Claus Kühnl, Wilhelm Killmayer, Andie Heyer, Lorenz Schmidt,
Roger Janotta, Christian Glowatzki, Joachim F.W. Schneider, Richard
Heller, Jörg Widmann, Harald Genzmer, Moritz Eggert, Peter
Michael Hamel und Werner Heider. Ein kurzer Kommentar vor jedem
Stück gibt Einführungen in die Intention der Komposition
und Informationen zum Komponisten.
Prof. Stahmer beschreibt die Entstehung der Publikation im Artikel „Neue
Musik für den Unterricht“:
„
Bei genauerem Hinsehen lässt sich immer wieder konstatieren,
dass es in der Regel kein tiefer gehendes Interesse für moderne
Musik gibt, jedenfalls keines, das mit der gleichen Liebe zur Musik
einhergeht, die man „seinem“ Bach oder Mozart entgegen
bringt. Da fehlt das Verhältnis auf Augenhöhe. Der Komponist
einer zeitgenössischen Komposition ist fast immer ein Sonderling
und Außenseiter, jedenfalls einer, der nicht seine Spieler
und Hörer „bedient“, sondern herausfordert, und
zu diesem findet der Hörer in der Regel nur schwer den Zugang,
und noch viel schwerer der Nachwuchsmusiker … Mit der Maßgabe,
eine Druckausgabe von 64 Seiten herzustellen, die – geordnet
nach Schwierigkeitsgrad – in ihrer Vielseitigkeit den individuellen
Ideen der jüngeren und älteren Autoren gerecht werden
und die auch einem zögernd abwartenden Schüler „Lust
auf mehr“ machen könnten, traf die Jury, nach entsprechendem
Ausprobieren am Instrument, ihre Wahl ... Von zwei kleinen Besonderheiten
beim Auswahlverfahen berichtet Prof. Stahmer zudem, die die Bandbreite
der Einsendungen zu diesem Projekt verdeutlichen: Eine Komponistin
sandte einen „Hofbräuhaus-Rag“ ein, der sich in
einem Münchner Klavierbuch dringend finden sollte, und eine
neunjährige Schülerin (des Lehrers Wolfgang Zoubek, gest.
2007) gab drei Kostproben ihres Könnens ab, die eine aufstrebende,
begabte Komponistin erkennen lassen, aber ebenso wie der oben genannte
Rag nicht berücksichtigt werden konnten.
Besonders gut war die Idee, einige Stücke des Klavierbuches
im Festkonzert am 10. April im Künstlerhaus am Lenbachplatz
vorzustellen. Jakob Ruderer und Katharina Müller am Klavier
spielten „Fingerkarussel“ von G. Waterhouse, „Die
Waage“ von W. Hiller, „Albumblatt“ von R. Heller, „Vom
Klang des Lebens“ von P.M. Hamel und „Run“ von
W. Heider und gaben so einen lebendigen Eindruck dieser neuen pädagogischen
Kompositionen.
Das Münchner Klavierbuch ist eine herausragende Idee des Verbandes
und eine überaus gelungene Publikation. Es setzt nicht nur
neue Maßstäbe, sondern bietet mit seinem Vorbildcharakter
für andere Landesverbände einen enormen Anreiz.
Adelheid Krause-Pichler
Münchner Klavierbuch. Neue Klaviermusik für den Unterricht,
herausgegeben vom LV Bayerischer Tonkünstler, Verlag Vogt & Fritz,
Schweinfurt, VF 755