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nmz-archiv
nmz 2008/05 | Seite 25
57. Jahrgang | Mai
Verbandspolitik
Auf drei Ebenen zu nationaler Bedeutung
Jörg Riedlbauer, Präsident der Deutschen Mozart-Gesellschaft,
im nmz-Gespräch
Im Mai 2006 hat der Komponist und Musikwissenschaftler Dr. Jörg
Riedlbauer die Präsidentschaft der Deutschen Mozart-Gesellschaft übernommen.
Mit der nmz sprach er über Ziele und Pläne der DMG und über
das Mozartfest 2008, das in diesem Jahr erstmals in zwei Bundesländern
stattfindet.
neue musikzeitung: Herr Riedlbauer, bitte erklären Sie uns,
was die Mozart-Gesellschaft genau darstellt, wo Sie ihren Wirkungsbereich
sehen und welche Ziele sie verfolgt. Jörg Riedlbauer: Zunächst einmal ist die Deutsche Mozart-Gesellschaft
der Dachverband der Mozartvereinigungen in Deutschland. Das geht
von A wie Arnsberg bis Z wie Zweibrücken. Verbandsgemäß laufen
bei uns viele Fäden zusammen, wir beraten unsere Mitglieder
bei ihren Aktivitäten, aber wir haben auch eigene Aufgaben:
Zum einen ist die DMG im wissenschaftlichen Bereich für die
Mozartforschung und die Mozartdokumentation zuständig. Dafür
haben wir mit den „Acta Mozartiana“ ein eigenes Publikationsorgan,
das von unserem Präsidiumsmitglied Prof. Dr. Laurenz Lütteken
von der Universität Zürich betreut wird. Die „Acta
Mozartiana“ hat sich über die Jahre zu einem sehr anerkannten
Periodikum entwickelt. Wir haben satzungsgemäß aber
auch Aufgaben im pädagogischen Bereich, die darauf abzielen,
Menschen dazu zu bringen, sich aktiv nicht nur mit Mozart, sondern
mit der gesamten klassischen Musik zu befassen. Der dritte Punkt
ist der künstlerische Bereich. Wir betreiben und fördern
die Aufführung von Werken Mozarts und solcher Komponisten,
die mit ihm in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Das geschieht
vor allem im Rahmen des von uns ausgerichteten Deutschen Mozartfestes.
Seit
Mai 2006 Präsident der DMG: Jörg Riedlbauer.
Foto: BMR
nmz: Das Mozartfest 2008 beginnt
in Kürze, und das Motto lautet „Klassik
und Moderne“. Gemessen an seiner Zeit ist Mozart durchaus
ein Begriff für fortschrittliches, modernes Komponieren. Heute
ist das sicherlich nicht mehr so leicht zu vermitteln. Wie gehen
Sie an die Aufgabe heran, Mozart und Moderne in eine Reihe zu stellen? Riedlbauer: Wir können da natürlich nicht alle Ansatzpunkte
aufgreifen. Was wir aber beim Mozartfest 2008 tun werden, ist,
Werke Mozarts mit Musik des 20. Jahrhunderts in ein und demselben
Konzert zu verbinden, das wird auch bis in den Jazz- und Popmusikbereich
hineingehen. Außerdem werden wir das 20. Jahrhundert geschichtlich
reflektieren in einer Veranstaltung auf dem ehemaligen Nürnberger
Reichsparteitagsgelände, wo Prof. Dr. Ulrich Konrad, einer
der renommiertesten Mozartforscher, die wir derzeit haben, einen
Vortrag über die Mozartrezeption im Nationalsozialismus halten
wird, in Verbindung mit düsteren, zerklüfteten Kammermusikwerken
Mozarts wie dem d-Moll-Streichquartett.
nmz: Das Mozartfest findet in
diesem Jahr zum ersten Mal länderübergreifend
zwischen Sachsen und Bayern statt. Wie kommt es zu dieser geografischen
Ausweitung, nachdem das Mozartfest bisher immer in der Verantwortung
einer einzigen Stadt lag? Riedlbauer: Zum einen verbindet die beiden Freistaaten
eine lang andauernde kulturelle Beziehung. Zum anderen versteht
sich die
DMG als nationale Vereinigung, und das wollen wir mit dem Mozartfest
2008 transportieren, indem nicht eine einzelne Stadt der Ausrichter
des Festes ist, sondern zwei Länder, in diesem Falle eben
Bayern und Sachsen.
nmz: Diese Ausweitung des Mozartfestes
auf über sechs Kommunen
in zwei Bundesländern war sicherlich nicht einfach zu realisieren,
wenn man beispielsweise Programmüberschneidungen vermeiden
will. Riedlbauer: Richtig, das war nicht leicht, aber
wir haben uns in diesem Jahr auf Chemnitz als Zentrum der Veranstaltungen
festlegen
können. Chemnitz trägt also die programmatische Hauptverantwortung,
und von dort ausgehend tragen wir das Thema Mozart und seine Rezeption
in unserer Zeit in konzentrischen Kreisen in andere Regionen hinein.
Wir wollen also trotz der überregionalen Ausrichtung des Mozartfestes
keineswegs von dem Prinzip abrücken, dass sich einzelne Städte
dabei besonders profilieren können.
nmz: Was werden die Highlights
in diesem Jahr beim Mozartfest sein? Riedlbauer: Neben der schon angesprochenen Veranstaltung
in Nürnberg
auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände ist das schon die
Eröffnung in Chemnitz mit der „Zauberflöte“.
Von besonderem Reiz, denke ich, ist auch die Auftaktveranstaltung
in der Städtischen Musikschule Bayreuth, wo die Schüler
einen zwölfstündigen „Mozartmarathon“ gestalten
werden.
nmz: Das klingt ein wenig nach
Peter Ruzickas Salzburger Mammut-Opernprojekt „Mozart22“.
Wollen Sie sich dem im Kleinen anschließen? Riedlbauer: Es wäre vermessen, da Vergleiche zu ziehen. Sie
bringen da aber ein wichtiges Stichwort, denn mir liegt es persönlich
besonders am Herzen, Aufführungen der ganz frühen Opern
Mozarts zu fördern, die momentan leider viel zu selten auf
den Spielplänen erscheinen. Ich bin zwar schon dabei, das
in Gesprächen mit Intendanten und Regisseuren anzuregen, aber
ohne die nötigen finanziellen Mittel ist der Erfolg dabei
eher bescheiden. Ich träume davon, einem Opernhaus mit entsprechenden
Fördermitteln einmal direkt bei der Inszenierung einer solchen
Oper finanziell unter die Arme greifen zu können.
nmz: Wie kommt die DMG an die
entsprechenden Fördermittel? Riedlbauer: Wir haben eine Mischfinanzierung
wie sie für gemeinnützige
Organisationen durchaus üblich ist. Wir bekommen Zuwendungen
von der Stadt Augsburg als der zuständigen Kommune für
unsere Geschäftsstelle, vom Freistaat Bayern bekommen wir
eine Projektförderung für die „Acta Mozartiana“ und
die Mozart-Musizierwoche. Für die Durchführung des Deutschen
Mozartfestes fördern uns die beiden Freistaaten Bayern und
Sachsen sowie die Städte Bayreuth und Nürnberg und besonders
großzügig die Stadt Chemnitz. Sehr gerne würde
ich es natürlich auch sehen, wenn der Bund sich in die Finanzierung
unserer Projekte mit einbringen würde.
nmz: Sie haben in dieser Sache
schon Kontakt mit Bundesaußenminister
Steinmeier aufgenommen. Gibt es von dieser Seite schon eine positive
Rückmeldung? Riedlbauer: Es gibt da noch keine finanziellen
Zusagen, allerdings ist Herr Steinmeier grundsätzlich der Idee gegenüber
aufgeschlossen, die DMG in die kulturellen Aktivitäten des
Außenministeriums mit einzubeziehen. Wenn es also beispielsweise
darum geht, kulturpolitische Delegationen für die Auslandsarbeit
zu bilden. Das ist uns in ideeller Hinsicht sehr wichtig.
nmz: Stellen Sie sich die DMG
kulturpolitisch als Ergänzung
zum Goethe-Institut vor? Riedlbauer: Überall dort, wo wir uns hilfreich einbringen
können, wollen wir das tun. Das kann hinuntergebrochen werden
bis zum Austausch von Künstlern und Wissenschaftlern.
nmz: Vor etwa zwei Jahren haben Sie die Präsidentschaft der
DMG übernommen. Was waren bisher Ihre wichtigsten Ziele, und
was steht außer der Imagepflege früher Mozartopern noch
auf Ihrer Agenda? Riedlbauer: Von Anfang an sehr wichtig war mir
die Ausweitung der Mozart-Musizierwochen, einem Projekt, das die
DMG schon seit vielen
Jahren in Bayern durchführt. In diesen generationsübergreifenden
Kammermusikkursen, die Jüngsten sind manchmal zehn bis zwölf
Jahre alt, die Ältesten stehen oft weit in ihren Siebzigern,
können Interessierte unter der Anleitung von Hochschullehrern
ihre Fertigkeiten in der Kammermusik vervollkommnen. Dieses Projekt
würde ich gerne auch in anderen Regionen Deutschlands durchführen.
In diesem Jahr wird es eine Mozart-Musizierwoche in Niedersachsen
geben, im nächsten Jahr können wir sie wohl auch im Raum
Chemnitz-Dresden anbieten. Und auch den Westen Deutschlands wollen
wir in dieser Hinsicht noch erschließen, wenn es, wie ich
hoffe, demnächst eine neu gegründete Mozart-Gesellschaft
in Köln geben wird.
nmz: Herr Riedlbauer, vielen
Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Jörg Lichtinger
57. Deutsches Mozartfest 2008
Das Deutsche Mozartfest 2008 findet vom 9. Mai bis 1. Juni
2008 statt. Die Veranstaltungsorte befinden sich in den
Städtedreiecken Chemnitz-Leipzig-Dresden und Bamberg-Bayreuth-Nürnberg.
Zur Eröffnung zeigt die Oper Chemnitz ihre Inszenierung
der Zauberflöte, und auch Verleihung und Preisträgerkonzert
des Mozartpreises (12. Mai) finden in Chemnitz statt. In
diesem Jahr hat sich die dort ansässige Sächsische
Mozart-Gesellschaft für den Pianisten und Dirigenten
David Timm als Preisträger entschieden. Neben Konzerten
mit klassischer und zeitgenössischer Musik werden auch
Vorträge zu Mozartthemen angeboten. Die Verteilung der
Spielstätten auf die Länder Bayern und Sachsen
soll den kulturellen Austausch zwischen den beiden Bundesländern
fördern und eine Basis für weitere gemeinsame Kulturprojekte
sein.